"Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur"

Donald Tusk und der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu
Die Internationale Presse kritisiert den EU-Türkei-Gipfel in Brüssel.

Internationale Tageszeitungen kommentieren am Montag den bevorstehenden EU-Türkei-Gipfel. Die konservative britische Times fordert am Montag dazu auf, trotz Flüchtlingskrise gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht zu nachsichtig zu sein:

"Weil sie in keiner guten Verhandlungsposition sind und Angst haben, einen strategisch wichtigen NATO-Partner zu verärgern, reden die Europäer des erschreckende Verhalten der türkischen Regierung in letzter Zeit klein, das in normaleren Zeiten eine schnelle und unverblümte Verurteilung verdient hätte. (...) Die Türkei ist als Verbündeter in einem brisanten Teil der Erde zu wichtig, als dass man ihr die kalte Schulter zeigen könnte. Aber die Notwendigkeit, Ankara zur Stabilisierung der Region in den Dienst zu nehmen, sollte den Westen nicht daran hindern, das zunehmend ungeheuerliche und unberechenbare Verhalten des Präsidenten anzusprechen."

"Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur"
A handout picture released by the Turkish Prime Minister press office on March 6, 2016 in Istanbul, shows Turkish President Recep Tayyip Erdogan arriving to attend a ceremony for the completion of the final and middle section of the Yavuz Sultan Selim Bridge in Istanbul on March 6, 2016. / AFP / TURKISH PRIME MINISTER PRESS OFFICE / YASIN BULBUL / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / TURKISH PRIME MINISTER PRESS OFFICE / YASIN BULBUL- NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

La Repubblica (Rom):

"Es gab keinen günstigeren Moment, um den autokratischen Druck in der Türkei zu erhöhen (...). Von den Vereinbarungen mit Erdogan hängen derzeit das Überleben von Schengen und die politische Zukunft von Angela Merkel (deutsche Bundeskanzlerin, Anm.) ab. Beim außerordentlichen Gipfel mit dem türkischen Ministerpräsidenten (Ahmet) Davutoglu wird die EU nun gezwungen sein, angesichts der Nachricht der Kontrollübernahme über die größte Tageszeitung des Landes ("Zaman", Anm.) den Kopf abzuwenden. Der türkische Präsident riskiert zwar, eine schüchterne Zurechtweisung für den x-ten Versuch der Unterdrückung der Pressefreiheit einzufahren, aber er sitzt am längeren Ast."

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epa05197703 A man reads a Zaman newspaper two days after it was taken over by the government, in Istanbul, Turkey, 06 March 2016. Zaman is the latest media outlet to face the strong arm of the government, after authorities took over other critical media outlets, including newspaper and television stations, allegedly affiliated with the movement of Fethullah Gulen, a US-based Islamic preacher who fell out of grace with President Recep Tayyip Erdogan in recent years. EPA/DENIZ TOPRAK

Duma (Sofia):

"Zu Beginn der (Flüchtlings-)Krise konnten die Verwirrung und Hilflosigkeit der EU teils gerechtfertigt werden, heute sind sie aber gefährlich wegen der schwierigen Folgen, die schon sichtbar sind. Die Bilanz ist bisher tragisch - die Zahl der Sondertreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs liegt im umgekehrten Verhältnis zu den gefassten und umgesetzten Beschlüssen. Noch schlimmer ist die immer klarer werdende Idee, dass die explosionsgefährdete Balkanregion zur Pufferzone werden soll, die Europas Kern von den Zuströmenden (Migranten) schützen wird. Der Balkan soll die Staaten schützen, die die europäische Solidarität proklamieren, sowie die deutsche Kanzlerin, die sie (die Flüchtlinge) bedingungslos nach Deutschland einlud und ihnen das Gefühl gab, dass Europa und insbesondere Deutschland verpflichtet seien, sie aufzunehmen."

"Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur"
TOPSHOT - People rush to get firewood in a makeshift camp of the Greek-Macedonian border near the Greek village of Idomeni on March 6, 2016, where thousands of refugees and migrants wait to cross the border into Macedonia. Greece is likely to receive another 100,000 migrants by the end of the month, Europe's migration commissioner warned on March 5, two days ahead of an EU-Turkey summit seen as the only viable solution to the crisis. Greece lies at the heart of Europe's greatest migration crisis in six decades after a series of border restrictions on the migrant trail from Austria to Macedonia caused a bottleneck on its soil. / AFP / DIMITAR DILKOFF

Neue Zürcher Zeitung:

"Die Schließung der Balkanroute kann (...) nur kurzfristige Symptombekämpfung sein und ersetzt keine längerfristige Strategie. Diese muss darin liegen, klar zu sagen, wen Europa bereit ist aufzunehmen, Griechenland dabei beizustehen, die Kontrolle und Registrierung zu verbessern und eine europaweite Verteilung umzusetzen. Ein Kollaps des Landes unter der Last der Krise schüfe genau das Chaos, das die EU bekämpfen will."

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Greek Prime Minister Alexis Tsipras arrives for an EU leaders summit with Turkey on migrants crisis on March 7, 2016 at the European Council, in Brussels. European Union leaders will on March 7 back closing down the Balkans route used by most migrants to reach Europe, diplomats said, after at least 25 more people drowned trying to cross the Aegean Sea en route to Greece. The declaration drafted by EU ambassadors on March 6 will be announced at a summit in Brussels on March 7, set to also be attended by Turkish Prime Minister Ahmet Davutoglu. / AFP / EMMANUEL DUNAND

Münchner Merkur:

Die Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur: Präsident (Recep Tayyip) Erdogan führt Krieg gegen die Kurden, er lässt Zeitungsredaktionen stürmen und an der Grenze syrische Flüchtlinge erschießen. Doch Berlin schweigt zu all dem. Denn (Bundeskanzlerin Angela) Merkel braucht Ankara. Als Partner für eine vorgeblich humanitäre europäische Flüchtlingspolitik, die die Schmutzarbeit anderen überlässt. Auch die übrigen Europäer ducken sich weg. Man stelle sich vor, die neun Syrer wären nicht an der türkisch-syrischen Grenze gestorben, sondern an der griechischen oder der mazedonischen. Der Aufschrei wäre um die ganze Welt gegangen. So aber gibt es vor dem heutigen EU-Schicksalsgipfel nur dröhnendes Schweigen. Zynisch könnte man sagen: Wenigstens hier ist Europas verlorene Einheit wieder hergestellt.

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Migrants wait to cross the Greek-Macedonian border at a makeshift camp, near the village of Idomeni, Greece March 7, 2016. REUTERS/Marko Djurica

Tagesspiegel:

"Die Flüchtlingskrise kann nur mit viel Geld und noch mehr Diplomatie da gelöst werden, wo sie entstand, in der mittelöstlichen Nachbarschaft Syriens. Aber dies endlich zu begreifen heißt einzusehen, dass auch dieser Gipfel keine Lösung bringen kann, sondern bestenfalls einen neuen, kleinen Schritt zum Ziel geht, ohne den genauen Weg dorthin wirklich schon zu kennen."

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TOPSHOT - A Syrian barber shaves the beard of a customer in a migrant and refugee makeshift camp installed close to Greek-Macedonian border near the Greek village of Idomeni, on March 5, 2016, where thousands of refugees and migrants wait to cross the border into Macedonia. Some 13,000 refugees are crammed in unhygienic conditions on Greece's border with Macedonia, officials said on March 5, with all eyes on a key EU-Turkey summit on March 7 that is seen as the only viable solution to the crisis. The huge influx of refugees and migrants has caused major tensions and divisions within the European Union, but EU President Donald Tusk on March 4 struck an upbeat note about the summit in Brussels. / AFP / DIMITAR DILKOFF

Kölner Stadtanzeiger:

"Der türkische Premier Davutoglu selbst verknüpft die Flüchtlingsfrage mit den EU-Beitrittsverhandlungen. Was er aber nicht zu verstehen scheint: Eine weitere Annäherung an die EU kann es nur geben, wenn Ankara die Kopenhagener Kriterien für Beitrittskandidaten erfüllt. Dazu gehört ausdrücklich das Garantieren der Minderheitenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Meinungsfreiheit. Aber was in der Türkei derzeit passiert, geht in eine völlig andere Richtung. Seine Grundwerte darf Europa nicht preisgeben. Einen Rabatt kann die EU der Türkei in diesen Fragen deshalb nicht gewähren - und sei der Druck in der Flüchtlingskrise auch noch so groß."

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Two women from Syria sit facing the sea at the port of Piraeus in Athens, on March 6, 2016. At least 25 migrants including children died on March 6 when their wooden boat capsized in the Aegean Sea while trying to cross from Turkey to Greece, the Turkish coastguard said. The tragedy comes a day before a crucial summit between Turkey and European Union leaders in Brussels. The 28-nation bloc is hoping for new commitments from Turkish Prime Minister Ahmet Davutoglu at their talks in Brussels in order to stop the stream of refugees. / AFP / ANGELOS TZORTZINIS

Nürnberger Nachrichten:

"Erdogan nutzt die prekäre Situation der Europäer in der Flüchtlingskrise - allen voran von Kanzlerin Merkel - für seine eigene Agenda, doch er handelt kurzsichtig. Denn gemessen an ihren langfristigen Interessen schneidet sich die Türkei ins eigene Fleisch, da auch diese Krise nicht ewig dauern wird. Erdogan macht die Türkei für den Westen unberechenbar. Der Ruf des Landes als verlässlicher Partner wird ruiniert. Wer in Europa wird Erdogan oder Ministerpräsident Davutoglu noch glauben?"

"Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur"
A handout photo taken and released on March 6, 2016 by the Turkish prime minister's press office shows (LtoR) German Chancellor Angela Merkel, Turkish Prime Minister Ahmet Davutoglu and Dutch Prime Minister Mark Rutte attending a meeting on the migrant crisis at Turkey's Permanent Delegation to the European Union, in Brussels, late March 6, 2016, ahead of a European Union leaders' summit with Turkey on March 7. / AFP / HANDOUT / HAKAN GOKTEPE / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HAKAN GOKTEPE / TURKISH PRIME MINISTER PRESS OFFICE" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Schwäbische Zeitung (Ravensburg):

"Europa ist eben nicht nur eine große Idee, sondern es bedeutet viel Arbeit mit sehr vielen Gipfeln und Beratungen. Aber ein Europa der nationalen Antworten auf internationale Krisen ist zum Scheitern verurteilt. Mit geschlossenen Grenzen würde es keinen florierenden Handel geben, in Forschung und Entwicklung würde der Kontinent endgültig den Anschluss an die Weltspitze verlieren. Europa setzt gerade seine Größe aufs Spiel - weil Einzelne meinen, individuelles Handeln sei besser als eine transnationale Lösung, die alle schützt."

"Türkei ist auf dem Weg in eine blutige Diktatur"
epa05198946 European Council President Donald Tusk (L) and German Chancellor Angela Merkel during a bilateral meeting ahead of an extraordinary summit of European Union leaders with Turkey in Brussels, Belgium, 07 March 2016. EU leaders are set to make another attempt to stem a migration surge that is testing their unity and principles, with hopes high that neighbouring Turkey will shoulder more of the burden. EPA/JOHN THYS / POOL

La Croix (Paris):

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan weiß, dass die EU ihn braucht - und verkauft sich teuer. Er akzeptiert die Rolle des Türstehers Europas, will aber auf der richtigen Seite der Tür stehen und sich keine Regeln aufdrängen lassen, die ihm nicht passen. So kann man auch die Zwangsverwaltung der Oppositionszeitung 'Zaman' interpretieren. Der Einsatz der Polizei wenige Tage vor dem Sondergipfel in Brüssel konnte sicherlich nicht ohne das grüne Licht des islamisch-konservativen Präsidenten erfolgen. Derweil gibt sich Europa, das den Flüchtlingsandrang bremsen will, angesichts dieser offensichtlichen Provokation bedeckt."

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