Israel greift Ziele in Syrien an

Rauch über dem Golan
Schlag als Vergeltung für den Tod eines Jugendlichen. Die EU verhängt neue Sanktionen gegen Syrien.

Schüsse aus dem Nachbarland, ein 14-jähriger israelischer Junge stirbt. Sein Vater und ein weiterer Mann werden bei dem Beschuss ihres Fahrzeugs verletzt. Wenige Stunden später greift die israelische Luftwaffe Stellungen der syrischen Armee auf den Golanhöhen an. Die Luftwaffe habe neun Stellungen der syrischen Armee attackiert, erklärte die israelische Armee in der Nacht zum Montag. Es handle sich um eine "Antwort" auf einen "von Syrien ausgehenden Angriff", bei dem am Sonntag ein junger Israeli getötet und zwei weitere verletzt worden waren. Zu den beschossenen Zielen gehörten laut Armee Militär-Hauptquartiere sowie Abschussrampen. Die israelische Armee werde keinerlei Versuch tolerieren, "die Souveränität Israels zu verletzen", erklärte ein Militärsprecher. Der Angriff vom Sonntag sei eine "gezielte Aggression gegen Israel" gewesen. Es war das erste Mal, dass ein Israeli durch syrischen Beschuss getötet wurde. Die Männer hatten nach Angaben aus Militärkreisen im Auftrag des israelischen Verteidigungsministeriums am Bau einer Sperranlage auf den Golanhöhen gearbeitet. Der israelische Armeesprecher Peter Lerner sprach vom schwersten Vorfall" an der Grenze seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor drei Jahren. Israelische Panzer hatten zur Vergeltung in einer ersten Reaktion bereits am Sonntag syrische Armeestellungen jenseits der Grenze beschossen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verurteilte den Angriff. Die "Feinde Israels" schreckten selbst vor Attacken auf Zivilisten und der Ermordung von Kindern nicht zurück, sagte er nach Angaben seines Büros bei einem Telefongespräch mit dem Vater des getöteten Jugendlichen. Auf den Golanhöhen, die Israel seit dem Sechstagekrieg 1967 teilweise besetzt hält, ist die Lage seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor mehr als drei Jahren angespannt.

Neue Sanktionen

Angesichts der Situation hat die EU am Montag neue Strafmaßnahmen gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad beschlossen. Die Außenminister verhängten bei ihrem Treffen in Luxemburg am Montag Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen zwölf Minister der syrischen Regierung, wie die EU mitteilte. Die EU hat in den vergangenen Jahren mehrfach die Strafmaßnahmen gegen Syrien verschärft. Nun stehen 191 Syrer und 53 syrische Organisationen, darunter auch die Zentralbank, unter Sanktionen.

Anfang Juni war es ein Jahr her, dass Österreich einen abrupten Schlussstrich unter einen seiner meistbeachteten Beiträge zur internationalen Friedenssicherung setzte: Nach fast 40 Jahren Einsatz auf den Golanhöhen verkündete die Regierungsspitze am 6. Juni 2013, die heimischen Blauhelme von der UNO-Mission zwischen Syrien und Israel abzuziehen.

Israel greift Ziele in Syrien an
Übersichtskarte Golan, Chronologie, Truppekontingente Grafik 0931-13-UNO.ai, Format 88 x 80 mm
Dem Beschluss, den Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger verkündeten, waren in den Wochen zuvor im Zuge des syrischen Bürgerkriegs immer häufigere Verletzungen der Waffenstillstandszone vorangegangen, die nur leicht bewaffneten Blauhelme waren kaum mehr aus ihren Schutzräumen gekommen. Die Ereignisse hätten gezeigt, „dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr vertretbar ist“, erklärten Kanzler und Vizekanzler unisono.
Das „AusBatt“, das Austrian Battalion, war als einzige Einheit seit 1974 ununterbrochen auf dem Golan im Einsatz und stellte das größte Truppenkontingent, zuletzt 378 Soldaten. Insgesamt waren im Lauf der Jahrzehnte mehr als 26.000 österreichische Soldaten im Golan-Einsatz.
Mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien 2011 hatte sich die Lage auf den zuvor als eher ruhig geltenden Golanhöhen allerdings drastisch geändert. Immer öfter schlugen Granaten in der eigentlich entmilitarisierten Zone ein, bald kam es dort auch wiederholt zu direkten Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen, die zu unterbinden die UNO-Soldaten weder Auftrag noch Mittel hatten. Nach kurzfristigen Geiselnahmen von Blauhelmen durch syrische Aufständische zogen Japan und Kroatien ihre Soldaten ab.
In den Morgenstunden des 6. Juni wurde schließlich ein kritischer Punkt erreicht: Erstmals kam es direkt an einem Grenzkontrollposten an der Waffenstillstandslinie zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen, der Posten wurde kurzfristig von den Aufständischen eingenommen und einige Stunden später wieder von der syrischen Armee erobert. Dieses „Bravo-Gate“ bildete allerdings das Eingangstor in das Einsatzgebiet der Blauhelme, durch das sämtliche Güter- und Truppentransporte erfolgten.
Die Bewegungsfreiheit der Blauhelme sei durch diese Entwicklung „de facto nicht mehr gegeben“, die Gefährdung der österreichischen Soldaten „auf ein inakzeptables Maß angestiegen“, erklärten Kanzler und Vizekanzler. Spindelegger informierte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon telefonisch über die Entscheidung, das Verteidigungsministerium begann sofort, den geordneten Rückzug der österreichischen Blauhelme zu planen.

Fidschis sprangen ein

Die Opposition begrüßte den von ihr bereits zuvor vehement geforderten Abzug selten einhellig, von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der der Regierung ein Ende der „Realitätsverweigerung“ attestierte, bis zum Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz, der konstatierte, das Verteidigungsministerium sei „zur Vernunft gekommen“. Außerhalb Österreichs waren die Reaktionen weniger begeistert: Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu meinte, die Tatsache, dass die Blauhelmtruppe in sich zusammenbreche, zeige einmal mehr, dass Israel sich in Sicherheitsfragen nicht auf internationale Kräfte verlassen könne. Die sichtlich unangenehm überraschte UNO wahrte öffentlich diplomatische Höflichkeit, ließ Wien aber in einem Schreiben doch wissen, man hoffe „dass die österreichische Regierung sich bewusst ist, dass der frühzeitige Abzug seines Personals und seiner Ausrüstung negative Auswirkungen auf unsere Bemühungen zur Aufrechterhaltung der UNDOF-Operation haben wird.“ Auch in Österreich konstatierten sowohl Politikwissenschafter als auch Militärexperten, der Abzug sei nicht aus militärischen, sondern lediglich aus innenpolitischen Erwägungen erfolgt. Nichtsdestotrotz wurde er rasch durchgeführt: Acht Wochen nach der Ankündigung kehrten die letzten Soldaten des österreichischen UNO-Bataillons nach Österreich zurück. Es wurde von der UNO durch Soldaten von den Fidschi-Inseln ersetzt, die nun ihrerseits größter Truppensteller am Golan sind.

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