Freiheitskampf im Fußballstadion

Der Streit um Katalonien überschattet das heutige Fußball-Cupfinale und die Parlamentswahl im Juni.

Eine Fahne im Stadion verbieten, das kann Ärger mit den Fans eines Fußballklubs bringen. Den Fans des FC Barcelona eine Fahne im Stadion verbieten, das kann eine politische Krise auslosen – und genau diese Krise beherrscht Politik und Medien seit Tagen in Spanien, noch mehr aber in der Provinz Katalonien.

Denn dort, an der Mittelmeerküste, rund um die Wirtschaftsmetropole Barcelona, ist "Barça", der Fußballgigant der Stadt, mehr als ein Klub. Er ist ein Nationalheiligtum für Katalonien, für ein Land, das sich immer als Gegner und Gegenpol zur Hauptstadt Madrid verstanden hat. Die Farben des Klubs sind nicht umsonst die Kataloniens. Die Fahne, die Tausende Fans bei Spielen schwenken, hat diese Farben, und sie hat, anders als die offizielle Fahne der Provinz, einen Stern. Die "Sternenflagge" steht für die offene Herausforderung Madrids, nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern politisch. Es ist die Fahne der unabhängigen Nation Katalonien.

Politische Bombe

Die aber, so hatte die spanische Zentralregierung verfügt, ist an diesem Sonntag verboten, im Stadion von Atletico Madrid, wenn der FC Barcelona im Finale des spanischen Fußball-Cups spielt.

Doch damit hatte man eine politische Bombe gezündet. Katalanische Politiker traten nacheinander vor die Presse, um sich aus Protest von dem Spiel abzumelden. Man sprach von einem "Anschlag auf die Meinungsfreiheit". Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy betonte hilflos, er sei für das Verbot nicht zuständig. Schließlich entschied ein rasch eingeschaltetes Gericht, dass die "Estelada" zulässig sei.

Eine Fahne im Fußballstadion als Zündstoff für einen politischen Konflikt, so explosiv ist die Krise zwischen Spanien und seiner Provinz, die sich immer schneller in Richtung Unabhängigkeit bewegt. In Barcelona ist eine – wenn auch politisch ziemlich durcheinandergewürfelte – Koalition aus Separatisten an der Macht. "Wir haben den Punkt überschritten, an dem es noch einen Weg zurück gibt", meint Raul Romeva gegenüber dem KURIER trotzig. Der ehemalige EU-Abgeordnete ist der inoffizielle Außenminister Kataloniens, knüpft die Kontakte mit den Staaten der EU. Doch dabei prallt man in Brüssel auf die Gegenwehr Madrids. Spanien spielt sein politisches Gewicht als großes EU-Land aus, um zu garantieren, dass man weder in Brüssel noch in einer anderen Hauptstadt nur daran denkt, einen Staat Katalonien anzuerkennen.

Dialog gescheitert

Doch in Barcelona wollen die regierenden Separatisten nicht mehr klein beigeben. Zu lange, so das ständig wiederholte Mantra, habe man versucht, mit der Zentralregierung eine verbesserte Autonomie zu verhandeln. Dabei geht es um Symbole wie etwa den Begriff der Nation, den Madrid Katalonien nicht zugestehen wollte, vor allem aber geht es um Geld. Die Region ist die wirtschaftlich stärkste Spaniens, und bezahlt daher kräftig für andere, ärmere Regionen mit.

Es müsse mehr katalanisches Steuergeld in Katalonien bleiben, meinen hier alle Parteien. Doch während etwa die Sozialisten oder die neue liberale Partei Ciudadanos auf neue Verhandlungen setzen, will die Regierung in Barcelona davon nichts mehr hören. Der einzige mögliche Schritt sei eine Volksabstimmung. Die Katalanen sollen über ihre Unabhängigkeit selbst entscheiden, und für die sind laut Umfragen derzeit 40 Prozent.

Dass es inzwischen so viele sind, dafür macht jede Seite die andere verantwortlich. Die Separatisten in Barcelona beschuldigen Madrid für seine Überheblichkeit, die jede Regung der Katalanen, sich politisch ein wenig mehr Freiheit zu verschaffen, blockieren würden. Dass man in Barcelona dagegen alles tut, um die Wut auf Madrid zu schüren, und außerdem nationalistische Geister beschwört, bestätigen auch neutrale Beobachter. Ob im Kindergarten oder in der Kunst, überall würde man kompromisslos katalanische Sprache und Kultur durchsetzen, Es ginge im ganzen Konflikt oft mehr um Emotionen als um praktische Argumente. Eine Hoffnung, die wieder in den Vordergrund zu rücken, bieten die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien am 26. Juni. Im Land herrscht seit den Wahlen im vergangenen Dezember ein politisches Patt. Jeder Versuch, eine Regierung zu bilden, scheiterte. Sollten es die linken Parteien jetzt schaffen, die bisher regierende konservative Volkspartei PP abzulösen, könnte sich auch für Katalonien noch einmal ein Weg zu Verhandlungen öffnen.

Einseitige Trennung

Denn anders als die PP, die sich seit jeher als Hüter Spaniens sieht, geht man bei den linken Parteien weniger befangen mit dem Ruf nach mehr Autonomie um. Vieles ließe sich ändern, wenn der politische Wille da wäre, meint man in Barcelona abseits der offiziellen Propaganda – und dann könne man einen Mittelweg finden.

Vorerst aber droht man lieber – wie etwa Artur Mas. Der gerade im politischen Trubel zurückgetretene Präsident der Region war über Jahre die prägende Persönlichkeit der Separatisten. Wenn Madrid die Region nicht ziehen lasse, meint er im Gespräch mit dem KURIER, könne man ja einseitig die Unabhängigkeit erklären: "Dann bleiben die ganzen Staatsschulden bei Spanien – und das bedeutet den wirtschaftlichen Kollaps, für Spanien und für die Eurozone."

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