Hartes Duell um den EU-Chefposten

Jean-Claude Juncker und Martin Schulz stritten über Asylregeln und Steuerdumping.

Sie blieben sich nichts schuldig, am deutlichsten wurden die inhaltlichen Differenzen der beiden Spitzenkandidaten Martin Schulz und Jean-Claude Juncker bei der Steuerfrage. Schulz will einheitliche Mindeststeuersätze und keinen ruinösen Steuerwettbewerb unter den Mitgliedsländern. „In dem Land, wo die Gewinne erzielt werden, sollen auch Steuern gezahlt werden.“ Das wolle er sofort regeln, wenn er Kommissionspräsident werden sollte. Juncker war viel zurückhaltender. Er will zwar die Unternehmensbesteuerung harmonisieren, weil er „gegen Steuerdumping“ ist, aber „ich bin nicht gegen Steuerwettbewerb“, erwiderte er Schulz.

Der Applaus des Publikums im Berliner ZDF-Studio in dieser Frage-Runde ging an Martin Schulz, der für Europas Sozialdemokraten bei der EU-Wahl antritt.

Rasch kam die Debatte dann auf den Konfliktherd Ukraine. Beide sehen derzeit keine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine. „In den nächsten fünf Jahren wird kein Land der EU beitreten“, sagte Juncker. Das sah auch Schulz so. Uneinig waren sie sich bei der Türkei. „Ein Land, das Twitter verbietet, ist nicht beitrittsreif.“ Ob Juncker für den Beitritt der Türkei ist, wollte er aber nicht sagen.

Historische Debatte

Erstmals in der Geschichte der EU strahlte Mittwochabend der deutsche Sender ZDF gemeinsam mit dem ORF eine Fernsehdebatte der europäischen Spitzenkandidaten für das mächtigste Amt der EU aus. Der Ausgang des TV-Duells beeinflusst möglicherweise die Entscheidung, wer der nächste Kommissionspräsident wird, quasi der EU-Regierungschef.

Es war offensichtlich, dass Juncker auf seine langjährige staatsmännische Erfahrung setzte. Kompetenz und Solidarität waren seine Botschaft. Er wirkte ruhig, stichelte subtil gegen Schulz und fand die Diskussion als Meinungsaustausch über die besseren Argumente und Ideen für Europa. „Es ist keine Massenschlägerei, ich sehe das nicht als Duell“, spielte Juncker die Dramatik herunter.

Keine Sozialschmarotzer

Hitzig wurde es bei der Frage über Zuwanderung und sozialen Missbrauch. „Menschen, die zum Arbeiten kommen, sind keine Sozialschmarotzer“, sagte Juncker. Die Freizügigkeit und die Abschaffung der Grenzen ist eine der größten Errungenschaften der EU, betonte der EVP-Mann. Er plädierte für eine gemeinsame legale Einwanderung und kritisierte EU-Staaten, wie auch Österreich, die Entwicklungshilfe kürzen und viel zu wenig für ärmere Länder tun, um den Menschen dort eine Perspektive zu geben.

Schulz punktete als Angreifer: Zuwanderung ist ein „Mini-Problem, das Rechtspopulisten aufbauschen“. Für ihn ist „die hohe Arbeitslosigkeit in Europa das wirkliche Problem und nicht Migration“.

Im Fokus stand auch die Arbeitslosigkeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit: Aktuell sind 5,5 Millionen Europäer unter 25 Jahren ohne Job (23,4 Prozent), insgesamt ist das Heer der Arbeitslosen in der EU auf 26,2 Millionen (rund 12 Prozent) angewachsen. Schulz erklärte, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit würde er zur Priorität machen. Junckers Priorität liegt bei „Wachstum und stabilen Staatsfinanzen“.

OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer fand Juncker in der ersten Halbzeit „überzeugender und gewinnender“. Diesen Eindruck änderte er in der zweiten Hälfte. „Schulz kam in Fahrt als es gegen Finanzspekulanten ging. Schulz hat vermittelt, er will etwas, er will Kommissionspräsident werden.“ Als Parlamentarier sei Schulz „Disput gewohnt“. Juncker habe „genervt“ gewirkt, sagt Bachmayer.

Bereits im Vorfeld der Debatte befürchtete er, dass die Sendung bei Jungen kaum ankommen werde. „In den Social Media wird der Wahlkampf kaum wahrgenommen. Bei den Jungen spielt Europa leider keine besondere Rolle, im Gegensatz zu Spielen der Champions League.“

Hier geht es zur Nachlese der Debatte - und hier zu unserem großen Special zur EU-Wahl.

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