Im Zentrum der Macht

Das erste Weiße Haus brannte ab und wurde ab 1819 wieder aufgebaut
Seit 200 Jahren Sitz der Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Weiße Haus ist das einzige Gebäude in den USA, das man nicht kaufen kann", üben sich politische Kreise in Washington derzeit in Galgenhumor, "deshalb will der Immobilien-Tycoon Donald Trump dort unbedingt einziehen". Das Weiße Haus hat bisher 43 amerikanische Präsidenten beherbergt, von denen manche ihre Schrullen und Eigenheiten hatten, aber einen wie Trump hat es dort sicher nicht gegeben. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass er als nächster Hausherr hier einzieht.

132 Zimmer

Der offizielle Amts- und Wohnsitz des mächtigsten Mannes der Welt ist ein Gebäudekomplex von gigantischen Ausmaßen, der mit seinen Nebengebäuden über 132 Zimmer verfügt, die auf einer Fläche von 5100 verstreut sind. Inklusive Kinosaal, Fitness-, Billard-, Bowlingroom, Swimming- und Whirlpool, umgeben von einem prachtvollen Park mit Tennis-, Golf-, Basketballfeld und einem Hubschrauberlandeplatz.George Washington, der erste US-Präsident, begann 1792 mit dem Bau der Hauptstadt und legte im selben Jahr den Grundstein für seine Residenz. Es war ihm nicht vergönnt, das vom Architekten James Hoban geplante Gebäude zu bewohnen, erst sein Nachfolger John Adams bezog es im November 1800 mit seiner Frau Abigail, die von ihrer neuen Adresse 1600 Pennsylvania Avenue gar nicht begeistert war. "Du musst es für Dich behalten", schrieb sie ihrer Schwester, "wenn Dich jemand fragt, sage, das Haus ist wunderbar. In Wahrheit ist es furchtbar ungemütlich."

Im Zentrum der Macht
WAS23:CRASH-KENNEDY,WASHINGTON,D.C.,17JUL99 - UNDATED PHOTO - President Kennedy watches 18-month-old son John Jr. in the White House Oval Office. John F. Kennedy Jr., is officially missing off the coast of New York. A massive search is underway for the aircraft, carrying Kennedy, his wife Carolyn Bessette and her sister Lauren. (NO SALES) zdc/ARCHIVE PHOTOS REUTERS

Abgebrannt

Der ursprüngliche Präsidentensitz war mit dem heutigen nicht vergleichbar, er verfügte, da der Kongress für den Bau nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt hatte, über ganze sechs Zimmer. Das Haus gab’s auch nicht lange, es war noch nicht fertig eingerichtet, als es 1814 im Britisch-Amerikanischen Krieg von englischen Truppen durch einen Brandanschlag zerstört wurde.Erst der ab 1819 entstandene, etwas größere Neubau erhielt einen strahlend weißen Anstrich, sodass er im Volksmund "White House" genannt wurde. Offiziell wurde dieser Name erst 1901 durch Präsident Theodore Roosevelt, der seinen Wohnsitz um den heutigen Westflügel erweitern ließ, in dem sein Nachfolger William Taft dann das legendäre Oval Office errichtete. Jetzt erst waren Privat- und Arbeitsräume des Präsidenten getrennt.Und doch war das Weiße Haus immer noch eine relativ kleine, im klassizistischen Stil errichtete Villa. Erst als 1939 das englische Königspaar in Washington erwartet wurde, fand man einen Anlass, das Gebäude großzügig auszubauen. Jetzt entstand ein repräsentativer Palast, dessen zweite und dritte Etage der First Family als Wohnung mit 20 Zimmern dienen. Seit dieser Umgestaltung sagt man über den US-Präsidenten: "Er hat den härtesten Job der Welt, übt ihn aber in der angenehmsten Umgebung aus."Im Oval Office wurden weltpolitische Entscheidungen getroffen, doch nie stand der Raum so in den Schlagzeilen wie 1998, als bekannt wurde, was Präsident Clinton hier mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky getrieben hatte. Dies verhalf dem Oval Office zu seinem Spitznamen "Oral Office". Gut möglich, dass Clintons Frau Hillary im Jänner 2017 ebendort als erste Präsidentin einziehen wird. Erst nach Bill Clintons Eskapaden wurde aufgedeckt, dass es bei John F. Kennedys White-House-Partys nicht weniger wild herging. Privat fotografieren ließ er sich im Weißen Haus freilich nur mit Frau und Kindern. Schließlich hielt Richard Nixon 1974 im Oval Office als Folge des Watergate-Skandals seine Abschiedsrede an die Nation.

Nicht so prunkvoll

"Natürlich ist das Weiße Haus ein wunderbarer Arbeitsplatz", erzählt die Österreicherin Helene von Damm, die hier drei Jahre (1980 bis 1983) als Ronald Reagans persönliche Assistentin und als Personalchefin tätig war. "Insgesamt ist der Gebäudekomplex jedoch nicht so prunkvoll wie er auf Fotos wirkt. Man sieht immer nur den Mitteltrakt, der großzügig gebaut ist, aber die angrenzenden Büros der Mitarbeiter sind klein und niedrig. Das Haupthaus beherbergt die repräsentativen Empfangsräume und in den oberen Etagen die Privaträume des Präsidenten. In einem der Seitentrakte ist sein Büro, das Oval Office, im anderen das der First Lady. Die besondere Aura" liegt für Helene von Damm "nicht nur in der Geschichte des Hauses, sondern auch an der Macht, die von ihm ausgeht, denn die Entscheidungen, die dort fallen, betreffen die ganze Welt".

Im Zentrum der Macht
Official Photograph / The White House

Sicherheit

Entsprechend weitreichend sind die Sicherheitsvorkehrungen. Das Anwesen wird von 40 Scharfschützen und Beamten des Secret Service rund um die Uhr bewacht. Unter dem Oval Office mit seinen schusssicheren Fenstern befinden sich mehrere Kellergeschoße, die dem Präsidenten und seinem Stab in Notfällen zur Verfügung stehen. Ein solcher Fall trat bisher nur einmal ein: Während der "9/11"-Terroranschläge wurde Vizepräsident Dick Cheney – Präsident Bush war in Florida – im atomsicheren Bunker-Trakt untergebracht. Tatsächlich befürchtete man am 11. September 2001, dass nach World Trade Center und Pentagon auch das Weiße Haus zerstört werden sollte. Ein Absturz der entführten Boeing 757, die Richtung Washington flog, verhinderte diese Katastrophe im letzten Moment.Michelle Obama richtete das Weiße Haus, wie die meisten ihrer Vorgängerinnen, neu ein, die größten Veränderungen in seiner Geschichte führte aber Jacqueline Kennedy durch, als sie "aus einer Rumpelkammer die beste Kunstsammlung Amerikas" machte und das Anwesen zum ersten Mal behaglich gestaltete.

Gesperrte Räume

Abgesehen vom mehreren hundert Mitarbeitern, die in den Büros der Nebengebäude arbeiten, ist der mächtigste Mann der Welt auch sonst nie einsam: Das Weiße Haus wird jedes Jahr von Zehntausenden Schaulustigen besucht. Für die Öffentlichkeit gesperrt bleiben bei den Führungen jedoch die Arbeits- und die Privatgemächer des Präsidenten.

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