EU

Kampf für gemeinsames Europa

Schulz, Präsident des EU-Parlaments & Juncker, EU-Kommissionspräsident.
Ein Gastkommentar von Martin Schulz und Jean-Claude Juncker.

Es ist eine ganz besondere Entscheidung, wenn Papst Franziskus den Karlspreis erhält, denn wir sind davon überzeugt, dass der Papst diese Auszeichnung für seine Hoffnungsbotschaft an Europa verdient. Vielleicht braucht es die Augen eines Argentiniers, der von außen darauf blickt, was uns Europäer im Innersten zusammenhält. Denn in Zeiten der Krise vergessen wir leicht, was Europa bereits geleistet hat und wozu es fähig ist. Wenn wir Europäer untereinander zerstritten waren, erging es allen schlecht, wenn wir aber zusammenstanden, dann war das für alle besser.

Genau darauf führt uns der Papst zurück, wenn er uns daran erinnert, dass ein Europa, das auf den Menschen schaut, das seine Würde verteidigt und schützt, ein kostbarer Bezugspunkt für die gesamte Menschheit ist. Denn wir Europäer brauchen uns im Zeitalter der Globalisierung mehr denn je, wie drei aktuelle Herausforderungen belegen:

  • Erstens: In einer sich immer weiter vernetzenden Welt müssen wir unsere Kräfte bündeln. Der Anteil Europas und seiner Nationen an der Welt-Wirtschaftsleistung wie Weltbevölkerung geht zurück. Kein Mitgliedsland allein vermag seine Interessen und Werte durchzusetzen, vereint können wir es sehr wohl schaffen, die globalen Spielregeln mitzubestimmen. Auf dem Spiel steht unser europäisches Gesellschaftsmodell, das auf Demokratie, und Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und Menschenrechten aufbaut. Unsere Wirtschaftskraft entsteht aus dem gemeinsamen Binnenmarkt, der uns den Rücken stärkt, um unsere wertebasierte europäische Gesellschaftsordnung zu sichern und auszubauen.
  • Zweitens: Der Nukleardeal mit dem Iran oder das Klimaschutzabkommen von Paris hat gezeigt, dass wir Europäer gemeinsam vieles erreichen können. Konflikte und Kriege finden in unserer unmittelbaren Nachbarschaft statt: in Syrien sterben täglich Menschen, und die Lage in der Ostukraine bleibt besorgniserregend. Die Attentate in Brüssel wie Lahore, in Istanbul wie Paris waren eine bittere Erinnerung, dass der islamistische Terrorismus eine globale Bedrohung darstellt.
  • Drittens: Heute fliehen mehr Menschen vor Kriegen und Verfolgung als zu jedem Zeitpunkt seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Herausforderung ist so groß, dass kein Mitgliedsstaat sie im Alleingang lösen kann – aber gemeinsam können wir diese Verantwortung teilen.

Bei seinem Besuch auf Lesbos nahm Papst Franziskus zwölf syrische Flüchtlinge auf und handelte damit konkreter und solidarischer als viele EU-Mitgliedstaaten. Solidarität und Nächstenliebe haben nur dann einen Wert, wenn wir sie leben. Genau das tun Zehntausende Freiwillige jeden Tag. Sie zeigen den Flüchtlingen und der Welt Europas menschliches Gesicht.

Papst Franziskus erwartet von uns, dass wir unser Potenzial besser ausschöpfen.

Mit unserer europäischen Art, Brücken zwischen Menschen und Ländern zu bauen, haben wir die Spaltung des Kontinents überwunden. Der Papst macht uns Mut, wenn er sagt: "Schwierigkeiten können zu machtvollen Förderern der Einigung werden."

Deshalb ist es höchste Zeit, dass alle Europäerinnen und Europäer für unser gemeinsames Europa kämpfen.

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