Farhad Darya: "Gabalier vom Hindukusch"

Farhad Darya füllt jedes Stadion seines Landes – dort, wo früher die Taliban ihre Gegner enthaupteten. Der Sänger glaubt an die Jugend – und damit die Zukunft Afghanistans.
Der 54-jährige Sänger vereint ganz Afghanistan in seinen Liedern.

Ob ich ein Superstar bin?" Der schmale 52-Jährige im dezent-grauen Nadelstreifanzug, mit dunkler Hornbrille und streng nach hinten gekämmtem Haar, lächelt verlegen. "Das müssen Sie schon die Afghanen fragen." Das ist gar nicht nötig: Selbst in Wien wird der Sänger pausenlos bestürmt, um Autogramme gebeten. Geduldig stellt er sich für Selfies mit seinen jungen Fans in Pose. Farhad Darya, der berühmteste Popmusiker Afghanistans, ist auch für Millionen Anhänger außerhalb seiner Heimat ein Megastar. Einer, der mit seiner Turbo-Folk-Mischung Zehntausende von den Sesseln reißt. Eine Art "Gabalier vom Hindukusch". Mit dem großen Unterschied: Für Musik riskiert Darya sein Leben.

Denn Musik – so wie fast jede Form des irdischen Vergnügens –, das ist der große Feind der radikal-islamischen Taliban. Während der Terrorherrschaft der afghanischen Gotteskrieger in den 90er-Jahren war Musik verboten. Tonträger, Kassetten, CDs wurden zerstört. Wer ein Lied sang, hatte mit harten Strafen zu rechnen.

"Taliban sind überall"

Und auch heute, nach zwölf Jahren NATO-Einsatz in Afghanistan, sind die Taliban noch immer da. Zurückgedrängt und geschwächt. "Aber sie sind sichtbar, sie sind überall, sie ziehen ihre Spuren", bestätigt Darya.

Er selbst habe nie direkt Todesdrohungen erhalten. Aber beinahe täglich gehen derzeit die Bomben der Taliban hoch – es kann jeden, überall treffen. Wie ein makabrer Abschiedsgruß an die nun endgültig abziehenden NATO-Soldaten. Die Friedenssicherung liegt ab Jänner in den Händen der afghanischen Armee- und Polizeitruppen. Und dass die Taliban-Kämpfer wieder stärker mitmischen wollen, zeichnet sich schon ab.

Farhad Darya hat sich mitten in die Höhle der Löwen gewagt, nach Helmand, ins "Herzland" der Taliban. Sang dort vor 45.000 begeisterten Menschen. "Gleich nebenan haben die Menschen gebetet, und es ging wunderbar friedlich ab", erzählt er. Doch bei einem Konzert Daryas vor vier Jahren explodierte inmitten der 60.000 Zuschauer in Herat eine Bombe. 13 Menschen wurden verletzt. Am nächsten Tag skandierten seine Fans zu Hunderten in den Straßen: "Die wahre Explosion war auf der Bühne!"

Mühelos füllt der Sänger die Stadien des Landes. Stadien, in denen die Taliban einst Menschen exekutierten. Und das sei es, was er sich am meisten wünsche, sagt Darya: Dem Land ein Stückchen Frieden zurückbringen, ein wenig Normalität – mit Musik.13 Jahre hat der in Kabul geborene Sohn eines Paschtunen und einer Tadschikin im Exil verbracht. Als er aus Deutschland und den USA in seine kriegsverwüstete Heimat zurückkehrte, brachte er die Musik der Welt mit und revolutionierte mit seinem speziellen afghanischen Pop den Geschmack des Landes. Für alle Ethnien hatte er etwas mit im Gepäck. Er singt und komponiert alle seine Songs selbst – und das auf Paschtu, Usbekisch, Dari, Farsi, Urdu – zuweilen auch auf Englisch. Es ist, als vereine er das ganze Land in seinen Liedern.Friedensarbeit liegt ihm am Herzen, für zahllose Hilfsprojekte engagiert er sich, ein neues, friedlicheres Afghanistan hält er für möglich. Alle seine Hoffnungen ruhen auf den jungen Afghanen: "Sie wollen all das nicht erleben, was ihre Eltern durchgemacht haben. Sie haben andere Ziele, sie leben auch ganz anders. Ich sage immer: Die Jungen haben ihren Lebensstil upgedatet."

"Es geht voran"

Populär, wie er ist, könnte der besonnene Musiker, der seine Antworten lange und genau überlegt, jede Wahl gewinnen. Lächelnd wehrt er ab: "Ich bin kein Politiker. Aber ich muss viel über Politik wissen." Nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, nur das ewig schwarze Bild von einem Afghanistan des Elends, des Todes und des Krieges, das kann er nicht mehr sehen und hören. "Es geht jeden Tag voran. Und bei uns in Afghanistan bedeutet schon jede kleine Änderung sehr viel."

Farhad Darya gibt heute, Freitag, in Wien ein Konzert: Austria Center, 20 Uhr.

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