Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

Aktivisten fordern mehr Demokratie, Gegner beschweren sich über Straßenblockaden.
Die Lage in der Metropole wird unübersichtlich - Protestgegner gehen gegen Demonstranten vor.

Bei der Räumung von Barrikaden der Demokratiebewegung in Hongkong durch die Polizei hat es am Montag chaotische Szenen gegeben. Im Zentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone standen sich Beamte, Protestierende, Gegendemonstranten und womöglich auch erneut Mitglieder der chinesischen Mafia gegenüber. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, wie Nachrichtenagentur-Korrespondenten berichteten.

Eine Verhandlungslösung scheint nach wie vor in weiter Ferne zu liegen. Die Polizei begann am Morgen damit, an den Protestplätzen die von den Demonstranten errichteten Barrikaden abzubauen. Vor allem am Hauptdemonstrationsort im zentralen Geschäftsviertel Admiralty räumten sie Straßensperren ab. Zuvor hatten Dutzende Beamte Stellung um die Barrikaden herum bezogen. Die Stadtverwaltung hat unterdessen ein Ende der Blockade der Innenstadt durch pro-demokratische Demonstranten gefordert. Die "illegale Versammlung auf den Straßen" müsse aufhören, um die "schwerwiegenden Eingriffe in das tägliche Leben und die Arbeit" zu stoppen, teilte die Regierung am Montag mit.

Demos und Gegen-Demos: Bilder aus Hongkong

Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

CHINA HONG KONG OCCUPY CENTRAL
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

CHINA HONG KONG OCCUPY CENTRAL
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

Occupy Central protesters carry a safety barrier f
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

Pro-democracy protesters scuffle with anti-Occupy
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

Anti-Occupy Central protesters drag away a tent at
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

A crane removes barricades from the main protest s
Hongkong: Vermummte boykottieren Demos

Tents are set up by pro-democracy protesters block

Die Demonstranten wurden von der Polizeiaktion überrascht. "Es gab keinerlei Vorwarnung, das war bösartig", sagte der Protestteilnehmer Lanny Li. Die Studentin Cherry Yuen sagte an einer Metallabsperrung etwa 50 Meter von der Polizei entfernt: "Das ist die letzte Verteidigungslinie des Volks in der Nähe der Regierungsgebäude, aber wir werden nicht weichen."

"Occupy ist illegal"

Die Demokratieaktivisten, deren Zahl in der Nacht auf Montag deutlich gesunken war, sahen sich nicht nur der Polizei, sondern auch Gegendemonstranten gegenüber. Diese forderten lautstark, die Proteste der sogenannten Occupy-Bewegung aufzulösen. "Occupy ist illegal", riefen sie. Auch Taxifahrer beteiligten sich an dem Gegenprotest. Ein Mann versuchte sogar mit seinem Kranwagen die Barrikaden zu zerstören. Sicherheitskräfte hielten ihn auf.

In Admiralty stürmten zudem Dutzende maskierte Männer Barrikaden der Demokratieaktivisten, wogegen sich die Demonstranten wehrten. Die Polizei kesselte die Maskierten ein und warf mehrere Männer zu Boden. Einer wurde gezwungen, ein Messer fallen zu lassen.

Chaotische Zustände

"Nehmt die Triaden fest", riefen Protestierende in der Umgebung, womit sie die Vermummten der chinesischen Mafia zurechneten. "Waffen, Waffen", riefen andere Demonstranten. Zuletzt hatte es mehrfach Berichte gegeben, Angehörige der Triaden provozierten die Aktivisten bewusst.

Die Demokratiebewegung fordert die Änderung einer von Peking beschlossenen Wahlreform für Hongkong. Diese sieht vor, dass die Bürger Hongkongs im Jahr 2017 erstmals direkt einen Verwaltungschef wählen, die chinesische Staatsführung jedoch die Bewerber im Voraus auswählt.

Gegen die Reform gibt es seit Wochen Proteste. Hongkongs Verwaltungschef Leung Chun Ying erteilte der Forderung nach freien Wahlen allerdings noch am Sonntag erneut eine Absage. Die Chance, dass Peking den Forderungen der Demonstranten nachgebe, liege "bei null", sagte er.

Peking will im Jahr 2017 erstmals eine direkte Wahl in der Sonderverwaltungsregion Hongkong erlauben. Aber: Den Wählern wird eine freie Nominierung der Kandidaten verweigert. Dagegen protestieren Zehntausende in Hongkong friedlich. Ein Rückblick:

1. Juli 2014: Auf der größten Demonstration seit einem Jahrzehnt fordern Hongkonger mehr Demokratie. Über 500 Menschen werden im Zusammenhang mit dem Protest festgenommen.

17. August: Zehntausende Menschen demonstrieren gegen Pläne der prodemokratischen Occupy-Bewegung, notfalls mit einer Besetzung des Hongkonger Finanzdistrikts ihre Forderungen zu untermauern.

22. September: Tausende Studenten beginnen einen einwöchigen Streik, der auch von Demonstrationen begleitet wird.

27. September: Am Ende des Studentenstreiks eskalieren die Proteste: Die Polizei nimmt mindestens 74 Teilnehmer fest, mindestens 29 Studenten und Polizisten werden nach Polizeiangaben verletzt.

28. September: Tausende blockieren Hauptverkehrsadern und legen den Finanzbezirk lahm. Sicherheitskräfte setzen gegen die Demonstranten Tränengas und Pfefferspray ein.

29. September: Die Menge der Demonstranten wächst. Die Sprecherin des Pekinger Außenministeriums verurteilt die Vorgänge in Hongkong als "illegale Aktivitäten".

30. September: Studenten drohen mit einem Ultimatum und fordern den Rücktritt von Regierungschef Leung Chun-ying sowie eine Rücknahme der Pläne für nur begrenzte Wahlen. Sonst wollen sie die Demonstrationen ausweiten, zum Streik aufrufen oder Regierungsgebäude besetzen.

1. Oktober: Demonstriert wird auch am chinesischen Nationalfeiertag. Studentenführer drohen mit der Besetzung wichtiger Regierungsgebäude.

2. Oktober: Kurz vor Ablauf des Ultimatums lehnt der Regierungschef erneut eine Amtsniederlegung ab. Er bietet aber einen Dialog an. Die Studenten nehmen das Angebot an. Es bleibt friedlich.

3. Oktober: Die Zahl der Demonstranten geht zurück. Zusammenstöße zwischen Gegnern und Demonstranten verschärfen die Krise allerdings wieder. Studentenführer setzen die geplanten Gespräche vorerst aus.

4. Oktober: Nach Angriffen organisierter Schläger werden der Polizei zufolge 19 Menschen festgenommen. Zehntausende demonstrieren am Abend in einem friedlichen "Aufmarsch gegen Gewalt".

9. Oktober: Die Regierung hat kurzfristig die geplanten Gespräche mit den Studenten abgesagt.

Kommentare