Rechtsstaat in Ungarn in Gefahr

Die Kritik am politischen Kurs Viktor Orbans wird immer lauter: Nach Einschätzung von Human Rights Watch (HRW) ist in Ungarn der Rechtsstaat in Gefahr. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht kommt die Menschenrechtsorganisation zur Schlussfolgerung, dass die jüngsten Verfassungsänderungen das Verfassungsgericht in seiner Kontrollfunktionen einschränken. Die seit dem Vorjahr geltende neue Verfassung und andere gesetzgeberische Akte der seit 2010 amtierenden, rechtskonservativen Alleinregierung unter Ministerpräsident Viktor Orban wirkten sich insgesamt negativ auf die Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Minderheiten aus. HRW rief die Europäische Union auf, schärfer gegen die Regierung in Budapest vorzugehen und auch einen Stimmrechtsentzug zu prüfen.
Medien bedroht
Die Medien seien durch ein neues Mediengesetz bedroht, während neue Justizgesetze, die unter anderen die Zwangspensionierung von rund 300 Richtern zur Folge hatten, die Unabhängigkeit der Justiz unterhöhlten. "Die gesetzlichen Veränderungen, welche die ungarische Regierung vorgenommen hat, erodieren den Rechtsstaat und den Schutz der Menschenrechte", erklärte Lydia Gall, die HRW-Expertin für den Balkan und Osteuropa.
EU muss Maßnahmen ergreifen
Ungarn verstoße gegen seine Pflichten als EU-Mitglied und weigere sich beständig, Empfehlungen der europäischen Institutionen umzusetzen, heißt es in dem Bericht weiter. Mahnungen der europäischen Institutionen würden nicht beachtet. Die EU müsse daher "konkrete Maßnahmen" ergreifen und auch prüfen, Ungarn die Stimmrechte zu entziehen.
Regierungschef Orban nutzte seit seinem Wahlsieg im Jahr 2010 seine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament dazu, die ungarische Verfassung und eine Reihe von Gesetzen zu ändern. Die EU-Kommission leitete bereits Verfahren wegen Verstößen gegen die EU-Verträge gegen Budapest ein und droht mit weiteren solchen Schritten.
Nach Artikel 7 des EU-Vertrags können einem Mitgliedsland aber auch Rechte wie das Stimmrecht entzogen werden, wenn die anderen EU-Länder einstimmig eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der EU-Werte feststellen. Dieser Schritt wäre ein bisher einmaliger Vorgang und kommt in gewisser Weise einem Ausschluss aus der EU gleich.
"Die Zeit ist gekommen, die Option von Artikel 7 auf den Tisch zu legen", fordert HRW. "Es muss dauerhaften Druck mit konkreten Konsequenzen auf Mitgliedstaaten geben, wenn sie gegen die Werte der EU verstoßen."
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