"The Riot Club": Spaßvögel aus dem Elfenbeinturm
Ich kann arme Leute auf den Tod nicht ausstehen", verkündet ein Hauptdarsteller in einem der britischen Kino-Hits dieses Herbsts, ehe er und seine wohlbetuchten Freunde nach einem Abend kulinarischer Exzesse und sexueller Ausritte ein Landgasthaus verwüsten und dessen Wirt halb tot schlagen.
Für Großbritanniens Konservative, deren letzte Parteikonferenz vor den nächsten Unterhauswahlen gerade in Birmingham über die Bühne ging, bedeutet diese nachhallende Zeile ein ausgemachtes PR-Desaster. Schließlich ist jener Film "The Riot Club" ein kaum verfremdetes Porträt des für Umtriebe solcher Art berüchtigten Bullingdon Clubs, bis hin zu den Details seiner Uniform: dunkelblauer Frack mit elfenbeinfarbenem Seidenrevers und Monogramm-Messingknöpfen.
Dem ultra-elitären, rein männlichen Studentenbund an der Oxford University gehörten Ende der Achtziger nicht nur Premier David Cameron, sondern auch der Londoner Bürgermeister Boris Johnson und Schatzkanzler George Osborne an. Ein Gruppenbild in voller Montur kursiert online, auch wenn es – offiziell auf Verlangen des Fotografen – nicht mehr gedruckt werden darf.
Als Cameron und Osborne nun vergangene Woche auf dem konservativen Parteitag ihr Programm des Einfrierens aller Sozialhilfen für Menschen im arbeitsfähigen Alter bei gleichzeitiger Aussicht auf künftige Steuersenkungen für Besserverdienende präsentierten, kam einem zwangsläufig das in "The Riot Club" verewigte Bild der rabiaten Aristokraten-Gang vor Augen.
Verwandter der Queen
Elitärer Labour-Chef
Labour kann diesen wunden Punkt kaum ausnützen. Ihr Chef, Ed Miliband, der sich so wie Cameron in Oxford sein Politikerdiplom in PPE (Politics, Philosophy and Economics) abholte, entstammt nämlich dem der Aristokratie in puncto Abgehobenheit ebenbürtigen linksintellektuellen Bildungsbürgertum. Miliband gilt weithin als "nicht normal". Die Boulevardpresse konnte vom Spott über sein Scheitern am tropffreien Verzehr eines Bratspeck-Sandwiches in einer Londoner Imbiss-Stube nicht genug kriegen. Wobei da auch ein Deut unausgesprochener Antisemitismus mitschwingen mag.
In das zwischen Cameron und Miliband entstandene Vakuum an Volksverbundenheit dringt die rechtspopulistische UK Independence Party (UKIP) ein. Beiden Großparteien entgleiten ihre kleinbürgerlichen und proletarischen Kernwählerschichten in Richtung der als Europagegner großgewordenen Partei.
Den Tories liefen zuletzt die eigenen Politiker in dieselbe Richtung davon. Erst letzte Woche trat mit Mark Reckless bereits ein zweiter konservativer Unterhausabgeordneter zu UKIP über. In einem Pub in seinem Wahlkreis Rochester am ärmeren Ende der Grafschaft Kent zeigte der Abgeordnete sich in durstiger Einigkeit mit Biervernichter und UKIP-Chef Nigel Farage.
Reckless, der im Jahr 2010 wegen Alkoholisierung eine Budget-Abstimmung versäumte, beschränkte sich diesmal auf Orangensaft.
Worüber bei dem kumpelhaften Pressetermin niemand sprach: Ganz wie Cameron, Miliband & Co. durchlief auch Reckless Ende der Achtziger die Politikerschmiede in Oxford. Wie fasst es doch einer der Oberschicht-Fädenzieher in "The Riot Club" zusammen: Die Elite verliert nie. "Wir passen uns an."
(Robert Rotifer, London)
Kommentare