Fall Khashoggi: Zuerst gefoltert, dann enthauptet

Fall Khashoggi: Zuerst gefoltert, dann enthauptet
Möglicherweise handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen Leibwächter des Kronprinzen.

Im Bemühen um die Aufklärung des Verschwindens des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi ist US-Außenminister Mike Pompeo in der Türkei angekommen. Pompeo traf am Flughafen in Ankara den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, vor dessen Reise nach Moldau, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

An dem rund 30-minütigen Gespräch nahmen demnach auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin und Geheimdienstchef Hakan Fidan teil. Pompeo habe sich anschließend noch mal zu einem Einzelgespräch mit Cavusoglu getroffen, meldete Anadolu.

Mit offensiver Krisendiplomatie versuchen die Vereinigten Staaten, Licht ins Dunkel im Fall des verschwundenen saudischen Journalisten zu bringen. US-Präsident Donald Trump hatte ebenfalls mit Salman sowie dessen Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman telefoniert.

"Mein Urteil nach den Treffen ist, dass es ein ernsthaftes Bekenntnis gibt, alle Fakten zu finden und Verlässlichkeit zu garantieren, auch die Verlässlichkeit gegenüber hochrangigen saudischen Führungsfiguren und Beamten", heißt es in einem Statement Pompeos vom Dienstagabend. Der Kronprinz hatte Trump zuvor nach den Angaben des US-Präsidenten versichert, dass die saudische Führung nichts von den angeblichen Vorkommnissen in der saudischen Botschaft in Istanbul gewusst habe. Der Kronprinz habe Pompeo gegenüber zugesichert, dass die saudischen Ermittler ein vollständiges und transparentes Ergebnis vorlegen werden.

Jörg Winter (ORF) berichtet aus Istanbul

Trump sagte am Dienstagabend (Ortszeit) in einem Interview des US-Senders Fox Business, entscheidend sei, ob die saudische Führung von den Vorkommnissen gewusst habe. "Wenn sie davon gewusst hätten, dann wäre das sehr schlecht", sagte Trump.

Türkische und saudische Ermittler hatten zuvor eine neunstündige Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul abgeschlossen und hatten auch das Privathaus des Konsuls durchsucht. Der Diplomat war türkischen Medien zufolge kurz zuvor nach Saudi-Arabien abgereist.

Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass Khashoggi im Konsulat von einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando getötet wurde. Sie sollen auch im Besitz kompromittierender Ton- und Videoaufnahmen sein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, man schaue sich mögliche Spuren "giftiger Substanzen" genauer an. Die seien überstrichen worden.

Khashoggi soll laut einem türkischen Medienbericht im Istanbuler Konsulat seines Landes erst gefoltert und dann enthauptet worden sein. Die türkische Zeitung "Yeni Safak" berichtete am Mittwoch unter Berufung auf eine angebliche Audioaufnahme von dem Geschehen, saudi-arabische Agenten hätten dem regierungskritischen Journalisten während eines Verhörs die Finger abgeschnitten und ihn später enthauptet.

Aufmerksamkeit auf den Kronprinzen

Khashoggi war am 2. Oktober in das saudische Konsulat gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Seine türkische Verlobte wartete vor dem Gebäude über Stunden vergeblich darauf, dass der Journalist wieder herauskam. Khashoggi, der am 13. Oktober 60 Jahre geworden wäre, lebte seit mehr als einem Jahr im selbst gewählten US-Exil und schrieb unter anderem für die Zeitung " Washington Post" regierungskritische Artikel über Saudi-Arabien

Im letzten Interview mit einer deutschsprachigen Zeitung, das Khashoggi dem KURIER im November 2017 gab, schilderte er seine Kritik am saudi-arabischen Königshaus und das Leben im Exil:

Für das Weiße Haus steht in dieser Affäre viel auf dem Spiel, da sich Trump in seiner Nahost-Politik sehr stark auf das sunnitische Saudi-Arabien stützt. Seit Amtsantritt des US-Präsidenten hat sich das zuvor abgekühlte Verhältnis zwischen den beiden Partnern deutlich verbessert. Die USA und Saudi-Arabien sehen vor allem im schiitischen Iran einen gemeinsamen Feind, den bekämpfen wollen.

Der US-Präsident verschärfte zwar zunächst den Ton gegenüber Riad und forderte Antworten auf offene Fragen - will aber offensichtlich dennoch die guten Beziehungen zur Führung in Riad nicht aufs Spiel setzen. Trump äußerte die Vermutung, dass es sich möglicherweise nicht um ein staatlich beauftragtes Mörderkommandos gehandelt habe.

Die Aufmerksamkeit richtet sich in der Affäre insbesondere auf den saudischen Kronprinzen. Der 33 Jahre alte Sohn des Königs ist der starke Mann des Landes und gilt als künftiger Herrscher. Während er einerseits Reformen vorantreibt und das Land gesellschaftlich liberalisiert, geht er hart gegen Kritiker vor.

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