Nach Barroso: Wer wird nächster Kommissionschef?

Nach Barroso: Wer wird nächster Kommissionschef?
Fast alle europaweiten Spitzenkandidaten stehen schon fest. Der Kandidat der gewinnenden Parteifamilie könnte künftig auch die Kommission anführen.

Martin Schulz, Ska Keller oder auch Alexis Tsipras: Erstmals schicken die Fraktionen europaweite Spitzenkandidaten für die EU-Wahl ins Rennen. Bei den größten Parteifamilien ist das besonders spannend, schließlich liefern sich Konservative und Sozialdemokraten den jüngsten Umfragen zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins.

Doppelte Relevanz

Das Ergebnis der Europawahlen ist außerdem doppelt relevant: Nicht nur bestimmt das Wahlergebnis die Fraktionsstärke im EU-Parlament, sondern auch den nächsten EU-Kommissionschef. Noch sitzt José Manuel Barroso von den Konservativen im Chefsessel. Aber nach den Wahlen im Mai, bei denen die 751 EU-Abgeordneten bestellt werden, wird auch das Amt des Kommissionschefs neu besetzt. Bisher wurde der Präsident der Kommission vom Rat der Staats- und Regierungschefs gewählt. Jetzt dürfen sie nur noch jemanden vorschlagen – über den das Parlament dann abstimmt.

Das Ergebnis der EU-Wahl ist dafür zwar nicht bindend, doch ist es bei der Bestellung des Nachfolgers Barrosos zu berücksichtigen. Man wird also nur schwer am Kandidaten der gewinnenden Parteifamilie vorbeikommen. Nachdem keine Fraktion eine absolute Mehrheit haben wird, werden Sozialdemokraten und Konservative allerdings ein Personalpaket verhandeln und sich die Top-Positionen wohl ausschnapsen. Große Chancen auf Barrosos-Chefsessel hat der Spitzenkandidat der stimmenstärksten Fraktion aber allemal.

Spitzenkandidaten

Die meisten Fraktionen haben bereits ihre Spitzenkandidaten nominiert. So steht für die Sozialdemokraten der deutsche Martin Schulz fest, für die Grünparteien Ska Keller und José Bové. Die Konservativen wollen hingegen erst im März beschließen, wer die Fraktion im Wahlkampf anführt. Gemunkelt wird aber, dass Jean-Claude Juncker die Kandidatenliste anführen wird. Neben Juncker zeigen auch der französische EU-Kommissar Michel Barnier, der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen und Lettlands Ex-Premier Valdis Dombrovskis Interesse an einer Kandidatur. Die rechte Plattform Europäische Allianz für Freiheit ist hingegen noch gar nicht sicher, ob sie überhaupt einen Spitzenkandidaten ins Rennen schickt. Die Linke nominierte den griechischen Politiker Alexis Tsipras.

Die Kandidaten im Überblick:

Der EU-Wahlkampf verspricht bunter zu werden als je zuvor: Acht Listen treten so gut wie fix an. Die „alten“ Parlamentsparteien bekommen dabei nicht nur – wie schon bei der Nationalratswahl – von den Neos Konkurrenz, sondern auch von routinierten Einzelkämpfern, neuen Listen und Wahlbündnissen.

Am Donnerstag präsentierten KPÖ, Piratenpartei und die Plattform „Der Wandel“ den Namen ihrer bereits beschlossenen Wahlallianz: "Europa anders" . Am 1. März sollen die Mitglieder (alle drei Gruppen zusammen haben 3000) über die Kandidatenliste abstimmen. Laut KURIER-Recherchen soll der fraktionslose EU-Mandatar Martin Ehrenhauser einer der beiden Spitzenkandidaten werden.

Ehrenhauser, der 2009 für die Liste von Hans-Peter Martin antrat und sich alsbald mit diesem zerkrachte, will das noch nicht bestätigen – er wolle erst in den nächsten Tagen bekannt geben, ob und für wen er antrete.

Gerechtigkeitsfragen

Nach Barroso: Wer wird nächster Kommissionschef?
„Fakt ist aber, dass ich das Bündnis sehr sympathisch finde und es auf die eine oder andere Art unterstützen will“, sagt Ehrenhauser zum KURIER. „Ob ich dann Zettel verteile, für die Kandidaten koche oder selbst Kandidat bin, werden wir sehen.“ Als EU-Abgeordneter kann Ehrenhauser mit seiner Unterschrift das Antreten des Bündnisses bei der Europa-Wahl ermöglichen – auch ohne die sonst notwendigen 2600 Unterstützungserklärungen aus der Bevölkerung.

Welchen gemeinsamen Nenner sieht Ehrenhauser bei dem auf den ersten Blick doch recht bunten und breiten Bündnis? „Die gerechte Verteilung von Chancen, Ressourcen, Informationen und Vermögen gibt es derzeit nicht – das ist ein gemeinsamer Wunsch.“

Und wie will sich das Wahlbündnis mit einem Gerechtigkeitswahlkampf von der SPÖ absetzen, die schon im Nationalratswahlkampf auf das Thema setzte? „Was die SPÖ verspricht, gibt es nicht – siehe Millionärssteuer usw.“, sagt Ehrenhauser. „Schönen Dank für die historischen Verdienste – aber die SPÖ ist ein alter Greis, aus dem keine Zukunftshoffnung mehr wird.“

Tritt HPM wieder an?

Fix ist auch schon eine zweite neue Liste: Ewald Stadler, ehemals FPÖ und zuletzt BZÖ, tritt mit den neu gegründeten „Rekos“, den Reformkonservativen an.

Und auch Ehrenhausers ehemaliger „Chef“ Hans-Peter Martin dürfte es noch einmal versuchen; 2009 erreichte er stolze 17,7 Prozent.

Als neunte Liste könnte das Team Stronach auf den Stimmzettel kommen: Das Antreten ist offen; fix ist nur, dass der Parteigründer kein Geld dafür ausgeben will.

Die Spitzenkandidaten

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