Varoufakis: "Kein Business as usual mehr"

Griechenland: Charmeoffensive von Premier Tsipras in Brüssel, klare Worte von Varoufakis in Frankfurt.

Küsschen rechts und links, Synchron-Strahlen für die Kameras, dann der Abgang Hand in Hand – herzlicher hätte der Empfang beim ersten Treffen von Griechenlands Premier Alexis Tsipras bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht ausfallen können. Tsipras, der derzeit – parallel zu seinem Finanzminister Yanis Varoufakis – auf großer Tour durch Europas Hauptstädte weilt, um für eine Erleichterung der griechischen Schuldenlast zu werben, traf am Mittwoch die Spitzen der EU-Institutionen zu Vier-Augen-Gesprächen. Nach Juncker traf Tsipras EU-Ratspräsident Donald Tusk (Handschlag, keine Küsschen) und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (Küsschen, aber kein Händehalten beim Abgang).

Tsipras signalisierte in Brüssel Kompromissbereitschaft: „Wir sind zu Beratungen bereit.“ Schulz sprach von einem „sehr freundlichen und fruchtbaren Austausch der Positionen“. Ein Wechsel im Tonfall, nachdem Schulz noch vergangenen Donnerstag bei einem Treffen in Athen davon gesprochen hatte, man habe ein „offenes Gespräch“ geführt – mit dem Nachsatz, dies sei der diplomatische Ausdruck für einen Streit.

Zur selben Zeit warb Finanzminister Varoufakis in Frankfurt bei EZB-Chef Mario Draghi um Unterstützung. „Ich habe dargelegt, dass unsere Regierung unumstößlich davon überzeugt ist, dass es kein ,Business as usual‘ mehr in Griechenland geben kann“, sagte Varoufakis. „Das gilt auch für das EU-Programm, das die Krise in unserem Land befeuert hat.“ Mittwochabend gab die EZB bekannt, eine Sondergenehmigung aufzuheben und keine griechischen Staatsanleihen als Sicherheiten mehr zu akzeptieren (mehr dazu siehe Hintergrund).

Verlängerung

Als erste Hürde bei den Verhandlungen gilt die Abwicklung des laufenden Hilfsprogrammes. Planmäßig endet es mit Ende Februar – doch eine Verlängerung erscheint sinnvoll: Es sind noch Zahlungen offen, weil wegen der Neuwahl die Kontrolle der Reformfortschritte abgebrochen wurde; zudem sehen viele Griechenlands kurzfristige Finanzierung durch die EZB in Gefahr, sobald es kein gültiges Rettungsprogramm mehr gibt. Während Berlin darauf pocht, weiter die Beamten der Troika aus EZB, Kommission und IWF einzusetzen, sieht man das in Brüssel lockerer: In Junckers Umfeld heißt es, es sei „undenkbar“, die bei den Griechen verhasste Troika noch einmal nach Athen zu schicken. Für den Abschluss des laufenden und ein mögliches neues Hilfsprogramm könnte ein neues Gremium gefunden werden – z. B. mit Einbindung des EU-Parlaments, ein Wunsch, den Tsipras in der Vergangenheit selbst geäußert hat. Oder man könnte den Griechen einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, auf eigene Kontrollen vor Ort verzichten – und sich mit Berichten des griechischen Finanzministeriums zufrieden geben.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Mittwoch eine Sondergenehmigung für den Einsatz griechischer Staatsanleihen aufgehoben. Die Bonds könnten künftig nicht mehr als Sicherheiten für Bankkredite akzeptiert werden, teilte die EZB am Mittwochabend mit. Bisher habe Griechenland die Schuldtitel entsprechend einsetzen können, obwohl sie nicht die üblichen Mindestanforderungen an Ratings erfüllen.

Diese Sonderregelung ist an das laufende EU-Hilfsprogramm geknüpft. Derzeit sei es jedoch "nicht möglich, von einer erfolgreichen Fortsetzung des Programms auszugehen", begründete die EZB am Mittwochabend ihre Entscheidung. Auch nachdem die Sonderregelung aufgehoben ist, können sich griechische Banken aber weiterhin über das Notfallprogramm ELA (Emergency Liquidity Assistance) refinanzieren.

Die Erfüllung der Reformauflagen ist Bedingung für die Auszahlung weiterer Hilfen an Griechenland. Das Land hängt seit Jahren am Tropf internationaler Geldgeber. Die neue Regierung in Athen strebt einen Kurswechsel an und wirbt für ein neues Umschuldungsmodell. Wenige Stunden vor der EZB-Mitteilung hatte sich der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit EZB-Präsident Mario Draghi getroffen.

Athen kalmiert

Athen hat daraufhin versichert, dass die Banken des Landes nicht gefährdet seien. Die Geldhäuser seien in vollem Umfang durch den Zugang zu den ELA-Notfall-Liquiditätshilfen geschützt, erklärte das Finanzministerium in Athen in der Nacht auf Donnerstag. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) erhöhe aber den Druck auf die Eurogruppe eine Lösung zu finden, die im "gegenseitigen Interesse" Griechenlands und der Euro-Zone sei, erklärte das Ministerium weiter.

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