Pressestimmen: "Der Tod des harten Brexits"

Pressestimmen: "Der Tod des harten Brexits"
Die britische Regierung hatte angekündigt, sie werde in dieser Woche eine Reihe von Positionspapieren veröffentlichen.

Internationale und britische Pressekommentare befassen sich am Mittwoch mit Positionen der Regierung in London zum EU-Austritt und dem Vorschlag einer zeitlich befristeten Zollunion nach dem Brexit. Die Times schreibt:

"Für die Regierung ist es unerlässlich zu begreifen, dass selbst die ausgeklügeltste Zollvereinbarung nicht für einen reibungslosen Handel sorgt. Die meisten Handelsschranken entstehen durch behördliche Vorschriften. Diese werden nicht durch die europäische Zollunion eliminiert, sondern durch den Binnenmarkt, das gemeinschaftliche Regelwerk, das dafür sorgt, dass die Produkte des einen Landes auch dem Standard eines anderen entsprechen. Ohne gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Bestimmungen Großbritanniens und der EU wird es Unstimmigkeiten geben. Die Schaffung eines solchen Systems ist die große wirtschaftliche Herausforderung an den Brexit. Und damit muss sich die Regierung erst noch auseinandersetzen. Einstweilen verweigert die EU Gespräche über den Handel, bis es Fortschritte beim Scheidungsabkommen gibt, einschließlich der Einigung über das Finanzielle. Die Regierung macht erste Fortschritte bei der Bestimmung ihrer Positionen zum Brexit. Sie hat aber noch einen langen Weg vor sich."

El Pais (Madrid):

"Damit hat (Premierministerin Theresa) May eine Kehrtwende um 180 Grad zu ihrer Politik der maximalen Härte vollzogen (...). Der Tod des harten Brexits wurde nun offiziell gemacht. (...) Viele Faktoren haben diesen Kurswechsel hin zu einem 'entkoffeinierten Brexit' provoziert. (...) Und die ersten Reaktionen Europas waren richtig: der Entwicklung Londons hin zum Realismus die Hand zu reichen; und standhaft sein, wenn es darum geht, dass das endgültige Dokument nur dann zur Diskussion steht, wenn es Einigkeit über die Schlüsselfragen zum Thema Migration und die finanzielle Rechnung des Ausstiegs gibt."

De Tijd (Brüssel)

"Die Chancen dafür sind gering. Die EU-Kommission wiederholte gestern klar und deutlich, dass vor Diskussionen über die Handelsbeziehungen drei Themen geklärt sein müssen. Es geht um die Rechte von EU-Bürgern nach dem Brexit, den Status der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland und das vielleicht schwierigste Thema, die Einigung auf die noch zu begleichende Rechnung für die Briten bei der EU. Solange dazu keine Einigung in Sicht ist, haben andere Themen wenig Chancen. (...) Die geschwächte britische Regierung befindet sich in einer schwierigen Lage. Abgesehen von der internen Uneinigkeit über die Art von Brexit, die sie letztlich haben will, wächst in der britischen Öffentlichkeit die Erkenntnis, dass die vorgespiegelten Vorteile einer Scheidung von der EU auf Illusionen beruhten. Der Brexit steuert auf einen katastrophalen Verlauf zu. Das können Vorstellungen von einer 'zeitweiligen Zollunion' nicht verhüllen. Damit wird lediglich der Eindruck verstärkt, dass die Briten die Lust ohne die Last haben wollen. Das sollte die EU ihnen nicht gönnen."

Pravda (Bratislava):

"Viele würden am liebsten die Zeit zurückdrehen und das Referendum vom vergangenen Jahr über den Austritt der Briten aus der Europäischen Union wieder rückgängig machen. Die Briten wollen den Zuzug von Migranten einschränken und den schon angekommenen die Sozialleistungen kürzen, aber zugleich trotzdem weiter vom freien Verkehr der Waren und Dienstleistungen profitieren.

Das sind ja vernünftige Ziele. Nur haben die Briten den völlig falschen Weg gewählt, um sie zu erreichen. Eine vernünftige Kürzung von Sozialleistungen für Migranten hätten sie auch bei einem Verbleib in der EU durchsetzen können. Darüber wird ja sowieso auch in Österreich und Deutschland schon diskutiert."

La Voix du Nord (Lille):

"Seit der Einleitung des Brexit-Verfahrens im vergangenen März kommen die Verhandlungen in Brüssel keinen Schritt voran. (...) Um zu einem Ende zu kommen, bevor die Scheidung im März 2019 effektiv wird, braucht es einen klaren Plan. Mit dem Vorschlag einer provisorischen Zollunion gewinnt London Zeit. Dass in diesem Fall gilt 'time is money', ist nicht sicher."

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