Jean-Claude Juncker hat sein Ziel erreicht: Die neue Kommission wurde vom Parlament akzeptiert.

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Eu-Kommission

Europaparlament stimmt für Junckers Team

Die EU hat eine neue Regierung: Junckers Kommission bekam grünes Licht von den Abgeordneten.

10/22/2014, 10:36 AM

Nun ist es fix: Das EU-Parlament hat heute in Straßburg über die Kommission abgestimmt und sich für das Team von Jean-Claude Juncker ausgesprochen. Konservative, Sozialdemokraten und Liberale stimmten überwiegend für die neue Kommission, die damit plangemäß am 1. November die Kommission des derzeitigen Präsidenten Jose Manuel Barroso ablösen wird. Bei 699 abgegebenen Stimmen votierten 423 der Mandatare für die Kommission. Bei 209 Nein-Stimmen gab es 67 Enthaltungen.

Juncker hat zuvor in seiner Rede die neue Struktur seines Gremiums humorvoll beworben: "Ich bin der große Verlierer dieser neuen Kommissionsarchitektur". So habe er schließlich einen guten Teil seiner präsidentiellen Vorrechte an die Vizepräsidenten abgetreten. So sei eine effiziente Kommissionsarbeit möglich.

Er setzte dabei ganz auf die Eigenverantwortung seiner Kommissionsmitglieder: "Ich möchte, dass sich die Kommissare frei fühlen." Einen autoritären Führungsstil werde er nicht pflegen: "In meinem Alter fängt man keine Diktatorenkarriere mehr an."

Selbstkritik

Dabei habe er seine Ankündigung eingehalten, eine politischere Kommission als die letzte vorzustellen. "Ich habe alles getan, um Schwergewichte von den Regierungen zu bekommen", verwies Juncker darauf, vier ehemalige Premierminister und 19 einstige Minister im Team zu haben. Juncker strich dabei wiederholt die bedeutende Rolle des Niederländers Frans Timmermans heraus, der als Erster Vizepräsident oft als die rechte Hand des künftigen Kommissionschefs bezeichnet wird.

"Neun Frauen von 28 Kommissaren - das ist weiterhin lächerlich."

Juncker möchte sein angekündigtes Investitionsprogramm im Umfang von 300 Mrd. Euro implementieren. Ursprünglich hatte er dieses innerhalb der ersten drei Monate seiner Amtszeit vorgesehen: "Wir werden das noch vor Weihnachten tun - es besteht Eile." Darüber hinaus unterstrich der künftige Kommissionschef, dass er bei seiner Aussage bleibe, keinen neuen EU-Staat in den kommenden fünf Jahren aufnehmen zu wollen. Eine Niederlage gestand Juncker vor dem Parlament allerdings ein: "Neun Frauen von 28 Kommissaren - das ist weiterhin lächerlich." Diesen Punkt anzusprechen sei ihm etwas unangenehm, da auch Luxemburg keine Frau benannt habe - sondern ihn. Aber eine Geschlechtsumwandlung werde ihm kurzfristig nun einmal nicht gelingen. Langen Applaus für den künftigen Kommissionschef gab es im Parlament aber dennoch.

Juncker-Kommission: Gestalten statt verwalten

Ein letztes Mal trat Jose Manuel Barroso am Dienstag vor das EU-Parlament, um Bilanz zu ziehen. Nach zehn Jahren mit Barroso an der Spitze der EU-Kommission wird heute das Team seines Nachfolgers gewählt. Die Zustimmung des Parlaments zur Kommission von Jean-Claude Juncker gilt als Formsache.

Einiges wird sich ändern in der "EU-Regierung", wenn die Juncker-Kommission Anfang November ihre Arbeit aufnimmt. Gemessen am Tempo der Brüsseler Politik ist nachgerade eine Revolution zu erwarten.

Politiker statt Beamte

Denn von Juncker ist eine 180-Grad-Wende in der Ausrichtung der Kommission zu erwarten: Die Barroso-Kommission hat sich als Behörde verstanden, die auf Zuruf der Mitgliedsstaaten verwaltete – aber nicht gestaltete. "Wir sind Beamte, keine Politiker" – diesen Satz hat man von hochrangigen Kommissionsmitarbeitern in den vergangenen Jahren sehr oft gehört. Man darf davon ausgehen, dass Juncker ein grundlegend anderes Jobverständnis an den Tag legen und auch von seinen Kommissaren erwarten wird: Die Juncker-Kommission soll ein echter politischer Player in der Union werden.

Dazu dient die neue Struktur: Unter Juncker sollen die Kommissare in Gruppen arbeiten, die jeweils von einem der sieben Vizepräsidenten koordiniert werden. Diese haben von Juncker mehr Macht bekommen und sollen auch politisch dafür gerade stehen, was in ihrem Bereich geschieht.

Große Fragen anpacken

Das Kalkül: Durch die sieben "Cluster" sollen die Kommissare nicht mehr jeder für sich, sondern mit einem Gesamtkonzept im Rücken arbeiten. Die Vizepräsidenten wiederum sollen die Politik der Kommission nach außen verkörpern – und nach innen für eine bessere Fokussierung sorgen. Die Regulierungsflut, die es unter Barroso teilweise gab – Stichwort: Olivenölkännchenverordnung –, soll prompt gestoppt werden. Junckers Motto: "Klein bei kleinen Fragen, groß bei großen Fragen."

Und dazu passt, wie Juncker ins Amt kam: Während Barroso Kompromisskandidat eines Deals der Staats- und Regierungschefs hinter verschlossenen Türen war, wurde Juncker als Spitzenkandidat der Christdemokraten bei der EU-Wahl vom Parlament gepusht – und von den Regierungen eher widerwillig akzeptiert. Junckers Hausmacht in Brüssel liegt also weniger bei den Mitgliedsstaaten, mehr im Parlament.

Dessen Unterstützung dürfte Juncker in den kommenden Jahren wohl immer wieder brauchen: Um Reformen und mutige Entscheidungen in wichtigen Fragen zu erzielen, wird er öfter als Barroso auf Konfrontationskurs zu den Regierungen gehen müssen.

Das ist die neue EU-Kommission

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