Internationale Pressestimmen zum Terroranschlag in St. Petersburg

Flaggen in St. Petersburg wehen heute auf Halbmast.
"La Repubblica": Putin ist Hauptfeind des Dschihadismus. "Trouw": Rückkehrer aus Syrien erhöhen Terrorgefahr. Zahl der Toten nach Anschlag stieg indes auf 14.

Nach dem Anschlag auf die U-Bahn in St. Petersburg ist die Zahl der Toten nach offiziellen Angaben auf 14 gestiegen. Wie die russische Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa am Dienstag mitteilte, starben elf Menschen direkt am Anschlagsort. Drei weitere Menschen seien in Rettungswagen oder in Krankenhäusern ihren schweren Verletzungen erlegen. 49 Verletzte seien demnach noch im Krankenhaus.

Am Dienstag teilten die Behörden in Kirgistan mit, der Anschlag sei von einem Selbstmordattentäter aus dem zentralasiatischen Land verübt worden. Für das Attentat sei der Kirgise Akbarschon Dschalilow verantwortlich, sagte ein Sprecher des kirgisischen Geheimdienstes in Bischkek. Der 1995 geborene Mann habe "wahrscheinlich" auch die russische Staatsangehörigkeit gehabt (mehr dazu lesen Sie weiter unten).

Zu dem Bombenanschlag schreiben internationale Tageszeitungen am Dienstag:

"La Repubblica" (Rom):

"Wieder Tote. Wieder zerrissene Körper, durchbrochene Leben vom Terrorismus, der die feige Waffe derjenigen ist, die die normalen Bürger treffen wollen, die Unschuldigen, weil sie nicht den Mut oder die Kraft haben, dem Feind auf dem Schlachtfeld zu begegnen.

Dieses Mal trifft es Russland. Es ist schwierig, Neues zu sagen angesichts der Serie von terroristischen Attacken, die seit Beginn des neuen Jahrhunderts verschiedene Orte in unterschiedlichen Ländern getroffen hat, unter anderem die Metro in Moskau, wo sich 2010 zwei tschetschenische Frauen in die Luft gesprengt und 40 Menschen in den Tod gerissen haben. (...)

Aber wenn das moralische Urteil nicht variieren kann, dann muss es die politische Analyse sein. Der Terrorismus ist keine Ursache, sondern ein Instrument (...). Und Putin ist es gelungen - von der Krim bis zu Syrien - zu zeigen, dass Russland zählt, dass Russland nicht ausgeschlossen werden kann. Mehr noch: dass Russland noch immer eine Großmacht ist. Er betreibt einen kalten, entschlossenen Revanchismus, der bisher Erfolg hatte (...). Aber, und das wissen die Amerikaner nur zu gut, man muss einen entsetzlichen Preis für das Bestreben zahlen, eine Großmacht zu sein. (...) Heute ist es Putin, der Hauptfeind des Jihadismus zu sein scheint."

"El Pais" (Madrid):

"Der Terrorismus ist ein alter Bekannter in Russland, wo die Kriege in Tschetschenien und im Nordkaukasus seit dem Ende Sowjetunion eine wilde und willkürliche Gewalt seitens bewaffneter Islamistengruppen gespeist hatten. (...) Das Ende dieser Kriege schien die terroristische Bedrohung in Russland zu verringern, aber die Teilnahme seiner Truppen an den Bombardements in Syrien hat das Monster zu neuem Leben erweckt. (...) Europa und die Welt müssen gegenüber dem Terrorismus und der Verteidigung des friedlichen Zusammenlebens aller Ideen Geschlossenheit mit Russland demonstrieren. Jeder Angriff und jede Bedrohung können nur verurteilt und von Solidarität begleitet werden."

"Trouw" (Amsterdam):

"Russische Sicherheitsdienste haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Brust geklopft, weil sie angeblich Terroranschläge vereitelt haben. Wahrscheinlich ist aber, dass in der Zeitspanne nach dem aufsehenerregenden Anschlag 2013 im südrussischen Wolgograd die terroristischen Aktivitäten tatsächlich abgenommen hatten. Ein Grund dafür könnte 2014 der Tod des tschetschenischen Kommandanten von radikal-islamischen Rebellen gewesen sein, die im Nordkaukasus einen islamischen Staat errichten wollten. (...) Danach schworen diverse Rebellenführer im Kaukasus der Terrororganisation Islamischer Staat die Treue. Und nach Erkenntnissen russischer sowie westlicher Geheimdienste zogen Hunderte von Rebellen aus dem Kaukasus und auch aus Zentralasien in den Nahen Osten, um sich dem IS anzuschließen. Im Nordkaukasus nahm unterdessen die Zahl der Kämpfe mit Rebellen ab. Doch Experten haben stets vor der Gefahr gewarnt, die von den Fronten in Syrien und im Irak heimkehrende Kämpfer in Russland und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion darstellen. Die Aktualität solcher Warnungen vor Rückkehrern ist auch durch die Anschläge in Paris, Brüssel und London unterstrichen worden."

"Lidove noviny" (Prag):

"Wir sollten vom Terror betroffene Länder nicht nach dem Maß unserer Sympathie ordnen. Russische Opfer sind genauso viel wert wie diejenigen aus dem Westen oder dem Nahen Osten. Statt zu überlegen, ob die russische Führung den Bombenanschlag vielleicht verdient hatte, sollten wir uns daran erinnern, dass (der russische Präsident Wladimir) Putin am 11. September 2001 der erste ausländische Staatschef war, der Washington kondolierte. (...) Es ist dies der erste Anschlag im Herzen Russlands nach sieben Jahren. In dieser Zeit hat sich Putin gegenüber dem Westen und der liberalen Demokratie abgegrenzt - und sein autoritäres Regime versprach größere Sicherheit als der liberale Westen. Jetzt hat sich gezeigt, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Das soll kein Siegesjubel sein, sondern eine reine Tatsachenfeststellung."

"Gazeta Wyborcza" (Warschau):

"Seit einigen Jahren zeigen russische Fernsehkanäle ein Weltbild, in dem der Nahe Osten in Flammen steht, Europa von Anschlägen erschüttert wird, aber die russische Erde ruhig bleibt. Und bleiben wird, weil die Regierung wachsam ist und die Armee Terroristen in Syrien und im Osten der Ukraine aufhält. Der Anschlag in Russland zerstört dieses Bild und stellt den Sinn von Putins liebsten Kriegen infrage, auf welche er seine Autorität stützt. Das zu provozieren, wäre sinnlos.

Doch eine Tragödie könnte nützlich sein, Putin hat schon früher Anschläge dafür genutzt, die Schraube anzuziehen. So war es zum Beispiel 2004 nach Beslan, als der Tod der Kinder dem Kreml einen Vorwand gab, den Einwohnern der Region die Rechte zur Gouverneurswahl zu nehmen. (..). Auch jetzt, wenn Russland aufwacht, die Bürger aktiv werden, was auf den Straßen zu sehen ist, kann sich eine Bombe in der Metro als nützliches Werkzeug herausstellen, um die Schrauben anzuziehen."

"Pravda" (Bratislava):

"Vorläufig lässt sich über die Täter nur spekulieren. In der Vergangenheit hätte man Terroristen aus dem Kaukasus verdächtigt. Die sind aber mittlerweile "ruhig gestellt". Sehr gut möglich ist aber, dass es sich um Rückkehrer aus Syrien handelt, da unter der Fahne des IS (der Terrororganisation Islamischer Staat) Tausende Jihadisten aus der Ex-Sowjetunion kämpfen. Das würde aber heißen, dass sich der islamistische Terror nach den Metropolen des Westens auch in den Osten verlegt hat.

Wie auch immer: Wenn es um islamistischen Terror geht, müssen wir trotz aller Vorbehalte gegen Putin mit Russland zusammen arbeiten. Wenn es eine gemeinsame Bedrohung gibt, müssen wir ihr auch gemeinsam begegnen."

"Sme" (Bratislava):

"Die Angst, die die Terroristen wecken wollen, kennt keine geopolitischen Grenzen. Wo immer sie auch angreifen, greifen sie das Gefühl der Freiheit an. Und das sogar dort, wo es - wie in Russland - davon ohnehin zu wenig gibt."

Internationale Pressestimmen zum Terroranschlag in St. Petersburg
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Namen des mutmaßlichen Attentäters genannt

Der Anschlag auf die U-Bahn in St. Petersburg ist nach Angaben der Behörden in Kirgistan von einem Selbstmordattentäter aus dem zentralasiatischen Land verübt worden. Ein Sprecher des kirgisischen Geheimdienstes sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Bischkek, das Attentat sei von dem Kirgisen Akbarzhon Jalilov (Akbarschon Dschalilow) verübt worden. Es sei wahrscheinlich, dass er auch die russische Staatsbürgerschaft habe. Laut dem GKNB-Sprecher wurde Jalilov 1995 in Osh geboren, berichtete Reuters.

Bei der Explosion in einer U-Bahn in St. Petersburg waren am Montag 14 Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB ereignete sich gegen 14.40 Uhr Ortszeit eine Explosion in einer U-Bahn, die gerade zwischen den Stationen Sennaja Ploschtschad und Technologisches Institut im Zentrum von St. Petersburg unterwegs war.

Kurz darauf wurde ein selbst gebauter Sprengsatz in der U-Bahnstation am Wosstanija-Platz in der Petersburger Innenstadt "gefunden und rechtzeitig entschärft", wie die russischen Anti-Terror-Behörden mitteilten. Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand.

Präsident Wladimir Putin, der sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Nähe von St. Petersburg aufhielt, erklärte, die Ermittlungen würden in alle Richtungen geführt. Als Ursache kämen "ein Unfall, ein Verbrechen und vor allem Terrorismus" in Frage. Die russische Justiz eröffnete Ermittlungen nach Paragraf 205 des russischen Strafgesetzbuches, der die Strafbarkeit von Terroranschlägen regelt.

US-Präsident Donald Trump hat mit Entsetzen auf die Explosion in einer U-Bahn in St. Petersburg reagiert. "Schrecklich. Schreckliche Sache", sagte Trump am Montag in Washington auf eine entsprechende Frage. "Es passiert überall auf der Welt. Eine absolut schreckliche Sache."

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel sagte in Luxemburg, vieles deute auf "einen hinterhältigen Anschlag" hin, auch wenn die Hintergründe noch nicht klar seien. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und die EU-Außenminister drückten ihr Mitgefühl aus. "Unsere Gedanken sind bei allen Menschen Russlands", schrieb Mogherini am Montag auf Twitter. Mogherini und die Minister hatten in Luxemburg unter anderem über eine neue Syrien-Strategie diskutiert.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich betroffen über die Explosion in einer St. Petersburger U-Bahn. "Mit Entsetzen und Trauer verfolge ich die Nachrichten aus St. Petersburg, wo ein zur Explosion gebrachter Sprengsatz zahlreiche Tote gefordert hat", erklärte Steinmeier am Montagabend in Berlin.

Auch die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Christine Muttonen (SPÖ), bekundete den Opfern des Anschlags ihr Beileid und verurteilte die Gewalttat scharf. In einer Aussendung zeigte sie sich bestürzt, das auch viele Kinder durch die Bombenexplosion zu Schaden gekommen seien. "Meine Gedanken sind bei den Freunden und Familien der Opfer sowie dem russischen Volk, den Verletzten wünsche ich eine rasche Genesung", betonte Muttonen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich "schockiert und betrübt" über den Anschlag und betonte: "Nichts kann solche barbarischen Handlungen rechtfertigen." Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kondolierte.

Auch der Fußball-Weltverband FIFA regierte betroffen. Die Explosion sei "schockierend und traurig", hieß es in einer Stellungnahme des Verbandes am Montag. St. Petersburg ist als wichtiger Spielort für die Fußball-WM 2018 und den Confederations Cup in diesem Sommer vorgesehen.

März 2016: Islamistische Terroristen verüben in der belgischen Hauptstadt Brüssel einen Doppelanschlag auf den Flughafen und in der U-Bahn. 32 Menschen werden ermordet, mehr als 320 verletzt. Zudem kommen drei Selbstmordattentäter um.

April 2011: Bei einem Bombenanschlag in der Metro der weißrussischen Hauptstadt Minsk werden 15 Menschen getötet und etwa 150 verletzt. Die Verdächtigen sollen im Auftrag Oppositioneller gehandelt haben, heißt es zunächst. Der Präsident der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik, Alexander Lukaschenko, sagt später, es gebe keine Hinweise auf die Drahtzieher.

März 2010 in Moskau: In zwei Metro-Zügen sprengen sich Selbstmordattentäterinnen in die Luft. Sie reißen 40 Menschen mit in den Tod. Der Anführer der Islamisten im Nordkaukasus, Doku Umarow, bekennt sich zu den Anschlägen.

Juli 2005 in London: Beim ersten Selbstmordanschlag in Westeuropa zünden vier Muslime mit britischem Pass in drei U-Bahnen und einem Doppeldeckerbus Sprengsätze. 56 Menschen sterben, etwa 700 werden verletzt. Eine Geheimorganisation Qaida al-Jihad bekennt sich zu den Anschlägen.

August 2004 in Moskau: Eine mutmaßliche Tschetschenin sprengt sich am Eingang einer belebten U-Bahn-Station in die Luft. Elf Menschen sterben, darunter die Attentäterin und ihr Komplize, ein seit langem gesuchter Terrorist aus der nordkaukasischen Teilrepublik Karatschai-Tscherkessien. Rund 50 Menschen werden verletzt. Die Terrorgruppe Islambuli-Brigaden der Al-Kaida bekennt sich zu der Tat.

Februar 2004 in Moskau: Bei einem vermutlich tschetschenischen Selbstmordanschlag in einem voll besetzten Waggon der U-Bahn werden mindestens 40 Fahrgäste getötet. Nach unterschiedlichen Angaben werden zwischen 100 und 230 Menschen verletzt.

Juni 1996 in Moskau: Auf einer viel befahrenen Linie explodiert unter einem Sitz eine Bombe. Vier Menschen sterben, zwölf weitere Fahrgäste werden verletzt.

Juli 1995 in Paris: Algerische Islamisten zünden eine Bombe in einer Untergrundbahn. Acht Menschen werden getötet, mehr als 100 verletzt.

März 1995 in Tokio: Mitglieder der japanischen Aum-Sekte setzen in mehreren U-Bahn-Waggons das Nervengas Sarin frei. Zwölf Menschen sterben, mehr als 5300 werden zum Teil schwer verletzt.

Mai 1994 in Baku (Aserbaidschan): Zwischen zwei Stationen explodiert in einem U-Waggon ein Sprengsatz, im Tunnel bricht Feuer aus. Sieben Reisende kommen ums Leben, zehn Menschen werden verletzt.

März 1994 in Baku: 13 Menschen sterben, als in einem voll besetzten Zug eine Zeitbombe explodiert. 50 Menschen werden verletzt. Die Behörden vermuten militante Muslime oder Armenier dahinter.

Jänner 1977 in Moskau: Zwischen zwei Stationen explodiert ein unter einer Sitzbank versteckter Sprengsatz. Für den Mord an sieben Fahrgästen werden drei Armenier 1979 hingerichtet.

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