Heftige Kritik an US-Geheimdiensten

Heftige Kritik an US-Geheimdiensten
Hätte man die Brüder aufhalten können? Heimatschutzministerin unter Druck.

Milliarden Dollar von Steuerzahlern wurden seit 9/11 für Informationsaustausch ausgegeben. Aber unglücklicherweise scheint es, als ob das ausgegebene Geld nicht richtig verwendet wird.“ Die beiden republikanischen Abgeordneten Kelly Ayotte und John McCain (ehemaliger Präsidentschaftskandidat) zeigen sich – wie fast alle Republikaner im Kongress – empört. Sie verlangen in einem Brief eine Kongressanhörung zu den Boston-Attentätern. Sie wollen wissen, ob die US-Geheimdienste Tamerlan Zarnajew das Handwerk legen hätten können, bevor er mit seinem jüngeren Bruder Dschochar mit zwei Bomben beim Boston-Marathon am 15. April drei Menschen tötete und mehr als 200 verletzte.

Sowohl das FBI als auch die CIA hatten Tamerlan bereits vor 18 Monaten im Visier. Im März 2011 war das FBI vom russischen Geheimdienst über die möglichen extremistischen Tendenzen des jungen Tschetschenen informiert worden. Die Beamten haben Tamerlan interviewt, aber nichts „Auffälliges“ bemerkt. Dann habe das FBI die russischen Kollegen um zusätzliche Information gebeten, berichtete ein Exekutivbeamter dem Wall Street Journal. Die hatten aber nichts – nach drei Monaten war der Fall geschlossen.

Im September 2011 wurde die CIA informiert. Mit den gleichen Hinweisen wie Monate zuvor die Bruderorganisation. Auf Ansuchen der CIA wurde Tamerlan Zarnajews Name in eine Terror-Datenbank aufgenommen (TIDE – Terrorist Identities Datamart Environment). Doch dort fand sich Tamerlans Name unter einer halben Million anderer Namen, Decknamen und Pseudonymen wieder. Näher untersucht oder beobachtet werden diese Personen – nur knapp 5 Prozent davon sind US-Staatsbürger – nicht automatisch.

Auf zwei weiteren Beobachtungslisten stand sein Name, doch wegen Mangels an stichhaltigen Beweisen beobachtete man den 26-Jährigen nicht weiter. Als Tamerlan Zarnajew Anfang 2012 nach Russland flog, „klingelte“ es bei den Behörden, erklärte Heimatschutzministerin Janet Napolitano am Dienstag bei einer öffentlichen Anhörung im Kongress. Doch als er nach sechs Monaten zurückkehrte, sei der Hinweis schon erloschen gewesen.

Der Fall Tamerlan Zarnajew sei bereits der fünfte Fall, in dem ein Attentäter dem FBI trotz Überprüfung durchs Netz ging, sagte der republikanische Abgeordnete Peter King in einem TV-Interview. Auch der „Unterhosenbomber“ stand auf der TIDE-Datenbank, als er 2009 versuchte, sich mit Sprengstoff in seiner Unterhose in einem Flugzeug in die Luft zu sprengen.

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte sich inzwischen bereit, den US-Behörden beizustehen. Das sagte er in der ersten öffentlichen Stellungnahme zu den Anschlägen am Mittwoch im russischen Fernsehen.

„Farbe statt Blut“

Die Eltern der beiden mutmaßlichen Attentäter wollen in den Vereinigten Staaten bei den Ermittlungen helfen. Ansor Zarnajew soll sich bereits auf dem Weg in die USA befinden. Zubeidat, die Mutter, war laut Medienberichten noch nicht sicher, ob sie reisen werde. Die beiden, die getrennt voneinander im Kaukasus leben, sind von der Unschuld ihrer Söhne überzeugt. Zubeidat Zarnajewa soll bei einer Pressekonferenz am Donnerstag gesagt haben, dass „Farbe statt Blut“ für die Bilder benutzt worden sei. „Ich werde in die USA reisen, um meinen Sohn zu sehen und um den anderen zu beerdigen“, sagte der Vater. „Ich habe nicht vor, irgendetwas in die Luft zu jagen.“ Er sei nicht böse auf irgendjemanden, aber er wolle „die Wahrheit herausfinden“.

Keine Waffe im Boot

Die Ermittler in Boston versuchen inzwischen, die Puzzlestücke zusammenzufügen. Stunde für Stunde werden neue Details bekannt. Demnach sollen die Bomben mit einer Fernbedienung wie von einem Spielzeugauto ausgelöst worden sein. Die Herstellung jeder Bombe könnte weniger als 100 Dollar gekostet haben, sagte ein Terrorexperte dem Boston Globe. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Brüder keine finanziellen Hilfen von Terrororganisationen benötigt haben. Den Sprengstoff soll Tamerlan in einem Feuerwerks-Shop in New Hampshire – bereits im Februar – gekauft haben.

Unklar war noch, wie viele Waffen die mutmaßlichen Täter neben den Kochtopf-Bomben hatten. Bei dem Schusswechsel am Freitag, bei dem der ältere der beiden getötet wurde, sollen rund 250 Schuss abgegeben worden sein. Angeblich wurde bei den Brüdern bisher nur eine 9-Millimeter-Pistole sichergestellt. Berichten zufolge soll Dschochar bei seiner Festnahme auf einem Boot in einem Garten in Watertown keine Waffe bei sich gehabt haben.

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