Wie Georgien zwischen EU und Russland balanciert
Auf die KURIER-Frage, wie viele neue Jobs schafft die EU? (Mittwoch-Ausgabe) hat die EU-Kommission per Mail reagiert: Dank der Gelder des Fonds für regionale Entwicklung wurden von 2007 bis 2013 rund 770.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Über die Beschäftigungseffekte anderer milliardenschwerer Fonds (Forschung & Entwicklung, Soziales) liegt keine komplette Übersicht vor.
Auf Druck von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gibt es nun eine Finanzspritze für den Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Sozialkommissarin Marianne Thyssen hat am Mittwoch eine Milliarde Euro lockergemacht. Da Österreich nach Deutschland und den Niederlanden die drittniedrigste Arbeitslosenquote bei Jugendlichen in der EU hat, ist es somit nicht Nutznießer der Milliarde.
Noch im Frühjahr will Johannes Hahn, zuständig für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik, ein neues Konzept für die Beziehungen zu den Ländern an der Peripherie der EU vorlegen. Die bisherige Strategie gegenüber Osteuropa, dem Nahen Osten und Nordafrika hat sich als wenig erfolgreich herausgestellt.
Georgien gilt als Sonderfall und Modell. Das südkaukasische Land hat bereits Zugang zum Binnenmarkt. Die Handelserleichterungen sind Teil eines Assoziierungsabkommens mit der EU. Offiziell ist der Vertrag noch nicht in Kraft, die Mitgliedsländer müssen das Abkommen noch ratifizieren. Die Inhalte, wie Handelserleichterungen oder die politische Kooperation, gelten seit Monaten.
Das fördert eine positive EU-Stimmung im südkaukasischen Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern. "Viele Georgier sehen ihre Zukunft in Europa, alle Parteien sind für die EU-Annäherung, auch die Opposition", sagt Johannes Leitner, Leiter des Kompetenzteams Schwarzmeerregion an der Fachhochschule des bfi Wien.
Der Wirtschaftswissenschafter betont, dass Georgien "ein politisches Role Model für die gesamte Region ist". Geschickt balanciert Georgien zwischen EU-Annäherung und Aufrechterhaltung der Kontakte zum großen Nachbarn Russland. "Georgien schafft das Sowohl-als-auch." Für europäische Investoren hat Georgien Bedingungen geschaffen, die es ermöglichen, schnell und unbürokratisch ein Unternehmen zu gründen und Geschäfte aufzubauen.
"Georgien hat einige der attraktivsten geschäftlichen Rahmenbedingungen in der Region", betont Leitner. Die Wachstumsraten liegen bei sieben Prozent. Von 2014 bis 2017 erwartet Georgien EU-Förderungen in Höhe von rund 400 Millionen Euro.
Auch Österreich erwartet sich durch die EU-Annäherung Georgiens neue wirtschaftliche Kontakte. Tourismus, Logistik, Ausbau der Wasserkraft, Maschinen und Abfallentsorgung sind Investitionsbereiche für heimische Unternehmer.
Durch das Abkommen mit der EU erwartet sich Georgien aber auch einen kräftigen innenpolitischen Impuls: Visafreiheit und Handel könnten die Bewohner der abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien weg von Russland locken.
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