GroKo oder NoKo? Die Auszählung beginnt

Kann Angela Merkel bald aufatmen?
Hundertausende haben ihre Stimmen abgegeben, die Befragung ist abgeschlossen. Nun beginnt die Auszählung.

Die Auszählung des SPD-Mitgliederentscheids kann beginnen: Am Samstagnachmittag um kurz vor 17.00 Uhr traf der Post-Lastwagen mit den Abstimmungsbriefen am Willy-Brandt-Haus in Berlin ein. Nach dem Öffnen mit Hilfe von zwei Hochleistungsschlitzmaschinen, die 20.000 Briefe pro Stunde öffnen können, sollte am Abend die Auszählung durch rund 120 Parteimitglieder beginnen.

Das Ergebnis des Entscheids, von dem abhängt, ob Deutschland über fünf Monate nach der Bundestagswahl, eine neue Regierung bekommt, soll am Sonntagmorgen gegen 09.00 Uhr in der SPD-Zentrale verkündet werden. Damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, müssen die Helfer ihre Telefone abgeben, die Glasfront des Willy-Brandt-Hauses war zudem mit Sichtschutzfolie abgeklebt worden.

Stimmberechtigt waren 463.723 SPD-Mitglieder. 2013 hatte es bei dem ersten Koalitionsvotum der Mitglieder eine Zustimmung von rund 75 Prozent zur großen Koalition gegeben, dieses Mal ist das Rennen völlig offen. Da die SPD bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgestürzt war, sehen viele Mitglieder die SPD eher in der Opposition. Zudem werden die Bündnisse mit Kanzlerin Angela Merkel als Grund für den Verlust von Profil verantwortlich gemacht, viele Bürger wüssten nicht mehr, wofür die älteste Partei Deutschlands noch stehe.

Zuversicht bei Nahles

"Wir wissen schon jetzt, dass es eine sehr, sehr hohe Beteiligung gegeben haben wird", sagte der kommissarische Parteichef Olaf Scholz am Samstag kurz vor einer Vorstandsklausur in Berlin. Fraktionschefin Andrea Nahles und andere führende Sozialdemokraten äußerten sich zuversichtlich, dass die Basis mehrheitlich dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat. Auch mehrere CDU-Spitzenpolitiker äußerten die Hoffnung, dass über fünf Monate nach der Bundestagswahl nun eine Regierung gebildet werden kann.

Sollten die über 463.000 SPD-Mitglieder mit Mehrheit Ja zum Koalitionsvertrag mit CDU und CSU gesagt haben, wäre der Weg frei für eine Neuauflage der Großen Koalition von SPD, CDU und CSU unter der Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Vereidigt werden könnte das neue Kabinett Mitte März.

Nein "wäre Desaster"

Nahles sagte, sie sei ein wenig gespannt, wie das Votum ausgefallen sei. "Es wird doch hoffentlich kein negatives Ergebnis geben, und darüber spekuliere ich auch gar nicht." Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann (SPD) warnte vor einem Nein der Basis. "Das wäre für Deutschland, die SPD und vor allem für Europa ein Desaster. Ich denke aber nicht, dass es dazu kommt", sagte er der Zeitung "Die Welt". Die geschäftsführende Familienministerin Katarina Barley sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Ich bin zuversichtlich, dass eine Mehrheit unserer Mitglieder Ja zu diesem Koalitionsvertrag sagt."

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder zeigte sich zuversichtlich. "Ich bin überzeugt, dass diese Koalition vier Jahre hält", sagte der CDU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Votierten die SPD-Mitglieder aber mit Nein und komme es zu einer Minderheitsregierung, würde das teuer. "Das würde den Steuerzahler sehr viel kosten", denn dann werde es zu Dauerverhandlungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien kommen bei der Suche nach Mehrheiten zu den einzelnen Themen, wobei man dann den anderen "immer etwas zugestehen" müsste.

Was passiert bei Nein?

Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) sagte dem Tagesspiegel, selbst ein Nein der SPD "wirft die CDU nicht um". Auch für diesen Fall sollte es mit einer Kanzlerkandidatin Angela Merkel weitergehen. CSU-Vize Manfred Weber erklärte via Twitter: "Bei einem Scheitern der GroKo wären baldige Neuwahlen der einzig vernünftige und realistische Weg". FDP-Chef Christian Lindner erwartet nicht, dass die SPD-Mitglieder bei den aktuellen Umfragewerten Neuwahlen riskieren. "Ich gehe davon aus, dass es eine Mehrheit in der SPD geben wird. Die Alternative wären Neuwahlen, und davor hat die SPD Angst", sagte er der Passauer Neuen Presse.

Unabhängig vom Ausgang des Votums will die SPD mit ihrem Führungstreffen nach den Worten von Nahles das Signal geben, dass die Debatte über die Erneuerung der Partei nun beginne. Die SPD müsse Raum schaffe für Zukunftsdebatten. Die Partei müsse sich auf "Herz und Nieren" prüfen und fragen, ob ihre politische Antworten noch für die Zukunft ausreichten, sagte die designierte Parteivorsitzende.

Scholz argumentierte, allein schon die intensive Debatte über den Koalitionsvertrag habe dazu beigetragen, dass die SPD geschlossener werde. "Das führt zusammen". Das spüre man auch schon. Die Partei habe seit Anfang letzten Jahres rund 50.000 neue Mitglieder hinzugewonnen. "Deshalb ist die SPD unverändert eine sehr kräftige Volkspartei", sagte Scholz. Nun müsse die Basis dafür gelegt werden, dass sich das auch bei künftigen Wahlen in Stimmen umschlage.

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