Heftige Kämpfe um Sirte und Tripolis

Heftige Kämpfe um Sirte und Tripolis
Vom libyschen Diktator fehlt jede Spur, während in Tripolis immer mehr Grausamkeiten ans Licht kommen.

NATO-Kampfflugzeuge haben am Sonntag die Heimatstadt des untergetauchten libyschen Langzeit-Machthabers Muammar al-Gaddafi angegriffen. "Während der vergangenen 72 Stunden und auch heute haben wir Luftangriffe auf Sirte ausgeführt", hieß es. Begründet wurden die Luftschläge mit der Bedrohung von Zivilisten.

Die Aufständischen in Libyen stehen nach eigenen Angaben zum Angriff auf die Küstenstadt Sirte bereit. Die Rebellen warnten vor einem Ende ihrer Verhandlungsbereitschaft mit den Stammesführern der Stadt. "Es wird keine endlosen Verhandlungen geben", sagte ein Sprecher. "Wir beobachten genau, was in Sirte passiert, weil wir wissen, dass die Überreste des Regimes dort sind", so die NATO.

Explosionen in Tripolis

In der libyschen Hauptstadt Tripolis sind indes kurz nach dem Überflug einer NATO-Maschine mehrere schwere Explosionen zu hören gewesen. Wie ein Reporter berichtete, war zunächst nicht klar, woher die Explosionen stammten. Nach Angaben der Aufständischen ist Tripolis nahezu vollständig unter ihrer Kontrolle. Die von der NATO unterstützten Rebellen hatten am vergangenen Dienstag Gaddafis Wohn- und Militärkomplex in Tripolis eingenommen. Von Gaddafi fehlt seit Tagen jede Spur.

Die Aufständischen haben nach eigenen Angaben mehr als zehntausend Menschen freigelassen, die in den vergangenen Monaten noch unter der Herrschaft von Muammar al-Gaddafi inhaftiert worden waren. Von fast 50.000 weiteren Inhaftierten fehle jedoch jede Spur, sagte der Rebellenoberst Ahmed Omar Bani am Sonntag in Benghazi. "Das wirft eine schwerwiegende Frage auf: Wo sind die anderen Gefangenen?", so Bani. Er schloss nicht aus, dass sie getötet wurden, und verwies darauf, dass viele Bewohner der Hauptstadt derzeit Massengräber rund um die alten Haftanstalten entdeckten, etwa um das Gefängnis von Abu Slim. "Wir kennen die Namen derjenigen, die wissen, was mit den Gefangenen von Tripolis passiert ist. Sie werden von unseren Befreiungskräften gesucht", sagte Bani.

Am Wochenende kamen indes weitere Grausamkeiten der Schlacht um Tripolis ans Licht. In einem Stadtteil sahen Fotoreporter ein Lagerhaus mit mehreren verkohlten Leichen. Anrainer berichteten, die Gaddafi-Truppen hätten in dem Gebäude Zivilisten gefangen gehalten. Als sie das Gelände nicht mehr hätten halten können, hätten sie das Gebäude angezündet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erhob schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte Gaddafis. Es gebe Beweise für willkürliche Hinrichtung von Häftlingen, als die Rebellen in die Hauptstadt Tripolis einrückten, teilte die Organisation am Sonntag mit. Gaddafi-Getreue hätten außerdem selbst medizinisches Personal getötet.

Größte Ölraffinerie vor Wiederinbetriebnahme

Wirtschaftlich gibt es zumindest einen Lichtblick: Die größte Ölraffinerie in Libyen, Ras Lanuf an der Mittelmeer-Küste, dürfte trotz heftiger Gefechte unversehrt sein. Das Personal bereite die Wiederinbetriebnahme der Anlage vor, sagte Geschäftsführer Nagib Burweiss der Nachrichtenagentur Reuters. Die Raffinerie kann den Angaben zufolge 220.000 Barrel Rohöl täglich verarbeiten. "Seit Februar waren wir stillgelegt. Nun planen wir, die Anlage wieder zu starten. Wir sind für den Start bereit".

Libyen gehört zur Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC). Das Land ist der drittgrößte Ölproduzent Afrikas und hat die größten Reserven in Afrika. Vor dem Aufstand gegen das Gaddafi-Regime produzierte Libyen 1,6 Millionen Barrel Öl am Tag. Öleinnahmen sind für den Übergangsrat der Rebellen von entscheidender Bedeutung, um Ruhe im Land herzustellen.

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