Gift-Anschlag: Harte West-Allianz gegen Putin

Außergewöhnlich scharfe Worte gegen Russland, das nun selbst zum Gegenschlag gegen London ausholt.

In dem Nervengas-Gift-Krimi dreht sich die Eskalationsspirale immer schneller. Nicht nur Großbritannien, wo die beispiellose Attacke am 4. März lanciert wurde, sieht Moskau hinter dem Mordversuch an dem russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal, 66, und seiner Tochter Yulia, 33. Auch maßgebliche Westmächte schließen sich diesem Urteil an – und finden außergewöhnlich scharfe Worte Richtung Kreml.

"Verletzt Völkerrecht"

"Es handelt sich um einen Übergriff gegen die Souveränität des Vereinigten Königreiches, und es verletzt das Völkerrecht", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs der USA (Donald Trump), Großbritanniens (Theresa May), Frankreichs (Emmanuel Macron) und Deutschlands (Angela Merkel). Der Einsatz eines militärischen Chemie-Kampfstoffes (Nowitschok), wie er in der Sowjetunion entwickelt worden sei, stelle "die erste offensive Anwendung eines solchen Nervengifts in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg dar", schreiben die Staatenlenker weiter.

Moskau wird aufgefordert, zu allen offenen Fragen Stellung zu beziehen. Zudem wird darauf verwiesen, dass sich Russland in anderen Fällen "verantwortungslos" verhalten habe.

NATO stärkt Briten

Auch die NATO stellt sich fast bedingungslos hinter das britische Allianz-Mitglied. Laut dem Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses Jens Stoltenberg bestehe kaum Zweifel, dass die Attacke eine russische Handschrift trage. Sie entspreche dem rücksichtslosen Verhalten des Landes in den vergangenen Jahren. London, so Stoltenberg, habe nicht beantragt, den Anschlag nach Artikel 5 als militärischen Angriff zu werten – andernfalls würde die Beistandspflicht schlagend werden. Die NATO leiste daher bisher bloß starke politische Unterstützung. Generell kommen die Strategen des Nordatlantik-Paktes zum Schluss, dass Russland den Westen destabilisieren wolle.

"Hysterisch"

Im UN-Sicherheitsrat, der in der Nacht zum Donnerstag zu dieser Causa tagte, kam es indes zu einem Schlagabtausch mit dem Vertreter des Kremls. Wassili Nebensja wies alle Anschuldigungen zurück und sprach von einer "hysterischen Atmosphäre".

In Russland bastelte man indes am Gegenschlag, nachdem Großbritannien am Mittwoch Sanktionen gegen das Land verhängt hatte (unter anderem sollen 23 russische Diplomaten die Insel binnen einer Woche verlassen). Mit einer ähnlichen Maßnahme wurde auch seitens des Kremls gerechnet.

May am Ort des Anschlags

In Großbritannien besuchte Theresa May gestern den Anschlagsort in Salisbury, wo Vater und Tochter auf einer Bank ohne Bewusstsein aufgefunden worden waren – beide liegen nach wie vor in kritischem Zustand in einem Spital. Bereits davor hatte sich die Regierungschefin in der Affäre so deutlich wie nie zuvor geäußert: "Der russische Staat ist des versuchten Mordes schuldig."

Um sich vor ähnlichen Attacken künftig besser schützen zu können, soll, so ließ der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson wissen, ein hochmodernes Zentrum zur Abwehr von Angriffen mit Chemiewaffen errichtet werden. Hierfür sollen 48 Millionen Pfund (rund 54 Millionen Euro) bereitgestellt werden. Zudem sollen tausende Soldaten gegen Anthrax (Milzbranderreger) geimpft werden.

Ex-Spion belastet Kreml

Indes belastet der Ex-Agent Boris Karpitschkow Moskau schwer. Vor der Vergiftung Skripals und dessen Tochter sei er gewarnt worden, dass er selbst ebenso wie die beiden Opfer in Großbritannien sowie sechs weitere Personen auf einer Liste des russischen Geheimdienstes stünden.

Karpitschkow arbeitete Ende der 1990er-Jahre für Dienste Russlands und Litauens, ehe er im Groll ausschied. 2006 hätten dann Unbekannte im neuseeländischen Auckland einen Giftanschlag mit einem Pulver auf ihn verübt. Danach sei er lange krank gewesen und habe in nur zwei Monaten 30 Kilogramm verloren.

Schlagabtausch im UNO-Sicherheitsrat

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