IS-Propaganda macht aus Mitläufern Mörder

Orlando-Attentäter Omar Mateen - sein Bekenntnis zum IS ist mehr als zweifelhaft.
Welche Typen der IS anspricht – und was er aus ihnen macht.

So ganz sicher, was er denn jetzt nun ist, war sich Omar Mateen in den vergangenen Jahren anscheinend nicht. Da prahlte er einmal damit, die Zarnajew-Brüder gekannt zu haben, die 2013 den Anschlag auf den Boston-Marathon verübt hatten – wurde verhört und wieder freigelassen, weil sich das als falsch herausstellte. 2013 gab er dann gegenüber Kollegen an, der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah anzugehören. In den Telefonaten während der Geiselnahme nannte er dann den Namen eines Amerikaners, der für den syrischen El-Kaida-Ableger Al-Nusra gekämpft hatte und gab an, IS-Kämpfer zu sein. Al-Nusra und IS sind verfeindet – aber immerhin sunnitisch. Wenn sich die beiden aber auf einen ideologischen Todfeind einigen könnten, so hieße der wohl Hisbollah. War Mateen also vor allem eines: ein Terror-Münchhausen, den auch ein Hello-Kitty-Fanclub hätte radikalisieren können? Und kann die Tat eines verwirrten Einzelnen überhaupt als Terror bezeichnet werden?

Andreas Armborst vom Deutschen Forum Kriminalprävention, ein profunder Kenner islamistischer Ideologien, will Ermittlungen nicht vorgreifen. In diesem "Amoklauf, Hass-Verbrechen oder Terrorakt", wie er es nennt, und den Aussagen Mateens könne er aber "keinerlei politische Rationalität" erkennen – von einer Selbstradikalisierung abgesehen.

Die aber gehört angesichts der umfassenden Kommunikation des IS in diversen sozialen Medien zum Programm der Organisation.

Der IS versuche, verschiedenste Individuen anzusprechen, so Armborst. Da seien auf der einen Seite die Mitläufer, die vor allem provozieren wollten, dann aber dazu neigen würden, sich sehr schnell zu radikalisieren und sehr schnell bis zum Äußersten zu gehen – also etwa einen Anschlag verüben. Und dann seien da die Ideologen: Menschen, die sich über Jahre mit radikalen Ideologien durchaus auf einem intellektuellen Level auseinandergesetzt hätten.

Die Perfidität dieser Kommunikation des IS beschreibt Armborst so: "Sie mixen zum Teil durchaus Fakten und auch legitime Kritikpunkte mit extremer Gewaltideologie." Eine Mischung, die sehr schwer zu durchschauen sei und vor allem Jugendliche anspreche.

Parteibuch-Islamismus

Um sich zu rechtfertigen betreiben Organisationen wie der IS durchaus großen Aufwand. In stundenlangen Ausführungen versuche der IS, seine Art der Anwendung von Gewalt zu rechtfertigen, sagt Armborst. Weil Religion durchaus eine große Rolle spiele für manche. Für andere, die sich der Organisation anschließen, aber wiederum nahezu gar nichts. Für die sei die Ideologie nur eine Art Parteibuch. Und Armborst betont: Wenn auch der Konflikt in Nahost mitunter nach Europa "überschwappe", so handle es sich vor allem doch um einen innerislamischen Krieg um Deutungshoheit zwischen verschiedensten Gruppen.

Und in diesem Lichte sieht der Islamismusexperte durchaus ein Ablaufdatum für den IS, der derzeit bereits militärisch geschwächt sei und daher vor allem auf Anschläge in Europa setze. Kein nahes Ende sieht Armborst für den Dschihadismus an sich und auch nicht für El Kaida. Denn, so glaubt er, El Kaida werde recht bald wieder die Oberhand bekommen im Machtkampf mit dem IS. In islamistischen Kreisen sei die El Kaida glaubwürdiger, so Armborst. Einige Aktionen des IS haben extremistische Gelehrte vor den Kopf gestoßen – nicht, weil diese Inhuman gewesen seien, sondern weil damit gegen den Koran verstoßen worden sei.

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