Irland: Kampf gegen die neuerliche Teilung

Protest gegen die Wiederbelebung der inneririschen Grenze
Eine der größten Hürden für den britischen Brexit wäre die Wiederbelebung der inneririschen Grenze.

Die Teilung Irlands 1921 traf den Großvater von David Crockett hart. Auf einmal lag ein Teil seiner Felder im neu geschaffenen irischen Freistaat, der andere in Nordirland, das weiter zu Großbritannien gehörte. "Er musste fortan zwei Bauernhöfe führen, mit zwei verschiedenen Banken arbeiten und Regeln von zwei verschiedenen Landwirtschaftsministerien befolgen", erzählt David Crockett.

Das ging Jahrzehnte so, erst der Beitritt beider Länder zur EG (spätere EU) und das Karfreitag-Friedensabkommen für Nordirland 1998 änderten alles – zum Besseren. "Die Grenze wurde praktisch unsichtbar. Heute können wir das gleiche Futter auf beiden Seiten verwenden. Und wenn Inspektoren unsere Ernte kontrollieren, wenden alle die gleichen EU-Standards an", sagt Crockett.

Das könnte sich nun wieder ändern. Großbritannien wird die EU im März 2019 verlassen. Die Regierung in London strebt einen "harten Brexit" an. Sie will den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Das bedeutet aus Sicht von Experten, dass es wieder eine physische Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird müssen, um Personen und Waren kontrollieren zu können.

Lange Warteschlangen

Das Problem der inneririschen Grenze gilt als schwierigste Hürde bei den Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien. Irland verlangt von der Regierung in London eine schriftliche Zusicherung, dass es nach dem Brexit keine neuen Barrieren zwischen Nord- und Südirland geben wird. "Wir können und werden nicht zulassen, dass es auf der irischen Insel jemals wieder eine physische Grenze gibt", erklärte Außenminister Simon Coveney.

Irland und Nordirland sind politisch und wirtschaftlich eng verflochten. Bauunternehmer Rory Reagan aus dem nordirischen Cookstown fürchtet die Auswirkungen des Brexit auf seine Firma: "Wir haben viele Mitarbeiter, die aus der Republik Irland stammen und täglich anreisen. Die könnten sich künftig jeden Morgen in langen Warteschlangen an der Grenze wiederfinden." Fast 50.000 Menschen pendeln derzeit täglich zwischen Nord- und Südirland.

Der harte Brexit gefährde zudem den immer noch fragilen Frieden zwischen pro-irischen Republikanern und pro-britischen Unionisten in Nordirland, warnen Experten. Im jahrzehntelangen Bürgerkrieg starben 3600 Menschen. Die EU-Integration beider Staaten trug wesentlich zur Aussöhnung bei.

Die innerirische Grenze wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten praktisch unsichtbar. Wer auf der M1-Autobahn von Dublin nach Belfast fährt, bemerkt den Grenzübertritt nur, weil die Temposchilder in Nordirland Meilen statt Kilometer pro Stunde anzeigen. Eine neue physische Trennung beider Staaten durch den Brexit könnte die Gewalt neu entfachen, wird befürchtet.

Dublin hat Veto

So lange die innerirische Frage nicht geklärt ist, will die EU nicht in die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien eintreten. Bei denen soll es um die künftigen Handelsbeziehungen gehen. Entscheidend wird der EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember sein. Bei diesem werden die Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob die Fortschritte in den bisherigen Verhandlungen mit Großbritannien ausreichend waren. Strittig waren zuletzt auch der künftige Status von EU-Bürgern in Großbritannien und die EU-Austrittsrechnung des Landes. Irland hat so wie alle anderen EU-Staaten in dieser ersten Phase der Verhandlungen ein Veto.

Die britische Regierung beteuert, ebenfalls keine neue Grenze in Irland zu wollen. Wie das gehen soll, ließ sie aber offen. Eine Möglichkeit wäre, Nordirland einen Sonderstatus zu geben und es in Zollunion und Binnenmarkt zu belassen. Die Grenze würde auf die irische See verlegt. Doch das lehnen die pro-britischen Unionisten ab. Sie fürchten einen schleichenden Anschluss an die Republik Irland. "Großbritannien ist der Europäischen Gemeinschaft geeint beigetreten, es wird die EU geeint verlassen", stellte Arlene Foster, Chefin der stärksten Unionistenpartei, DUP, klar.

Irlands Regierungschef Leo Varadkar macht für die scheinbar ausweglose Situation die führenden Köpfe der britischen Brexit-Lobby verantwortlich: "Manchmal scheint es so, als hätten sie das alles nicht zu Ende gedacht."

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