Die „iranische“ Armee im Libanon

Die hochgerüstete Hisbollah-Miliz beschießt Israel, kämpft in Syrien, destabilisiert den Zedernstaat

Auf und ab heulten am Montag die Alarmsirenen in Tel Aviv. Nicht zur Kontrolle der Sirenen, sondern zur Überprüfung der zivilen Wachsamkeit. In der Nacht zuvor hatten die Bewohner in Metulla an Israels Nordgrenze eine Explosion gehört. Ein Ableger der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, die Al Mayadien, übernahm die Verantwortung für den Abschuss einer Rakete aus dem Südlibanon in Richtung Israel. „Sie landete wohl jenseits der Grenze“, meinte ein Bewohner von Metulla, „hoffentlich bleibt es bei der einen.“

Wohl ein zaghafter Versuch, Israel als den eigentlichen Feind in Erinnerung zu rufen. Im Libanon verfehlte er seine Wirkung. Vielmehr sind dort zwei Raketen, die einen Tag früher im schiitischen Stadtteil Dachya in Beirut einschlugen, das wichtigere Thema. Wenige Stunden zuvor hatte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah seine militärische Hilfe für Syriens Regierungschef Bashar al-Assad offiziell ausgerufen.

Doch schon seit Monaten kommt es immer wieder zu Geplänkeln zwischen der Hisbollah und sunnitischen Bewaffneten im Nordlibanon. Hier sind die Schiiten in der Minderheit, aber nah zur verbündeten alawitischen Einflusszone in Syrien. Hier verläuft ihr wichtigster Nachschubweg.

Enorme Schlagkraft

Eine heikle Lage, die sich von Tag zu Tag ändert. Nicht nur in Syrien, auch im Libanon. Was auch Israel zu ständigen Neueinschätzungen und Reaktionen zwingt. Verfügt die Hisbollah im Libanon doch über ein Waffenarsenal, das die Schlagkraft einiger Staaten der Region übersteigt. Immer deutlicher zeigt sich: „Diese libanesische Schiitenmiliz“, so Israels Tageszeitung Hayom, „mutiert zu einem Bataillon der iranischen Armee im Libanon.“ Bis zu 40.000 Mann kann die Hisbollah auf die Beine bringen. Ihren Treueid leisteten sie auf die schiitische Revolutionsführung im Iran.

Schon drei Mal seit Jänner bombardierte Israel Waffentransporte mit Raketen, die in Richtung Libanon an die Hisbollah unterwegs waren. Diese stammen nicht aus Beständen der syrischen Armee, sondern aus Depots, die die Hisbollah vor Jahren in Syrien angelegt hatte. Im Bürgerkrieg sind sie dort nicht mehr sicher.

„Wir wollen uns raushalten“, erklärte Israels Premier Benjamin Netanyahu, „werden aber nichts zulassen, was uns direkt bedroht.“ Ein Sieg Assads würde Israel einen berechenbaren Feind zurückbringen. Assads Niederlage würde unberechenbare Kräfte an Israels Grenze bringen. Und mit einer Vorherrschaft der Hisbollah im Zedernstaat will sich Israel keinesfalls abfinden.

Die Vertreter der Hisbollah sitzen in der libanesischen Regierung, was seit dem Libanon-Krieg 2006 mäßigend auf die Politik der Schiitenmiliz wirkte. Jetzt kommt es immer häufiger zum Konflikt zwischen schiitischen Interessen und denen des libanesischen Staates. Der Libanon mit seinen in Kantone zerspaltenen Ethnien war immer von Syrien politisch abhängig. Syrien wusste dabei die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Libanon nicht anzutasten und so für sich zu nutzen. Eine Vorherrschaft des Iran im Libanon würde das alte Gleichgewicht unwiederbringlich zerstören. Dann springen die Alarmsirenen auch in Beirut an.

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