Karas auf Platz eins, Grüne und FPÖ legen stark zu

Othmar Karas hat der VP zum Wahlsieg verholfen.
Othmar Karas verteidigt für die ÖVP trotz leichter Verluste den 1. Platz. Blaue verdoppeln Mandate, Grüne erzielen bestes Resultat.

Lange Zeit war die ÖVP in der Bredouille. Interner Zwist, schlechte Umfragewerte, ein umstrittener Obmann. Jetzt kann sie durchatmen.

Die Schwarzen waren – neben den Grünen – die Überraschung des EU-Wahlabends. Sie haben zwar leicht verloren, Platz 1 aber souverän verteidigt – damit besser abgeschnitten, als ihnen von Meinungsforschern prophezeit worden war.

Es waren wohl weniger Parteistimmen als solche für den Spitzenkandidaten. Othmar Karas hat sich im Wahlkampf ja weitgehend von der Partei absentiert. Mit "OK für Europa" hat er geworben.

Die SPÖ konnte ihr Ergebnis von 2009 halten; das Wahlziel, die ÖVP von Platz 1 zu verdrängen, hat sie aber verfehlt. Mit Eugen Freund, dem einst beliebten TV-Moderator, glaubte sie bei der EU-Wahl zu punkten. Der war selbst in den eigenen Reihen ob inhaltlicher Schwächen umstritten. Und so konnten die Roten nicht so gut mobilisieren wie der Koalitionspartner ÖVP.

Freude & Frust

Die Blauen, die die EU-Wahl zum "Denkzettel" für die rot-schwarze Regierungspolitik machten wollten, haben stark zugelegt, rangieren – wie vor fünf Jahren – auf Platz 3. Dass es viel mehr wird als die 12,7 Prozent vom letzten Mal, war vorherzusehen: Die 17 Prozent, die EU-Kritiker Hans-Peter Martin bei der Wahl 2009 bekommen hatte, waren auf dem Markt.

Die Grünen, die in Umfragen traditionell besser liegen als am Wahlabend, können sich ebenfalls freuen. Sie haben kräftig dazugewonnen, im Bund das beste Resultat ihrer Geschichte. Und sie rangieren vor den neuen Polit-Konkurrenten Neos.

Diese haben zwar mehr eingefahren als bei der Nationalratswahl im Herbst des Vorjahres; zweistellig, wie erwartet, ist das Ergebnis aber nicht. Das hat primär EU-Spitzenfrau Angelika Mlinar verhindert. Mit ungelenken Auftritten und ihrem – dann revidierten – Begehren nach Privatisierung des Wassers.

Die Kleinparteien bleiben außen vor. Martin Ehrenhauser von der Plattform "Europa anders" hat es trotz seines Aktionismus (er campierte vor dem Kanzleramt) nicht in das EU-Parlament geschafft. Auch Angelika Werthmann vom BZÖ und Ewald Stadler, Vormann der Rekos, ist gescheitert. Detto Robert Marschall, Chef von "EU-Stop".

In einem Punkt haben alle heimischen Parteien verloren – bei der Wahlbeteiligung. Schon vor fünf Jahren hatten lediglich 46 Prozent der Österreicher ihre Vertreter in der Europäischen Union gewählt, diesmal haben noch weniger abgestimmt: Laut vorläufigem Ergebnis 43 Prozent.

Der Wahltag zur Nachlese: Der KURIER-Ticker zur Europawahl.

Reaktionen: "Wunderbar" und "superhistorisch"

Wien ist anders – dieser Slogan für die Bundeshauptstadt gilt auch in Sachen EU-Wahlergebnis. Die Roten von Bürgermeister Michael Häupl, die mit den Grünen von Maria Vassilakou koalieren, rangieren auf Platz 1.
Mit knapp 28 Prozent (-0,6) haben sie ein bisschen mehr eingefahren als die ÖVP bundesweit. Hinter der SPÖ liegen die Grünen mit 20,7 Prozent (plus 3,6). Die Freiheitlichen haben in Wien zwar etwas mehr dazu gewonnen als die Ökopartei (vier Prozentpunkte. Heinz-Christian Straches Truppe wird aber von den Grünen in Wien auf Platz drei verwiesen.
Die in Wien traditionell schwächelnde ÖVP hat es auf lediglich 15,8 Prozent Zuspruch gebracht (minus 2,4). Die Neos sind auf 8,5 Prozent gekommen, damit nur knapp mehr als bundesweit.

Steiermark: Blau Nr. 2

Bemerkenswert auch das Resultat der Steiermark: Wie schon bei der Nationalratswahl, bei der die FPÖ mit 24 Prozent stimmenstärkste Partei wurde, hat die FPÖ auch diesmal ein Ergebnis geschafft, das weit über dem Bundestrend liegt: Mit 25,1 Prozent sind die Blauen nur ganz knapp von der ÖVP (25,69 %) auf Platz 2 verwiesen worden. Die SPÖ, die den Landeshauptmann stellt, hat nur den dritten Rang (22,79 %) erreicht. Ausreißer ist Graz: In der Landeshauptstadt haben die Grünen beachtliche 24,76 Prozent und damit Platz 1 ergattert.

Vorläufige Hochrechnung auf Basis der Daten von SORA inklusive Briefwahlstimmen.

Anm.: Nach Schließung der letzten Wahllokale in Europa konnte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Sonntag um 23.00 Uhr offiziell das vorläufige Endergebnis der EU-Wahl in Österreich bekanntgeben. Dieses enthält allerdings noch keine Briefwahlstimmen und keine Wahlkarten, die in "fremden" Wahlkreisen abgegeben wurden. Dieses vorläufige Endergebnis sieht so aus:

Diese werden erst am Montag ausgezählt. Das vorläufige inklusive allen Wahlkarten wird also Montagabend veröffentlicht. Noch etwas länger warten muss man auf das Vorzugsstimmen-Ergebnis. Die Innenministerin hat es für Mittwoch angekündigt.

Wahlberechtigt waren 6,410.526 Österreicher und EU-Bürger. Abgegeben wurden (ohne Briefwahl und Wahlkarten aus "fremden" Wahlkreisen) 2,550.145 Stimmen, 2,470.218 waren gültig. Die ÖVP verteidigte mit 673.315 Stimmen bzw. 27,3 Prozent den ersten Platz. Die SPÖ blieb Zweite mit 598.194 Stimmen bzw. 24,2 Prozent. Die FPÖ wurde - anstelle des nicht mehr angetretenen Hans-Peter Martin - Dritte mit 506.460 Stimmen (20,5 Prozent). Die Grünen schafften mit 343.743 Stimmen (13,9 Prozent) ihr bestes Bundeswahl-Ergebnis je. Die NEOS kamen bei ihrer ersten EU-Wahl auf 188.039 Stimmen (7,6 Prozent).

Damit stellen SPÖ und ÖVP künftig fünf EU-Abgeordnete, die FPÖ vier, die Grünen drei und die NEOS einen.

Das BZÖ flog mit 11.748 Stimmen (0,5 Prozent) aus dem EU-Parlament. Ewald Stadler (der bisher auf dem BZÖ-Mandat saß) muss sich verabschieden, denn er kam mit seiner Liste REKOS nur auf 29.751 Stimmen (1,2 Prozent). Die KPÖ-Piraten-Wandel-Wahlplattform Europa Anders verfehlte mit 51.793 Stimmen (2,1 Prozent) den Einzug. Am besten unter den Kleinparteien schnitt EU-Stop ab, mit 67.175 Stimmen (2,7 Prozent). Aber auch das war zu wenig für ein Mandat: Denn es gilt eine Hürde von vier Prozent und für eines der 18 EU-Mandat ist sogar mehr, nämlich an die fünf Prozent, Stimmenanteil nötig.

Detailergebnisse aus den Bundesländern finden Sie hier.

"Im Wahlkampf habe ich mich wie im Paradies gefühlt", resümierte VP-Spitzenkandidat Othmar Karas noch vor wenigen Tagen. Jetzt sagt er: "Ich schwebe auf Wolke 21." (siehe Interview unten) Er hat die EU-Wahl mit 27,3 Prozent gewonnen, wenn auch mit leichten Verlusten und einem Mandat weniger.

Kurz vor Bekanntgabe der ersten Hochrechnung marschierte das ÖVP-Bundesregierungsteam unter großem Applaus auf die kleine Bühne in der ÖVP-Parteizentrale. "Wir wollen von dem Ergebnis viel Kraft für die Arbeit der Bundespartei mitnehmen", sagte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel. Und er dankte den schwarzen Wahlhelfern, die "trotz einer schwierigen Stimmung" für ÖVP und Karas warben. Karas marschierte wenig später gemeinsam mit VP-Chef Michael Spindelegger auf die Bühne. "Wir haben alle Wahlziele erreicht. Es ist ein wunderschöner Tag", erklärte Karas strahlend. Nun hat der in der Parteispitze lange ungeliebte EU-Politiker beste Chancen auf höhere Weihen – in Österreich als auch in den Europäischen Institutionen. Will er EU-Kommissar werden? Hat er Chancen auf das Amt des EU-Parlamentspräsidenten? Karas sagte dazu am Wahlabend nichts. Er will erst einmal seinen Sieg feiern.

Was das Ergebnis für die Partei bedeutet, wird wohl heute Mittag beim Bundesparteivorstand besprochen. Die ÖVP wird sich aber schwer tun, Karas wie bisher von innenpolitischen Gefilden fernzuhalten. Karas hat schließlich für die ÖVP bereits die zweite EU-Wahl gewonnen. 2009 konnte er einen Rekord von mehr als 100.000 Vorzugsstimmen für sich verbuchen. Doch mit dem Wahlsieg am Sonntag ist der 1957 in Ybbs geborene Karas am vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere.

Der Karas-Effekt

Dem Spitzenkandidaten muss man zugute halten, dass er einen fehlerlosen Wahlkampf geführt hat. Er galt als der Kandidat mit der weitaus größten EU-Kompetenz. Angriffe vor allem aus dem freiheitlichen Lager, die Karas als EU-Pfarrer zu diffamieren versuchten, gingen ins Leere. Karas hatte im Vorfeld der Wahl Coachings absolviert, um weniger wie ein EU-Technokrat und mehr wie ein Mann des Volkes zu wirken. Das hat offenbar funktioniert.

Karas kann sich aber auch bei den Landesparteien bedanken: Die Mobilisierung in den ländlichen Regionen klappte besser als bei allen anderen Parteien. "Die Volkspartei Niederösterreich hat einen wesentlichen Beitrag zum klaren Platz eins für die ÖVP geleistet" , kommentierte der mächtigste der VP-Landeschefs, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

Dabei spielte der Volkspartei aber auch in die Hände, dass EU-Befürworter eher bereit waren, zur Wahl zu gehen, als EU-Gegner. Und anders als bei der Nationalratswahl 2013 blieben die Neos mit Spitzenkandidatin Angelika Mlinar diesmal blass und fehleranfällig.

Als erstes ging Othmar Karas am gestrigen Wahlsonntag mit Ehefrau Christa und Sohn Gabriel in die Kirche. Dann gab er im 19. Bezirk auf der Hohen Warte seine Stimme ab, anschließend ging er nach Hause zum Mittagessen. Wenig später trudelten die ersten internen, überraschend guten Wahlprognosen ein. Die ÖVP-Wahlexperten errechneten ab 13.30 Uhr mehr als 27 Prozent Stimmenanteil.

Dem KURIER gibt Karas sein erstes Interview zum Wahlerfolg. "Ich schwebe auf Wolke 21", jubelt der ÖVP-Spitzenkandidat. "Ich danke allen, die mich unterstützt haben – in der Partei und weit über die Partei hinaus".

Die Frage, wie viel "Karas-Effekt" in diesem Erfolg steckt, beantwortet der Spitzenkandidat so: "Als ich in den Wahlkampf gestartet bin, lag die ÖVP in den Umfragen auf Platz 3. Alle Umfragen haben gezeigt, dass ich bei einer Direktwahl des Spitzenkandidaten haushoch gewonnen hätte. Außerdem weiß ich aus den ersten Wahltagsbefragungen, dass ich als einziger Spitzenkandidat ein Wahlmotiv war."

Gefragt nach seinem Erfolgsrezept sagt Karas: "Ich habe den Wahlkampf so geführt, wie ich arbeite: mit Kompetenz Europa gestalten. So habe ich es in den letzten Jahren gemacht, und das werde ich weiter machen."

An welcher Position Karas in Zukunft Europa gestalten will – ob er sich etwa für den Präsidenten des EU-Parlaments bewerben werde oder für den Kommissarsposten – verrät Karas noch nicht: "Ich werde diesen Erfolg jetzt einmal genießen."

Aber dass diesbezüglich noch etwas von ihm zu erwarten ist, macht er klar: "Mein Team und ich gehen gestärkt aus dieser Wahl hervor, und wir werden überlegen, was wir aus dieser Stärke machen. Es ist heute erst das vierte Mal seit 1966 , dass die ÖVP bei einer bundesweiten Wahl stärkste Partei wurde."

Gemeint: Ursula Stenzel (EU-Wahl 1999), Wolfgang Schüssel (Nationalratswahl 2002), Othmar Karas/Ernst Strasser (EU-Wahl 2009), Karas (EU-Wahl 2014).

Drei Viertel für Europa

Das Wahlergebnis insgesamt interpretiert Karas als Kompliment für die Österreicher: "Drei Viertel der Wähler haben für eine konstruktive Europapolitik gestimmt. Dieses Wahlergebnis ist eine Absage an den Protest gegen Europa. Ich werde das auch bei allen internationalen Diskussionen sagen, dass in Österreich die FPÖ zwar dazu gewonnen hat, aber dass sie das Potenzial der ehemaligen Martin-Liste bei weitem nicht ausschöpfen konnte."

Karas Ratschlag an die Politik: "Man soll nicht immer wie das Kaninchen auf die Schlange starren, auf die FPÖ und den Rechtspopulismus. Es zahlt sich aus, unbeirrt einen proeuropäischen Kurs zu halten und konstruktiv für Europa zu arbeiten."

Auf den ersten Blick können die Freiheitlichen zufrieden sein: Plus 6,8 Prozentpunkte, die Mandatszahl im EU-Parlament von zwei auf vier verdoppelt – noch dazu bei einer Wahl, die die eigenen Stammwähler nachweislich nicht sonderlich interessiert.

"Das ist ein guter Tag für Österreich", sagte Generalsekretär Herbert Kickl zu den 19,5 Prozent. Im Unterschied zu anderen Wahlwerbern sei die FPÖ eine "dynamische Zuwachsbewegung"; zur Kanzler-Partei SPÖ sei man auf "Schlagdistanz".

Die blaue Strategie, die EU-Wahl zum innenpolitischen "Denkzettel"-Votum umzudeuten, ist vollends aufgegangen, scheint es.

Doch bei genauerer Betrachtung können Strache, Kickl und Konsorten nicht zufrieden sein.

Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass die Freiheitlichen nicht an jene Ergebnisse anschließen konnten, die ihnen via Sonntagsfrage zuletzt in Aussicht gestellt worden waren. Seit Wochen befinden sich die Regierungsparteien im Stimmungstief, das Hypo-Desaster und die verkorkste Kommunikation der Budget-Pläne haben besonders den Freiheitlichen geholfen. Bis zu 27 Prozent Zustimmung hatte die FPÖ kürzlich in seriösen Umfragen erzielt – davon war man am Sonntag dann doch ordentlich entfernt.

Weitaus enttäuschender ist aus freiheitlicher Perspektive freilich ein Blick auf das Wahlergebnis 2009: Damals schafften die EU-kritischen Parteien insgesamt 35 Prozent, allein Hans-Peter Martin, der diesmal gar nicht angetreten war, hatte 17,7 Prozent geschafft. Hätte die FPÖ nur die Hälfte der "frei gewordenen", EU-kritischen Martin-wähler abgeholt, sie hätten mehr zulegen können.

Weitgehend unumstritten ist in der FPÖ , dass der gefallene Spitzenkandidat Andreas Mölzer die Freiheitlichen Sympathien und Stimmen kostete.

Mitten im Wahlkampf wurde ein Auftritt Mölzers publik, in dem er die Union als "Negerkonglomerat" verunglimpfte. Parteichef Heinz-Christian Strache zwang Mölzer zum Rücktritt, für den Wahlkampf war die Demontage aber Gift. Und so sprach Strache am Wahlabend von einem "Wermutstropfen" – "bei einer höheren Wahlbeteiligung wäre noch mehr möglich gewesen".

Dass sie derart abräumen, damit hatten die Grünen am Sonntag ganz offenkundig nicht gerechnet. Und weil die Begeisterung so richtig groß und das Ergebnis ganz offenkundig überraschend kam, entschied die Parteispitze Sonntagabend kurz vor acht Uhr abends, dass bei der Wahlparty etwas passiert, was es so nur selten gibt: Die Grünen schenkten Freibier aus.

Überall glückliche Gesichter, Feierlaune – den ganzen Nachmittag schon hatte es Jubelrufe gegeben, sobald wieder tolle Teil-Ergebnisse hereinkamen. ",15’, das schaut so komisch aus", sagte eine Grüne Sympathisantin nach einer der Hochrechnungen, die den Grünen in Bundesländern wie Wien und Vorarlberg hervorragende Ergebnisse beschieden, ungläubig.

Am Abend lagen die Grünen bei 15,1 Prozent der Stimmen (Hochrechnung samt Briefwahlstimmen). Das ist für die Grünen das beste Ergebnis, das sie je bei einer bundesweit bedeutenden Wahl erreicht haben. Bei der EU-Wahl 2004 waren sie auf 12,9 Prozent gekommen. Damit dürfte sich ein Traum Ulrike Lunaceks, die heute Geburtstag feiert, erfüllen: Ein drittes Mandat.

Eva Glawischnig, die auch zum Fest kam, fiel Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek um den Hals; hernach wurde den – vermutlich – drei zukünftigen Mandataren – neben Lunacek, Michel Reimon aus dem Burgenland und Monika Vana, Langzeit-Gemeinderätin in Wien, ein lautstarker Dauerapplaus geschenkt.

Auftrag für Vorarlberg

"Ich habe bei weitem nicht mit diesem Ergebnis gerechnet", sagte Glawischnig. Vor allem Vorarlber, wo die Grünen hinter der ÖVP Platz zwei erreichten, gebe es nun für die im September stattfindenden Landtagswahlen einen klaren Auftrag: "Wir müssen dort für die Option einer Regierungsbeteiligung wahlkämpfen." Zum Erfolg der Grünen sagte Lunacek : "Wir haben einen Themenwahlkampf geführt, der darauf angelegt war, Europa besser zu machen. Und wir sind als Grüne insgesamt stark aufgetreten." Den Vorwurf, dass die Grünen mit einer populistischen Kampagne gepunktet hätten, wies sie zurück.

"Das Ziel war, stärker zu werden – und das haben wir geschafft. Das ist schön", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampf-Manager Norbert Darabos. Außerdem: Die ÖVP habe verloren.Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek frohlockte gar: "Wir haben fünf Mandate. Ich freue mich wirklich sehr. Eugen Freund war ein super Spitzenkandidat."

So euphorisch sahen freilich nicht alle Roten das Ergebnis. Mit 23,8 Prozent gab es nur ein Mini-Plus im Vergleich zur für die SPÖ ohnehin schon ausnehmend ernüchternden EU-Wahl 2009.

"Kein Hurra"

Im Unterschied zu anderen Funktionären gab sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer nüchtern: "Platz 2 ist Platz 2." Man könne nicht sagen "Alles Hurra".

Wiens Bürgermeister Michael Häupl machte aus seinem Gram kein Hehl: "Platz 1 wäre mir lieber gewesen, aber andere Bäume sind auch nicht in den Himmel gewachsen." Der grantelnde Stadtchef meinte damit, dass die Neos schlechter als erwartet abgeschnitten haben.

Freund selbst sah ein "achtbares Ergebnis". War der Ex-ZiB-Moderator der ideale Frontmann? Hundstorfer: "Er war bekannt, und wir haben geglaubt, mit seiner Erfahrung und seinem Gesicht kann man etwas gewinnen. Jetzt haben wir zumindest ein kleines Plus." Rückendeckung klingt anders. War der Wahlkampf der SPÖ richtig angelegt?

"Man hätte mehr herausarbeiten müssen, dass es eine Richtungswahl zwischen Konservativen und Sozialdemokraten war", sagte Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Freund beklagte, es sei zu wenig Zeit gewesen, um die EU zu erklären.

Hinter vorgehaltener Hand hörte man anderes. "Die ÖVP ist für EU, die FPÖ dagegen. Wir sind irgendwo dazwischen", erläuterte ein SPÖ-Insider das Dilemma seiner Partei. Ex-SPÖ-Manager Josef Kalina befand: "Diese Wahl ist den Leuten eher wurscht." Kanzler Werner Faymann gab dennoch die Parole aus: "Beim nächsten Mal müssen wir Erste werden."

Es sollte eine "Fête Pink" werden. Die Wiener Event-Hotspot Volksgarten war angemietet. Im Clubbing-Ambiente bei chilliger Loungemusik und vielen pinken Luftballons wollten die Neos auf ein zweistelliges Ergebnis und zwei Mandate im EU-Parlament anstoßen – nur Partystimmung kam nie auf. Als Spitzenkandidatin Angelika Mlinar im Volksgarten erschien, waren nur wenige Neos-Fans zu motivieren, Mlinar auf der Bühne zu feiern. Viele blieben lieber im Gastgarten beim Spritzer sitzen.

Denn 7,9 Prozent und ein EU-Mandat sind zwar ein respektables Ergebnis für das zweite Antreten bei einer bundesweiten Wahl. "Bäume wachsen, aber nicht so schnell. Man weiß jetzt, wir sind ein politischer Faktor, mit dem man rechnen muss. Aber wir hatten uns mehr erwartet. Zehn Prozent wäre schön gewesen", kommentierte Neos-Klubobmann Matthias Strolz das Wahlergebnis. Kosteten die zahlreichen Fettnäpfchen von Spitzenkandidatin Angelika Mlinar den Neos wichtige Wählerstimmen?

"Kleine Bitternis"

Zur Erinnerung: Als Neos-Frontfrau bei der ORF-Elefantenrunde einer fiktiven Pensionisin erklären sollte, welche Vorteile die EU bringt, entrutschte Mlinar ein "Scheiße, das ist echt schwierig". Als sie über die Privatisierung von Wasser sinnierte, bot Mlinar eine willkommene Angriffsfläche. "Ein kleine Bitternis ist dabei. Ich wäre gerne zu Zweit in Brüssel ", so Mlinar.

Direkte Kritik an Mlinar wollte Strolz nicht üben. "Das Ergebnis gehört uns allen. Bis jetzt waren die Neos die Lieblinge. Wir waren es nicht gewohnt, medial angegriffen zu werden", analysierte Strolz den holprigen Wahlkampf .

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