Wie sich der Terror in Europa gewandelt hat

Wie sich der Terror in Europa gewandelt hat
Die Schlagzahl der terroristischen Anschläge in Europa scheint sich zu erhöhen. Eine Einordnung der jüngsten Ereignisse in den historischen Kontext.

Seit dem Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo im Jänner des vergangenen Jahres ist der Terror der tägliche Begleiter in den Köpfen der Europäer. Paris, Brüssel, und jetzt Nizza: Die Schlagzahl an Terroranschlägen in Westeuropa scheint sich zu erhöhen, die Menschen in den europäischen Großstädten leben in ständiger Angst, dass es sie als nächstes treffen könnte.

Ohne den Schrecken der letzten Anschlagswelle verharmlosen zu wollen, muss man die jüngsten Ereignisse in einen historischen Kontext einbetten. Denn: Terrorismus in Europa ist kein neues Phänomen. Die "Global Terrorism Database" (GTD) des "National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism" (START) der Universität Maryland in den USA, hilft die aktuellen Ereignisse einzuordnen. START hat alle Anschläge mit terroristischem Hintergrund, die seit dem Jahr 1970 verübt wurden, in einer Datenbank zusammengetragen, die mehr als 150.000 Einträge umfasst.

Westeuropa ist vergleichsweise terrorfrei

Wiederum ohne die Ereignisse der vergangenen Jahre zu verharmlosen: Die Zahl der Anschläge in Europa ist vergleichsweise gering. Nur rund 3000 von etwas mehr als 85.000 erfolgreich durchgeführten terroristischen Attentaten zwischen 1996 und 2015 fanden in westeuropäischen Ländern statt. Die Hotspots befinden sich in Südasien, dem Nahen Osten und Nordafrika. Zunehmend ballt sich die Zahl der Anschläge vor allem im Irak, Pakistan, Afghanistan und Ländern wie Libyen und dem Jemen. In der folgenden Animation lässt sich das sehr gut nachvollziehen. Ein roter Punkt entspricht einem in der GTD aufgelisteten Ereignis mit terroristischem Hintergrund:

Wie sich der Terror in Europa gewandelt hat

Regional agierende Gruppen wurden von global agierenden abgelöst

In den 1970er- und 1980er-Jahren gingen Anschläge innerhalb Westeuropas zumeist von regional agierenden terroristischen Gruppierungen aus. Organisationen wie die IRA (Irland und Nordirland), die ETA (Spanien), die RAF (Deutschland) oder neofaschistische Gruppierungen in Italien wollten durch Terrorattacken regional-politische Ziele durchsetzen. Sie waren vor allem für die Menschen in den betroffenen Ländern eine Bedrohung. Zumeist handelte es sich auch um Anschläge im kleineren Ausmaß mit verhältnismäßig wenig Opfern. Diese regionalen Konflikte haben sich heutzutage weitestgehend aufgelöst. Seit Mitte der 1990er-Jahre geht die Zahl der Anschläge und Todesopfer in Europa stark zurück.

Seit den Bombenanschlägen in Madrid 2004, bei denen fast 200 Menschen getötet wurden, hat sich der Art des Terrors in Europa verändert: Global agierende Terror-Gruppierungen wie Al-Qaida oder der „Islamische Staat“ haben es auf Europa als Ganzes abgesehen. Sie legen es zumeist darauf an, so viele Menschen wie möglich zu treffen.

Selbstmordanschläge sind ein relativ neues Phänomen

Attentate, bei denen der Angreifer sich selbst tötet, sind ein vergleichsweise neues Phänomen. Erst seit Beginn des neuen Jahrtausends häuft sich die Zahl der Selbstmordanschläge. Der erste große - in der GTD erfasste - Selbstmordanschlag war jener, vom 11. September 2011. Im letzten Jahr wurde dabei ein trauriger Höchststand erreicht: Weltweit fielen fast 8000 Menschen Selbstmordanschlägen zum Opfer. In Europa fand das erste große Selbstmordattentat im Jahr 2005 statt: als sich vier Rucksackbomber in London in die Luft sprengten und 52 Menschen mit sich in den Tod rissen.

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