EU

Europäische Volksparteien über die Zukunft der EU

ÖVP-Chef Mitterlehner: "Müssen neue Werte erarbeiten"
EVP zieht auf Malta Lehren aus dem britischen Austritt aus der Union

"Als es den Eisernen Vorhang noch gab, bin ich oft auf eine Anhöhe gestiegen, um die Kirchenglocken von Bayern zu hören. Sie waren für mich wie eine Schwalbe der Freiheit": Viele Politiker beschwören – wie der zitierte Delegierte aus Tschechien – auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) Mittwoch und Donnerstag in Malta die Vergangenheit.

Dass Großbritannien die EU verlässt, hat unter den Konservativen Europas Betroffenheit ausgelöst. Immerhin sind sie die führende Kraft in der EU, stellen mit Parlamentspräsident Antonio Tajani, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk die gesamte EU-Spitze. "Wir haben auch Fehler gemacht", räumt der irische Premier Enda Kenny ein. "Wir müssen aus unserer Blase hinaus und den Menschen zuhören."

Wert des Friedens

Mit der Erinnerung allein wird man für die Zukunft nicht das Auslangen finden, meint Österreichs Chef-Konservativer, Reinhold Mitterlehner: "Der Wert des Friedens ist vielen Jungen nicht mehr bewusst, die keinen Bezug mehr zu Krieg haben. Heute wissen viele nicht mehr, wofür die EU steht. Es herrscht Angst vor ökonomischem Abstieg und Angst vor Verlust der eigenen Kultur wegen der Migrationsströme. Die Antwort darauf ist, Sicherheit zu geben. Wir können nicht von den Werten der Vergangenheit allein leben, wir müssen uns neue erarbeiten."

Die Antworten, die sich durch die Redebeiträge ziehen: " Europa muss zu einer Sicherheitsunion werden." Gemeinsamer Schutz der Außengrenze, Verteidigungsunion als starke Säule in der NATO, gemeinsame Asylpolitik. Auch die von der ÖVP geforderten Asylzentren an der EU-Außengrenze wurden mit weniger als zehn Gegenstimmen angenommen.

Einen eigenen Akzent setzt Ungarns Premier Victor Orban: "Täglich sehe ich, wie türkischer, russischer und amerikanischer Einfluss auf dem Balkan wächst. Das ist schlecht. Wir müssen so schnell wie möglich Montenegro, Mazedonien und Serbien in die EU aufnehmen. Wir müssen die Außengrenze schützen und Destabilisierung vorbeugen, falls sich Millionen Flüchtlinge aus der Türkei nach Europa auf den Weg machen."

Donald Tusk warnt vor weiteren Spaltungstendenzen: "Nur ein vereintes Europa wird ein souveränes Europa sein." Jean-Claude Juncker sagt, der Brexit sei nicht das Ende: "Wir können einen Anfang daraus machen." Und mit Seitenhieb auf Donald Trump: "Wenn sich auf dem anderen Kontinent jemand über den Brexit freut und sagt, es sollen andere dem Beispiel Großbritanniens folgen, dann werden wohl auch bald Ohio oder andere dort einen Austritt anstreben."

Die EU müsse den Binnenmarkt vollenden. Außerdem sei die europäische Verteidigung im Vergleich zu den USA ein "Hühnerhaufen" und keine Kampfformation.

Applaus für Merkel

Höhepunkt des Konservativen-Kongresses ist der Auftritt von Angela Merkel, sie erhält den meisten Applaus. Die Welt sage, Europa sei aus den Fugen geraten. Das führe zur Frage nach unserer Identität. Merkel: "Die Identität ist unser christliches Menschenbild, die Individualität."

Merkel bekennt sich zur Integration des Westbalkans: "Nur, weil es uns mit 27 Mitgliedsstaaten schon zu kompliziert ist, können wir nicht dem Westbalkan die europäische Perspektive verwehren." Merkel drängt eindringlich, Europa als Wohlstandsprojekt voran zu treiben. Standing Ovations für die deutsche Kanzlerin.

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