Ägäis: Eine Tote bei Untergang von Flüchtlingsboot

Symbolbild
Mehrere Schiffe und ein Rettungshubschrauber sind auf der Suche nach Vermissten. Ärzte ohne Grenzen kritisierte indessen die EU-Politik im Mittelmeer.

Zwischen der Ägäisinsel Kalymnos und der türkischen Küste ist in der Nacht auf Freitag ein hölzernes Flüchtlingsboot gesunken. Mindestens eine Frau sei dabei ums Leben gekommen, 14 Menschen konnten bisher gerettet werden, berichtete am Freitag die Insel-Onlinezeitung Kalymnos News.

Es werden jedoch weitere Todesopfer befürchtet; nach Angaben der Überlebenden soll das Boot bis zu 24 Menschen an Bord gehabt haben.

Der Ort des Unglücks befindet sich östlich von Kalymnos nahe des kleinen Eilands Kalolimnos, das wiederum nur wenige Kilometer von der türkischen Halbinsel Bodrum entfernt liegt. Vier Schiffe der griechischen Küstenwache, ein Schiff der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex und ein Rettungshubschrauber sind dort auf der Suche nach den Vermissten im Einsatz.

MSF kritisiert "Scheinlösungen" im Mittelmeer

Auch auf der zentralen Mittelmeer-Route vor Libyen kam es in den vergangenen Tagen zur Bergung von toten Migranten. Seit die Ankünfte jener Personen, die aus Subsahara-Afrika über Libyen nach Italien flüchten, stark zurückgegangen sind, ist auch die Migrationsdebatte in der EU in den Hintergrund geraten. Doch die Lösungen der EU seien vor allem eins: Scheinlösungen, kritisiert Ärzte ohne Grenzen. Die Zustände in den libyschen Internierungslagern seien nach wie vor die "Hölle".

Erst Anfang September richtete Ärzte ohne Grenzen (MSF) einen Appell - und scharfe Kritik - an die EU-Regierungen. Mit europäischen Geldern werde in Libyen ein "kriminelles System der Misshandlung und Ausbeutung unterstützt", heißt es in dem offenen Brief, der auch an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erging. Seither habe sich nicht viel getan, erzählt Marcus Bachmann, Koordinator für humanitäre Hilfe bei MSF, gegenüber der APA. "Es gibt keine messbaren Fortschritte, die Lage für Flüchtlinge in Libyen ist nach wie vor von enormer Gewalt gekennzeichnet."

Missbrauch und Versklavung

Bereits im Sommer hatten mehrere Organisationen, neben MSF auch Amnesty International, die Zustände in den libyschen Internierungslagern als menschenunwürdig bezeichnet. Menschen würden missbraucht und teilweise sogar versklavt. Der Schutz und die Versorgung von Flüchtlingen in dem krisengebeutelten Land käme eindeutig zu kurz, kritisiert Bachmann.

Die EU unterstützt in Libyen vor allem die libysche Küstenwache und Marine, im Rahmen der seit 2015 laufenden Operation Sophia. "Die Unterstützung der Europäischen Union ist zu einseitig - einseitig darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen am Verlassen Libyens zu hindern oder sie nach Libyen zurückzubringen", erklärt der Experte der Hilfsorganisation. Dass die EU ihre Verantwortung auslagert - an "Gruppen, die internationales Recht nicht einhalten", bezeichnet Bachmann als "absolut nicht hinnehmbar".

"Die EU externalisiert ihre Grenzen, sie schiebt ihre Grenzen immer weiter aus Europa hinaus", das würden auch die aktuellen Entwicklungen - Verhandlungen mit anderen afrikanischen Staaten - zeigen, so Bachmann. Das Problem sei einerseits der Mangel an Transparenz, wofür EU-Gelder in Libyen ausgegeben werden, andererseits die Kurzfristigkeit solcher "Scheinlösungen", wie sie der Experte, der jahrelange Erfahrung in Krisengebieten hat, nennt.

So werde die Schließung der Mittelmeerroute als "sehr einfache und erfolgreiche Lösung" beworben. Doch diese Politik, die auf Abschreckung und Abschottung abziele, ohne alternative - nämlich legale und sichere Fluchtwege - zu ermöglichen, lasse den Druck nur kurzfristig etwas geringer erscheinen. Denn so erzwinge man "genau das, was die EU angeblich nicht will - dass die Menschen die unsicheren Fluchtwege wählen und großer Gefahr ausgesetzt sind", betont Bachmann. "Damit wird das Problem nur umso größer und mächtiger wieder auftreten."

"Migration ist ein außerordentlich komplexes Thema, da gibt es keine einfachen Lösungen. Eine Versachlichung der Migrationsdebatte wäre dringend notwendig", appelliert der Ärzte ohne Grenzen-Mitarbeiter. "Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, die EU darf sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken."

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