G-7-Plan für Flüchtlingskrise an USA gescheitert

G-7-Plan für Flüchtlingskrise an USA gescheitert
Auf Druck der USA haben der Gastgeber Italien und andere G-7-Länder umfassende Pläne für eine bessere Bewältigung der Flüchtlingskrise zurückziehen müssen.

Italien hat Sizilien nicht umsonst für den G-7-Gipfel ausgewählt. Es ist ein symbolischer Ort, an dem sich die sieben Staats- und Regierungschefs am Freitag und Samstag treffen. Das malerische Taormina liegt quasi vor der Haustür Afrikas - und wenige Kilometer von den Häfen entfernt, wo ständig Hunderte aus Seenot gerettete Flüchtlinge und Migranten ankommen.

Das Mittelmeer steht für eine der größten Krisen der Gegenwart. Und Italien, das davon besonders betroffen ist, wollte das Thema prominent auf die Tagesordnung setzen. Daraus wird nun nichts.

Grenzsicherung und Sicherheit

Auf Druck der USA haben der Gastgeber Italien und andere G-7-Länder ihre Pläne für eine bessere Bewältigung der Flüchtlingskrise zurückziehen müssen. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag am Rande des Gipfels der sieben großen Industrienationen in Taormina auf Sizilien erfuhr, bestanden die US-Unterhändler darauf, stattdessen nur zwei Absätze in die Abschlusserklärung aufzunehmen.

Diese heben die Grenzsicherung und Sicherheitsaspekte hervor. Gastgeber Italien wollte auf dem schwierigsten Gipfel seit Jahrenhatte dagegen auch eine Erklärung zu den positiven Aspekten und Chancen der Zuwanderung gemeinsam mit den G-7-Partnern verabschieden. Dabei sollte es auch um Rechte von Flüchtlingen und Schutz vor Ausbeutung gehen - einer der Kernpunkt der G-7-Präsidentschaft Italiens, das besonders von dem Flüchtlingsproblem betroffen ist. Über 50.000 Migranten kamen seit Anfang des Jahres allein über die Mittelmeerroute von Libyen nach Italien. Das ist ein Anstieg um 47,5 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Auch von einer ursprünglich geplanten Ernährungsinitiative war gar am Freitag nicht mehr die Rede, da nur Italien neue Finanzzusagen machen wollte. Entwicklungsorganisationen drängten die G-7-Staaten, zumindest im Kampf gegen die akuten Hungersnöte ihre Zusagen zu erfüllen. Die Staats- und Regierungschefs sollten in Taormina mehr Geld für einen UNO-Appell von 6,9 Milliarden US-Dollar bereitstellen, für den bisher nur Zusagen in Höhe von 30 Prozent vorlagen.

Kampf dem Terrorismus

Als Antwort auf den Anschlag in Manchester haben die Staats- und Regierungschefs der G7 eine Erklärung im Kampf gegen den Terrorismus verabschiedet. „Das ist eine starke Botschaft der Freundschaft, Nähe und Solidarität mit Großbritannien“, sagte der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni am Freitag im sizilianischen Taormina beim G7-Gipfel. Die britische Premierministerin Theresa May bedankte sich für die Unterstützung im Angesicht der „entsetzlichen Attacke“. Es sei wichtig, dass die Gruppe gezeigt habe, entschlossen im Kampf gegen den Terrorismus zu sein, um die eigenen Bürger zu schützen.

Kein Fortschritt beim Thema Klima

In der Klimapolitik hat es am ersten Tag keine Annäherung zwischen US-Präsident Donald Trump und den anderen Teilnehmern gegeben. Die US-Regierung befinde sich weiterhin in der internen Abstimmung, sagte Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni am Freitag in Taormina. Trump hatte im Wahlkampf den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt, hat sich aber nach seiner Amtsübernahme noch nicht festgelegt.

Die US-Regierung sei dazu noch in Beratungen, sagte Gentiloni als Gipfelgastgeber. "Die anderen Staaten haben das zur Kenntnis genommen. Für unseren Teil haben wir unsere vollkommene Unterstützung bekräftigt", fügte er im Hinblick auf das Klimaabkommen hinzu.

G-7-Plan für Flüchtlingskrise an USA gescheitert
From R-L, U.S. President Donald Trump, Italian Prime Minister Paolo Gentiloni, Japanese Prime Minister Shinzo Abe, Britain’s Prime Minister Theresa May, Canadian Prime Minister Justin Trudeau arrive for a family photo at the G7 Summit in Taormina, Sicily, Italy, May 26, 2017. REUTERS/Jonathan Ernst

Machttour durch Europa

Die nunmehrige Blockadehaltung der USA scheint nach dem gestrigen Auftritt Donald Trumps beim NATO-Gipfel nur folgerichtig. Auch dort zeigte sich der US-Präsident wenig kompromissbereit, kritisierte unter anderem die deutschen Handelsüberschüsse und verlangte von den NATO-Partnern einmal mehr eine kräftigere Beteiligung am NATO-Budget. Auch die vereinbarten zwei Prozent der Verteidigungsbudgets an der jeweiligen Wirtschaftsleistung bezeichnete er als "nicht genug". Der Auftritt ließ viele Diplomaten ratlos zurück.

Aus Bündniskreisen hieß es laut dpa am Freitag, viele Delegationen seien äußerst besorgt vom Gipfel in Brüssel abgereist. Trump habe mit seinem Auftritt "großen Schaden" angerichtet, sagte ein Diplomat. Statt des so wichtigen Bildes der Geschlossenheit, habe man den Eindruck eines gespaltenen Bündnisses vermittelt.

Die gute Nachricht vom heutigen G-7-Gipfel: Die Staats- und Regierungschefs noch bis morgen Zeit das Ruder rumzureißen.

Taormina hat in seiner gut 3000-jährigen Geschichte vieles überlebt, es wird auch den G-7-Gipfel überstehen. Seit Wochen ist das sizilianische 11.000-Einwohner-Städtchen am Fuße des Vulkans Ätna im Belagerungszustand. 7000 Carabinieri und Soldaten sollen die Tourismushochburg absichern, wenn am Freitag und Samstag die Staats- und Regierungschefs der einflussreichsten Wirtschaftsmächte tagen. So ein Aufwand. Und wofür? Sieben Gründe, warum die Idee der Weltwirtschaftsregierung obsolet ist.

Sie sind eine Mogelpackung

Die sieben führenden Industriestaaten? Das mag 1975 gestimmt haben, heute ist es falsch. Gemessen am wirtschaftlichen Einfluss müssten China, Indien, Indonesien und Brasilien dabei sein. Sogar Mexiko, Türkei und Korea wären legitimere Teilnehmer als Kanada oder Italien. Russland wurde 1998 aus politischen Gründen aufgenommen und 2014 nach der Krim-Annexion und dem Ukraine-Konflikt wieder rauskomplimentiert. Dass die EU seit 1981 zusätzlich zu ihren vier (künftig drei) größten Mitgliedstaaten vertreten ist, macht die Zusammensetzung nicht logischer.

Sie haben keinen Auftrag mehr

Die Idee einer Weltwirtschaftsregierung war seit jeher fragwürdig, weil dem Forum die demokratische Legitimierung und Transparenz fehlt. Ihren stärksten Moment hatten die G7 noch 2008, als sich die Regierungen gemeinsam gegen die Weltfinanzkrise stemmten. Rasch verlagerte sich dieser Fokus aber zu den G20, wo die Schwellenländer China, Indien und Brasilien mit am Tisch sitzen. Ob Welthandel, Klimaschutz oder Terrorismus – seither ist das G-20-Forum das einzig relevante Gremium für globale Probleme.

Wertegemeinschaft ohne Werte

Die G7 sehen sich gerne als inneren Zirkel, als Wertegemeinschaft, die eine Pionierrolle wahrnimmt. Leider trifft dieser Anspruch weniger zu denn je – eine gemeinsame Agenda gibt es nicht mehr. Die Hauptaufgabe in Taormina besteht darin, US-Präsident Donald Trump auf einen gemeinsamen Kurs beim freien Handel und Klimaschutz zu verpflichten. In den Vorbereitungsrunden gelang es aber nicht einmal, den USA vage Bekenntnisse gegen Protektionismus abzuringen.

Informeller Aufwand

Wenn sich die Chefs treffen, ist die Knochenarbeit bereits erledigt: Die Gipfeldokumente sind von "Sherpas" vorbereitet. Manche Beobachter sehen somit den Zweck der G7 darin, dass sich die Mächtigen informell treffen und kennenlernen können. Immerhin gebe es mit Donald Trump, Theresa May, Emmanuel Macron und Gastgeber Paolo Gentiloni heuer vier Neulinge. Die G7, eine Plauderrunde? Das ließe sich mit weniger Aufwand einrichten.

Keine wirklichen Beschlüsse

G-7-Protokolle sind reine Absichtserklärungen, deshalb sind die Dokumente zumeist äußerst wolkig formuliert. Und wenn von den G7 in der Vergangenheit konkrete Initiativen ausgingen, so haben die nötige Sacharbeit längst andere übernommen: den Kampf gegen Steuervermeidung die OECD, gegen Geldwäsche die Financial Action Task Force (FATF), die Bankenregulierung das Basel Komitee.

Agenda ist alles und nichts Laut EU-Angaben hat der italienische G-7-Vorsitz heuer ein Spektrum vorgegeben, das von Sicherheit und Terrorismus bis hin zu Handel, Globalisierung, Weltwirtschaft, Umweltschutz und Ungleichheit reiche. Wer aber alle Themen anschneiden will, hat am Ende über gar nichts gesprochen.

Sinnentleerte Rituale

Familienfoto, Sightseeing samt Heli-Flug über den Ätna: die G-7-Abläufe gleichen mittlerweile Pflichtübungen – ebenso wie die Gegendemos. Gerade Italien erinnert sich mit Schrecken an die Gewaltexzesse von Genua 2001, als bei Kämpfen mit der Polizei ein Demonstrant erschossen und Hunderte Menschen verletzt wurden. Seit damals finden die Gipfel in streng abgeschirmten Sperrzonen statt. Für Samstagnachmittag ist eine Demonstration mit bis zu 4000 Teilnehmern angemeldet – im Küstenort Giardini Naxos, 13 Kilometer vom Tagungsort entfernt.

Anlass für die Gründung der G7 (Gruppe der Sieben) war die Ölkrise 1975: Deutschlands Kanzler Helmut Schmidt und Frankreichs Präsident Valéry Giscard d’Estaing luden ins Schloss Rambouillet, um die Politik besser abzustimmen. Teilnehmer waren die USA, Großbritannien, Japan, Deutschland, Italien und Frankreich, ein Jahr später stieß Kanada dazu. 1998 wurde die Gruppe um Russland erweitert – und 2014 wieder verkleinert.

In Brüssel wird erwartet, dass die G7 an den Russland-Sanktionen festhalten, solange Moskau nicht das Waffenstillstandsabkommen von Minsk für die Ost-Ukraine erfüllt. An der Gipfelerklärung von Taormina dürfte besonders lange gefeilt werden. Als Gipfelerfolg würde jedes (auch noch so vage) Bekenntnis von US-Präsident Donald Trump zum Pariser Klimaschutzabkommen oder gegen Handelsbarrieren gewertet. Das halten Insider im Vorfeld aber für nahezu ausgeschlossen.

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