Muslime-Sager: Kritik an jüdischem Dachverband

CRIF-Präsident Roger Cukierman.
"Alle Gewalttaten werden von Muslimen begangen": Kontroverse um Aussage des Präsidenten des jüdischen Dachverbands. Heute erscheint neue Charlie-Hebdo-Ausgabe.

Der Präsident des jüdischen Dachverbands Crif in Frankreich hat mit Äußerungen über junge Muslime scharfe Kritik auf sich gezogen. Roger Cukierman sagte am Montagmorgen in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1, "alle Gewalttaten werden heute von jungen Muslimen begangen, natürlich ist es eine kleine Minderheit der muslimischen Gemeinde und die Muslime sind die ersten Opfer". Cukierman wiederholte am Abend im Sender RTL seine Äußerungen zu den jungen Muslimen; zudem meinte er, die Vorsitzende der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, sei "persönlich unbescholten" – dies relativierte er später aber wieder.

Die Welle der Kritik war enorm: Der Präsident des Zentralrats der Muslime in Frankreich (CFCM), Dalil Boubakeur, bezeichnete diese Äußerungen als "unverantwortlich und unzulässig" sowie als Verstoß "gegen das Prinzip des Zusammenlebens". Das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF) kündigte seinerseits an, eine Anzeige gegen Cukierman zu prüfen. Auch zahlreiche Politiker äußerten scharfe Kritik an den Äußerungen Cukiermans.

Polit-Empfang überschattet

Thema war die Aussage auch abends beim jährlichen Empfang des jüdischen Dachverbands, zu dem hochrangige Politiker eingeladen waren – darunter auch Frankreichs Präsident François Hollande. Muslime-Vertreter Boubakeur hatte das Essen boykottiert, Regierungschef Manuel Valls, zahlreiche Minister, der frühere konservative Präsident Nicolas Sarkozy sowie der frühere konservative Ministerpräsident Alain Juppé nahmen jedoch teil.

Direkt geäußert hat sich jedoch niemand zu dem Vorfall – Hollande hat lediglich "schnellere und effizientere Strafen" bei Volksverhetzung angekündigt. Rassistische, antisemitische und homophobe Äußerungen sollten nicht länger unter das Presserecht sondern unter das Strafrecht fallen, sagte der Staatschef bei dem Abendessen. Er wünsche sich zudem, dass bei Straftaten antisemitische Motive als erschwerender Umstand gewertet werden. Zudem sollten die Rechtsmittel gegen Menschen verschärft werden, die vom Dschihadismus angezogen seien.

Neues Geheimdienst-Gesetz

Hollande kündigte in seiner Rede außerdem an, am 18. März einen Gesetzesentwurf zum Geheimdienst im Kabinett zu präsentieren. Das Gesetz sei in Abstimmung mit "allen politischen Familien" vorbereitet worden, sagte Hollande. Frankreich steht noch immer unter dem Eindruck der islamistischen Anschlägen Anfang Jänner auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris, bei denen 17 Menschen getötet worden waren, darunter vier Juden.

Die französischen Juden klagen seit langem über zunehmenden Antisemitismus. Der Crif ist der Dachverband der jüdischen Organisationen in Frankreich, wo mit 500.000 Juden die größte jüdische Gemeinde Europas lebt.

Sieben Wochen nach den Terroranschlägen in Paris auf die Redaktion von Charlie Hebdo erscheint morgen, Mittwoch, die neue Ausgabe der Satire-Zeitung. Und zwar in einer Auflage von 2,5 Millionen Stück. Die erste nach dem Blutbad vom 7. Jänner, bei dem zwölf Menschen von zwei islamistischen Attentätern erschossen worden waren, verkaufte sich acht Millionen Mal – ein Rekord in der französischen Zeitungsgeschichte.

Die Titelseite ziert diesmal eine Zeichnung, die einen Hund zeigt mit einer Charlie-Hebdo-Ausgabe im Maul. Gehetzt wird das Tier von einem anderen Hund mit Kalaschnikow und Stirnband, die Karikatur eines Dschihadisten. Das Brisante dabei: Hunde gelten im Islam als unrein.

Aber auch der Papst, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy sowie die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, sind hinter dem "Charlie-Hebdo-Hund" her – allesamt Figuren, die von dem Magazin in der Vergangenheit durch den Kakao gezogen wurden. Der Text dazu: "Es geht wieder los".

Es ist erst die zweite Ausgabe der Zeitung nach dem Anschlag, dem in Paris ein weiterer auf einen koscheren Supermarkt mit vier toten Juden folgen sollte. Auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe nach dem 7. Jänner war eine Karikatur des Propheten Mohammed zu sehen, was abermals in weiten Teilen der islamischen Welt Proteste ausgelöst hat.

Die Redaktion von Charlie Hebdo kündigte an, von nun an wieder regelmäßig, also wöchentlich, zu erscheinen.

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