Heikle Überprüfung von Merkels Euro-Krisen-Management

Verfassungsgericht und IWF könnten die Risken für die Steuerzahler transparent machen.

Kurz vor der deutschen Bundestagswahl im September könnten die von den Gegnern ausgemalten Risken der Staatsschulden-Krise den Nimbus von Kanzlerin Angela Merkel beschädigen: Ab Dienstag hört das Verfassungsgericht öffentlich Fachleute zur umstrittenen Politik der EZB an. Zugleich verlangt der Internationale Währungsfonds (IWF) einen zweiten Schuldenerlass für Griechenland. Der ginge vor allem zulasten Deutschlands – und Merkels: Ihr unaufgeregtes Krisenmanagement ist die Basis ihrer hohen Beliebtheit.

Am Verfassungsgericht in Karlsruhe sagen ab heute die wichtigsten Fachleute in dem Verfahren aus, das Gegner der Euro-Rettung durch die Europäische Zentralbank (EZB) angestrengt haben. Sie lehnen den vom italienischen EZB-Chef Mario Draghi im vergangenen Oktober angekündigten unlimitierten Ankauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Euro-Südländer ab: Er diene nur deren Defizit-Finanzierung mit der Euro-Notenpresse. Draghis Versprechen erhöhe die Lasten der deutschen Steuerzahler und drücke deren Sparzinsen, es verletze das Beistandsverbot in den Euro-Verträgen und die Verfassung.

Politisch und persönlich

So wird auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann vor dem Gericht argumentieren. Er hatte im EZB-Präsidium vergeblich protestiert: Den hohen Zinsen für die Süd-Länder läge weniger Spekulation der Märkte zugrunde, wie Draghi behaupte, als deren Verschwendung in der Vergangenheit und mangelnde Reformen für die Zukunft.

Weidmann, bis 2011 Merkels Chefwirtschaftsberater, widerspricht der zweite Hauptzeuge, der deutsche EZB-Direktor Jens Asmussen. Das SPD-Mitglied war Weidmanns Studienfreund und später die rechte Hand von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück. Zusammen managten sie in der Großen Koalition Merkels die Finanzkrise. Asmussen verteidigt Draghis Ankündigung: Sie habe die Märkte so beruhigt, dass die Käufe selbst gar nicht mehr nötig seien. Dies halte auch die Inflation nieder, was laut deutscher Verfassung die Hauptaufgabe der Notenbank sei, auch die der EZB.

Gespannte Märkte

Die Finanzmärkte werden die Fragen der sechs Richter genau analysieren, um einen möglichen Rückzug Deutschlands aus der Euro-Rettung frühestmöglich zu erkennen.

Den erwarten in Berlin nur wenige. Andreas Voßkuhle, SPD-naher Vorsitzender des Gerichts, hat zuletzt auf die von ihm abgewiesene Beschwerde gegen die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm ESM verwiesen. Auch wenn die heutige Anhörung die Kläger zu ermutigen scheint, billigte bisher das Gericht die Risken-Übernahme, solange das Parlament dieser zustimmt. Auch kommt das Urteil wohl erst nach der Wahl.

Heikler für Merkel ist der Vorstoß des IWF: Dessen französische Chefin Christine Lagarde verlangt einen zweiten Schuldenerlass für Griechenland, weil sonst die ganze Rettung gefährdet wäre. Der würde deutsche Gläubiger stark treffen, vor allem die staatseigene Förderbank KfW. Müsste die jetzt 30 Milliarden Euro abschreiben, könnten die Opposition und die neue „Alternative für Deutschland“ noch vor der Wahl jubeln: Merkel betreibe Krisenverschleppung statt -management. Deshalb fiel ihr Veto zu Lagarde ausgesprochen kräftig aus.

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