SPDler gegen GroKo: Mehr als ein "Zwergenaufstand"?

Martin Schulz muss die Skeptiker beim Sonderparteitag überzeugen.
Was wäre die SPD ohne Drama? In der Krise üben sich die Sozialdemokraten in Selbstzerfleischung, um sich dann wieder zusammenzuraufen. Ob sie es auch diesmal schaffen?

Das Bild nach außen wirkt wenig vielversprechend: Kaum sind die Sondierungen für eine Große Koalition beendet, geht das Gezeter weiter. Während die SPD-Führung die ausgehandelten Inhalte verteidigt und Fraktionschefin Andrea Nahles gegen GroKo-Gegner wettert ("Da werde ich dagegenhalten"), murren Skeptiker, dass Trophäen fehlen, also Projekte, die legitimieren, warum die SPD mitregieren will. "Das Sondierungsergebnis kann nur die Basis sein für Koalitionsverhandlungen. Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – das ist es mitnichten", sagt etwa SPD-Vize Ralf Stegner.

Kein Nachholbedarf

Nachholbedarf? Dem erteilten Unions-Politiker schnell eine Absage. "Was jetzt als Konsens auch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, an dem gibt es nichts mehr zu rütteln", sagte Fraktionschef Volker Kauder. Alexander Dobrindt von der CSU schimpfte den SPD-Zwist gar als "Zwergenaufstand", den Parteichef Martin Schulz schnell in den Griff bekommen muss. Keine einfach Sache. Der Widerstand zieht sich quer durch die Bundesländer. Den Anfang machte die Landesgruppe Sachsen-Anhalt, die sich gegen eine Neuauflage der GroKo aussprach. Allerdings stellt sie nur 7 der 600 Delegierten, die am Sonntag in Bonn über Koalitionsverhandlungen abstimmen. Auch der Landesvorstand Berlin stimmte mit 21 zu 8 Stimmen gegen die GroKo, sie schicken 23 Delegierte zum Bundesparteitag. Entscheidender sind jene aus den größten Landesverbänden Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen – die NRWler stellen ein Viertel der Delegierten und gelten als große Zweifler. Martin Schulz brach daher Montagabend nach Dortmund auf, um die dortigen Genossen zu umwerben. Keine einfache Sache. Das Papier trage "zu wenig sozialdemokratische Handschrift", kritisierte eine Delegierte vor dem Treffen mit Schulz.

Wer sich definitiv nicht mehr überzeugen lässt: der Parteinachwuchs. Die Jungsozialisten (Jusos) bleiben bei ihrem Nein, erklärte deren Vorsitzender Kevin Kühnert. Was ihn am meisten wurmt: Schulz’ Zauberwort "ergebnisoffen". Alternativen wie eine Minderheitsregierung standen gar nicht zur Diskussion, kritisiert er. Beim Parteitag will er dies zur Debatte stellen.

Schulz’ Zukunft

Dort entscheiden die Delegierten wohl auch über die Zukunft des Parteivorsitzenden. Sollte es ihm nicht gelingen, sie zu überzeugen, wären seine Tage gezählt. Falls er es doch schafft, ist nicht sicher, ob er Vizekanzler wird. Gerüchte machen die Runde, wonach Schulz als Außenminister gesichtswahrend im Kabinett Merkel Platz finden könnte. Sigmar Gabriel, der das Amt derzeit inne hat, gilt als Kandidat fürs Finanzministerium, das die SPD in ihr Lager holen will. Gabriel, der ankündigte, nur noch als "Wasserträger" dienen zu wollen und intern umstritten ist, würde vielleicht ein Comeback als Vizekanzler machen.

Selbst wenn manche Genossen bei diesen Aussichten erschaudern, die Alternativen sehen ebenso düster aus: Eine Absage zur Großen Koalition düpiere die Parteispitze und stürze die SPD ins Chaos. Zudem wird ihr die Union den Schwarzen Peter zuschieben. Dass sie dies bei Neuwahlen nützt, um sich als standhaft zu verkaufen, ist zu bezweifeln. Immerhin ist es ihr in der aktuellen Krise nicht gelungen, eine überzeugende Erzählweise zu finden, die alle mittragen.

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