Eurozone gibt Griechenland grünes Licht

Athen kann wieder aufatmen
Athen hatte zuvor Reformliste eingereicht - die Euro-Finanzminister goutierten die Vorschläge.

Wieder ein vorläufiges Aufatmen in Griechenland: Die Finanzminister der Eurozone segneten heute Nachmittag die Reformliste der Regierung von Alexis Tsipras in einer Telefonkonferenz ab und gaben so grünes Licht für eine Verlängerung des Hilfsprogramms um vier Monate. Damit kann es nun bis Ende Juni weitergehen.

Die Eurozone erklärte in einem Statement, die Institutionen hätten den griechischen Vorschlägen zugestimmt und sie als Startschuss akzeptiert. Allerdings würde Athen aufgefordert, weitere und umfangreichere Listen von Reformmaßnahmen auszuarbeiten, in enger Abstimmung mit den Institutionen. Seitens des IWF gab es zwar Vorbehalte, doch stimmte auch der Internationale Währungsfonds zu. IWF-Chefin Christine Lagarde bemängelte etwa, es gebe keine klare Verpflichtung in der Frage von Pensionen und Mehrwertsteuern; auch betreffend Privatisierungen gebe es noch zu wenig Klarheit.

Durch die Parlamente

Nun sind in einigen Ländern noch Parlamentsabstimmungen vorgesehen. In Deutschland würde der Bundestag sich mit dem Thema beschäftigen müssen - möglicherweise am Freitag. Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich "erfreut". "Das Ergebnis von heute Nachmittag zeigt, dass der Wille aufeinander zuzugehen stärker war als so manche in der Öffentlichkeit verlautbarten Kommentare davor", so Faymann. Ein erster wichtiger Schritt sei gelungen.

Zuvor hatte Athen in letzter Minute das mit Spannung erwartete Papier in Brüssel eingereicht. Positive Signale hatte es bereits am Vormittag gegeben; auch die EU-Kommission sah die Liste prinzipiell als adäquat an. Wie aus dem siebenseitigen Schreiben hervorgeht, will die Regierung in Athen resolut gegen Steuervermeidung vorgehen. Zudem sagt sie der Korruption den Kampf an. Es folgen die wichtigsten Punkte der Liste, die eine Verlängerung der laufenden Hilfskredite für das klamme Ägäis-Land ermöglichen soll.

STEUERPOLITIK

Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras will eine Mehrwertsteuer-Reform anpacken. Außerdem sollen Steuern effizienter eingezogen werden. Zudem soll es Griechen erschwert werden, sich um Zahlungen an den Fiskus durch Vermeidungsstrategien zu drücken. Ein zentraler Punkt in dieser Strategie ist es, den Begriff Steuerbetrug juristisch weiter zu fassen. Ziel soll es insgesamt sein, eine "neue Kultur der Einhaltung der Steuervorschriften" zu schaffen.

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG UND JUSTIZ

"Griechenland will eine moderne öffentliche Verwaltung", heißt es in den Reformvorschlägen. Dabei wird der Kampf gegen die Korruption in den Rang einer "nationalen Priorität" erhoben und ein Aktionsplan angekündigt: Dabei soll auch verstärkt gegen Schmuggler vorgegangen und der Kampf gegen Geldwäsche forciert werden.

Konkrete Vorschläge gibt es zum Abbau der Bürokratie: Die Anzahl der Ministerien soll von 16 auf zehn verringert werden. Zugleich will die Regierung die Anzahl der "Sonderberater" im Staatsapparat reduzieren. Schließlich sollen die Privilegien von Ministern, Abgeordneten und Spitzenbeamten beschnitten werden. Konkret genannt werden Dienstlimousinen, Reisekosten und Zulagen.

Auch die Tarifstruktur im öffentlichen Sektor soll reformiert werden. Die Regierung verspricht jedoch, die bestehenden Lohnuntergrenzen nicht auszuhebeln. Zudem soll das Justizsystem modernisiert werden. Konkret genannt wird eine neue Zivilprozessordnung und die Digitalisierung von Gesetzbüchern. Auch das Katasterwesen soll reformiert werden.

FINANZSTABILITÄT

Die Kassenlage soll durch mehr Einnahmen rasch verbessert werden. Griechenland verpflichtet sich dazu, in Absprache mit der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds rasch Gesetze auf den Weg zu bringen, die Rückzahlungen bei Steuerschulden und ausstehenden Sozialversicherungsbeiträgen ermöglichen sollen. Der Begriff der "Troika" für die drei Überwachungsinstanzen der Reformpolitik wird dabei vermieden. Stattdessen ist von "den Institutionen" die Rede.

Das Insolvenzrecht soll modernisiert und aufgeschobene Fälle abgearbeitet werden. Griechenland bekennt sich zur Reform des Rentensystems, Anreize zur Frühverrentung sollen gestrichen werden.

Zugleich will die Regierung gegen die soziale Not im Land verstärkt vorgehen und dabei unter anderem Essensmarken ausgeben. Bei der Linderung der "humanitären Krise" in Griechenland will die Regierung sicherstellen, dass diese Kosten nicht "negativ" auf den Haushalt durchschlagen.

PRIVATISIERUNGEN

Die Regierung versichert, dass abgeschlossene Privatisierungen nicht zurückgedreht werden sollen. Bei laufenden Bieterverfahren soll die Gesetzeslage beachtet werden. Privatisierungsvorhaben sollen allerdings nochmals auf den Prüfstand: Dabei soll "der langfristige Nutzen" für den Staat im Vordergrund stehen.

Solidarität – dieses Schlagwort begleitet das griechische Schuldendrama oftmals: Athen sei zur Einhaltung der Vorgaben aus Brüssel verpflichtet, weil die Griechen ja von der Solidarität der anderen EU-Staaten profitiert hätten, heißt es da. In dieselbe Kerbe schlägt nun auch der griechische Zivilschutzminister Yiannis Panousis - allerdings mit einer anderen Stoßrichtung: Er hat damit gedroht, ungeachtet der EU-Gesetze Hunderttausenden Immigranten die Ausreise aus Griechenland zu gestatten.

"Wenn die Europäer nicht verstehen, was wir ihnen sagen, dann geben wir eben 300.000 Immigranten Papiere, damit sie sich über Europa verteilen", sagte Panousis nach Angaben im Sender Skai TV. Sollten die anderen EU-Staaten nicht bereit sein, die Lasten der Flüchtlingsströme mit Athen zu teilen, werde man einfach handeln.

2,5 Millionen Immigranten

Es werde zwei Jahre dauern, das Dublin-Abkommen zu ändern, meinte der Minister. Das Abkommen legt fest, dass Asylsuchende im ersten EU-Land, in das sie einreisen, ihren Antrag stellen müssen. Griechenland ist davon besonders stark betroffen. Panousis schätzt, dass bis dahin 2,5 Millionen Immigranten nach Griechenland einreisen werden, "was sozial untragbar wäre". Bereits vorige Woche hatte Panousis angekündigt, dass Migranten nicht länger als 18 Monate in Aufnahmelagern untergebracht würden. Diese würden nach und nach geschlossen.

Europarat besorgt über Gewalt

Der Europarat ist besorgt über Ausländerfeindlichkeit und Gewalt gegen Migranten in Griechenland. Das Ausmaß der Hassparolen, der Gewalt gegen Asylsuchende und der Diskriminierung von Roma-Kindern sei beunruhigend, sagte der Vorsitzende der Europaratskommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), Christian Ahlund, am Dienstag in Straßburg

Anlass ist der fünfte ECRI-Bericht über die Lage in Griechenland, der am Dienstag vorgestellt wurde. Öffentliche Reden und politische Stellungnahmen seien durchsetzt von Hassparolen gegen Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende, die häufig Ziel rassistischer Gewalt würden, heißt es in dem Bericht. ECRI forderte Griechenland auf, eine Aufklärungskampagne für Toleranz und gegen Rassismus einzuleiten.

Die griechische Regierung wies die Vorwürfe zurück. Die gesamte politische Führung des Landes und fast alle politischen Parteien verurteilten Gewalt gegen Migranten und Flüchtlinge, hieß es.

Ahlund bescheinigte Griechenland aber auch Fortschritte. Er verwies dabei auf eine neue Polizeieinheit und einen besonderen Staatsanwalt zur Verfolgung speziell rassistischer Gewaltakte. Positiv sei auch ein neues Gesetz gegen Rassismus von 2014.

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