Nur drei Monate Gnadenfrist für EU

Hahn, Mitterlehner, Juncker: „Europa muss gemeinsam handeln“.
Merkel und Mitterlehner drängen auf gemeinsames Handeln, "sonst wird es unkontrollierbar".

Die Fotografen drängen sich um Silvio Berlusconi mit dem rotbraun gefärbten Kunsthaar. Plötzlich brandet spontaner Applaus auf und ein Teil des Publikums erhebt sich ehrerbietig. Die Kameras schwenken ab, Berlusconi ist vergessen. Angela Merkel hat den Saal betreten. Die deutsche Kanzlerin ist der Star der konservativen Parteien Europas – von Kritik an ihrer Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen ist beim EVP-Kongress in Madrid nichts zu bemerken.

Auch hinter verschlossenen Türen im Präsidium der EVP mäkelte niemand. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner: "Es gab eine intensive Diskussion, wie wir mit dem Flüchtlingsproblem umgehen." Und da haben sich Deutschland – und Österreich – massiv für eine gemeinsame Vorgangsweise der EU-Länder stark gemacht. Mitterlehner: "Wir müssen gemeinsam vorgehen, und wir müssen pragmatische Lösungen finden. Wir haben maximal noch drei Monate Zeit, dann wird die Situation unkontrollierbar."

Zu den Lösungen zählen: ein gemeinsames Asylrecht, also ein gemeinsamer Katalog von Ländern, die als sichere Herkunftsländer gelten.

Weiters das Vermeiden von EU-interner Migration von Flüchtlingen, indem sich die Flüchtlinge den Staat aussuchen, wo es die besten Sozialleistungen gibt. Um dies abzustellen, könnten Sozialleistungen ausgesetzt werden. Mitterlehners Beispiel: "Wenn ein Flüchtling von Estland nach Österreich wandert, könnte man ihm fünf Jahre die österreichischen Sozialleistungen sperren und nur die Leistungen in estnischer Höhe bezahlen."

Vordringlich ist aus Sicht von Europas Konservativen, die Schengen-Außengrenze zu schützen. Der frühere slowenische Ministerpräsident Janez Jansa sagt in seiner Rede auf dem EVP-Kongress: "Das Römische Reich ist untergegangen, als es seine Grenzen nicht mehr schützen konnte. Wenn jemand hier sehen will, was Chaos bedeutet, soll er an die slowenisch-kroatische Grenze fahren."

Auch Mitterlehner redet seinen Parteifreunden ins Gewissen: "Das ist nicht ein Thema von ein paar Balkanländern, Deutschland, Österreich und vielleicht noch Schweden. Das kann nur gemeinsam gelöst werden."

Die Vertreter der Balkanländer haben Deutschland um Hinweise gebeten, ob sie die Flüchtlinge in Kontingenten, und wenn ja, in welchem Takt, weiterleiten sollen. Die konkrete Vorgangsweise wird am Sonntag in dem Gipfeltreffen der Balkanstaaten mit Österreich und Deutschland und der EU-Kommission besprochen.

EU-Kommissar Johannes Hahn meint gegenüber dem KURIER, dass beispielsweise der Katastrophenstab der EU-Kommission, bestehend aus 20 bis 30 Leuten, die Koordinierung von aus EU-Ländern bereit gestellten Einsatzkräften für den Grenzschutz übernehmen könnte. Allerdings wartet die EU-Grenzschutztruppe Frontex seit Wochen auf 700 Leute Verstärkung. "Das ist nicht gut für Europa, wenn Frontex die Leute nicht bekommt", kritisiert Merkel in ihrer Rede.

Sie gibt noch einmal die Linie vor: "Wer Europa betritt, hat das Recht, wie ein Mensch behandelt zu werden. Wer Flüchtling nach der Genfer Konvention ist, dem werden wir helfen. Andere, die nur aus wirtschaftlichen Gründen kommen, können nicht bleiben, so leidvoll das im Einzelfall sein mag."

Stehende Ovationen.

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