Frankreichs Regierung ist zurückgetreten

Kopfzerbrechen bei Hollande
Französische Regierung in der Krise. Kritiker Montebourg will der neuen Regierung nicht mehr angehören.

Der Streit um den Sparkurs des französischen Staatschefs Francois Hollande hat das Land in eine schwere Regierungskrise gestürzt und die zweite Kabinettsumbildung in weniger als fünf Monaten provoziert. Nach Kritik von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg an der Sparpolitik wurde Premierminister Manuel Valls am Montag mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt, teilte der Elysee-Palast mit.

"Manuel Valls hat beim Präsidenten den Rücktritt seiner Regierung eingereicht", hieß es in einer kurzen Stellungnahme des Elysee-Palasts. "Der Staatschef hat ihn gebeten, eine Mannschaft zu bilden, die in Übereinstimmung steht mit den Zielsetzungen, die er selbst für unser Land festgelegt hat." Valls empfing nach Bekanntgabe der Regierungsumbildung die bisherigen Minister zu Einzelgesprächen. Die neue Regierungsmannschaft soll am Dienstag bekannt gegeben werden.

Montebourg wird ihr nicht mehr angehören. Der 51-Jährige selbst schloss das am Montagnachmittag aus. Zugleich erneuerte er seine Kritik: Aus seiner Sicht sollten Deutschland und Europa mehr Gewicht auf Wachstumspolitik legen. Von Präsident Hollande forderte Montebourg ein energischeres Auftreten gegenüber der deutschen Regierung. "Die Politiken der Defizitsenkung (...) sind eine finanzielle Absurdität", so Montebourg. Indem sie das Wachstum behinderten, verhinderten sie die Erreichung ihrer eigenen Ziele.

Buhfrau Merkel

Der dem linken Lager von Hollandes Sozialisten angehörende Montebourg hatte schon am Wochenende eine Abkehr von der Sparpolitik in Frankreich und Europa sowie mehr Wachstumsimpulse gefordert. "Die dogmatische Reduzierung der Defizite, die uns zu einer harten Sparpolitik und zu Arbeitslosigkeit führt, muss zweitrangig sein", sagte der Wirtschaftsminister der Zeitung "Le Monde". Bei einer Veranstaltung in seinem Wahlkreis forderte er am Sonntag einen "bedeutenden Richtungswechsel unserer Wirtschaftspolitik".

In "Le Monde" forderte Montebourg zudem, stärker auf Konfrontation zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu gehen. "Wir müssen einen anderen Ton anschlagen", sagte der Minister. "Deutschland ist gefangen in einer Sparpolitik, die es ganz Europa aufgezwungen hat."

Hollande reagierte nach Angaben eines Regierungsvertreters "sehr wütend" auf die Äußerungen Montebourgs. Aus dem Umfeld von Valls hieß es: "Ein Wirtschaftsminister kann sich nicht so über die wirtschaftspolitische Linie der Regierung und über einen europäischen Partner wie Deutschland äußern."

Le Pen will Wahlen

Die Kabinettsumbildung dürfte Hollande und Valls einiges Kopfzerbrechen bereiten. Unklar war etwa, ob Bildungsminister Benoit Hamond im Amt bleibt, der Hollandes Sparkurs ebenfalls kritisiert hatte. Kulturministerin Aurelie Filippetti erklärte ihrerseits, sie wolle dem neuen Kabinett nicht mehr angehören.

Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, forderte vorgezogene Parlamentswahlen. "Es ist notwendiger denn je, den Franzosen wieder das Wort zu geben und die Nationalversammlung aufzulösen." Konservative Oppositionspolitiker sprachen von einer "schweren" politischen Krise.

Die deutsche Regierung wollte die Vorgänge in Frankreich nicht kommentieren. Es handle sich um eine "innerfranzösische Angelegenheit", sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Aus Sicht der Regierung seien Wachstum und Konsolidierung "kein Gegensatz".

Hollande hatte erst Ende März nach den für die Sozialisten verheerenden Gemeindewahlen die Regierung umfassend umgebildet. Valls ersetzte damals den glücklosen Premier Jean-Marc Ayrault. Montebourg, der im linken Flügel der Sozialisten große Sympathien genießt, wurde vom Industrie- zum Wirtschaftsminister befördert. Mit seiner Kritik am Sparkurs sprach Montebourg nun aus, was viele Sozialisten denken.

Paris spart weiter

Trotz der anhaltenden Wirtschaftskrise und der Rekordarbeitslosigkeit will Hollande am Sparkurs festhalten. Zugleich setzt er sich aber auf europäischer Ebene für die stärkere Förderung der Wirtschaft ein und pocht auf Flexibilität bei der Reduzierung der Defizite. Die Regierung musste kürzlich nach einem Nullwachstum in den ersten beiden Quartalen 2014 einräumen, dass das Defizit-Ziel von 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heuer deutlich verfehlt wird. Eine Reduzierung des Defizits im kommenden Jahr unter die EU-Obergrenze von drei Prozent erscheint damit ausgeschlossen.

Der frühere EU-Außenhandelskommissar und Ex-Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, analysierte die Lage in seiner Heimat Frankreich gegenüber dem "Standard" (Dienstag) am Rande des Forum Alpbach folgendermaßen: "80 Prozent der Probleme sind hausgemacht. Der Rest ist auf EU-Regeln zurückzuführen, denen Frankreich auch zugestimmt hat." Die "Erosion der französischen Wettbewerbsfähigkeit" habe schon vor der Krise begonnen, betonte er. Der 67-jährige Sozialist könnte womöglich in die neue französische Regierung einziehen. Die deutsche Sicht, wonach es im Gegenzug für Solidarität innerhalb der EU "Disziplin und Einhaltung der Regeln geben muss, hat auch ihre Verdienste", sagte Lamy weiter. In Frankreich gelte es das Budget in den Griff zu bekommen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Das Maß und die Geschwindigkeit, mit denen dies bisher geschehen sei, sind Lamy "zu gering".

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