Deutlicher Wahlsieg für Europas Konservative

Der nächste EU-Kommissionspräsident? Jean-Claude Juncker von der EVP
Klarer Vorsprung der EVP. Die Wahlbeteiligung EU-weit lag wie 2009 bei 43 Prozent.

Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), ist der strahlende Sieger der Europa-Wahl. Mit 212 Mandaten (Stand Montagfrüh) verwiesen die Konservativen die Sozialdemokraten, die auf 186 Abgeordnete kamen, auf Rang zwei. Die Liberalen sanken von 83 auf nunmehr 70 Abgeordnete. Die Grünen konnten dagegen um einen Sitz auf 55 Mandate zulegen.

Juncker ahnte seinen Sieg schon Sonntagnachmittag, hielt sich aber höflich zurück. "Ich bin froh, dass man in der Europäischen Union demokratisch und frei wählen kann. Das ist nicht in jedem Land der Welt der Fall", sagte er gegenüber dem KURIER. Am Abend war der Vorsprung der Konservativen und Christdemokraten schon eindeutig. Das veranlasste Juncker, der im Wahlkampf nie schrill gegenüber seinem sozialdemokratischen Herausforderer Martin Schulz aufgetreten war, den Anspruch auf den Präsidenten der Europäischen Kommission zu stellen. "Ansonsten ist diese Wahl ja keine richtige Wahl gewesen", sagte er in Brüssel in der Parteizentrale der EVP.

Er forderte die Staats- und Regierungschefs auf, das Ergebnis ernst zu nehmen und dabei auf das Parlament zu achten.

Martin Schulz tat sich am Abend schwer, das Ergebnis anzuerkennen. Er wolle um das Amt des Kommissionspräsidenten kämpfen. Schließlich hänge es von einer Mehrheit im Europäischen Parlament ab.

Informelles Abkommen

Die beiden großen Fraktionen im Parlament – EVP und Europäische Sozialdemokraten – haben sich im Vorfeld der Wahl informell darauf verständigt, dass der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion neuer Kommissionspräsident werden soll. Das Vorschlagsrecht für den Posten liegt jedoch bei den EU-Staats- und Regierungschefs, doch muss der Chef der Brüsseler Behörde zwingend auch vom 751-köpfigen Europaparlament mit absoluter Mehrheit (376 Stimmen) gewählt werden.

Die ersten Konsequenzen aus dem Resultat der EU-Wahlen werden die Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel am Dienstagabend ziehen. Sie kommen zu einem Abendessen in Brüssel zusammen und werden die Weichen für die Nominierung des Kandidaten und für andere EU-Top-Jobs stellen.

Alle Blicke Europas waren Sonntagabend auf das Parlament gerichtet, wo die Resultate aller 28 Mitgliedsländer gesammelt wurden. Sie durften erst nach dem Schließen der letzten Wahllokale in Italien – hier konnte man bis 23.00 Uhr wählen – veröffentlicht werden.

Wen das Brüsseler Geschehen nicht mehr sonderlich tangiert, ist der noch amtierende Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er verlässt nach zwei Perioden Brüssel und kehrt nach Lissabon zurück.

43 Prozent nahmen teil

Große Euphorie war am Wahlsonntag bei den rund 400 Millionen Stimmbürgern in der EU aber nicht zu spüren. Die Wahlbeteiligung blieb in etwa gleich wie im Jahr 2009, wo sie bei 43 Prozent lag. Gerade in einigen osteuropäischen Ländern, die 2004 EU-Mitglied wurden, blieben die Wähler in Scharen zu Hause. Begeisterung für die EU und für die Arbeit des Europäischen Parlaments schaut anders aus.

Die genaue Wahlbeteiligung wird man erst heute Abend wissen, wenn die Wahlkarten in allen Mitgliedsländern ausgezählt sind.

In sieben Ländern konnten die Wahlbürger schon in den vergangenen Tagen wählen, mit der Veröffentlichung der Resultate mussten sie aber warten.

Insgesamt waren in 28 Ländern rund 400 Millionen Menschen dazu aufgerufen, über 751 Abgeordnete zu bestimmen. Auch die Spitzenkandidaten von EVP und SPE, Juncker und Schulz, konnten der EU keine Flügel verleihen. Sie verstehen das Geschäft, sind alte Hasen in Brüssel, doch die Wahlbeteiligung konnten sie kaum steigern.

Fraktionswechsel

Welche von den beiden großen Fraktionen EVP und SPE letztendlich die meisten Mandate hat, wird sich am Mittwoch zeigen. Dann nämlich werden die Fraktionen gebildet, einige kleinere Parteien haben schon angedeutet, wechseln und sich einer anderen Fraktion anschließen zu wollen. Die Frage ist auch, wohin die Tories gehen, sie waren zuletzt nicht bei der EVP, sondern gehörten der EU-skeptischen konservativen Fraktion ECR an.

In Deutschland kam es Sonntag zum ersten Streit zwischen CDU/CSU und SPD. Beide Parteien beanspruchten den Kommissionspräsidenten. Für den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger muss Juncker Kommissionspräsident werden, das sei eine "logische Folge". In nächster Zeit, so ein Insider, "wird es in der EU-Zentrale und in den Parteibüros noch hektisch werden".

Deutlicher Wahlsieg für Europas Konservative

Im bevölkerungsreichsten EU-Staat Deutschland gab es Verluste für regierende Union und deutliche Zugewinne für die Sozialdemokraten. Ersten Prognosen von ARD und ZDF zufolge lag die Union mit 35,3 zu 27,3 Prozent vor der SPD.

Allerdings schaffte auch die Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) auf Anhieb den Einstieg ins EU-Parlament und kam aus dem Stand auf 7 Prozent. Die Grünen schnitten mit 10,7 Prozent relativ stark ab, die Partei die Linke konnte sich mit 7,4 Prozent dagegen nicht verbessern. Die beiden Parteien sind derzeit die einzigen Oppositionsgruppen im Deutschen Bundestag. Die FDP kam auf schlappe 3,4 Prozent. Mehr zum Abschneiden der AfD lesen Sie hier.

Deutlicher Wahlsieg für Europas Konservative
Angela Merkel.

In Griechenland wurde die linksgerichtete Syriza laut ersten Prognosen mit 26 bis 30 Prozent stärkste Partei. Ihr Spitzenkandidat ist gleichzeitig Spitzenkandidat der europäischen Linken, Alexis Tsipras.

Die zusammen mit den Sozialisten regierende konservative Nea Dimokratia landete laut Prognosen mit 23 bis 25 Prozent auf dem zweiten Platz. Drittstärkste Kraft könnte demnach die rechtsradikale und rassistische Goldene Morgenröte mit acht bis zehn Prozent werden, wie das griechische Fernsehen weiter berichtete.

Die rechtsextreme Front National (FN) ist bei der Europawahl in Frankreich zur stärksten Partei geworden. Nach ersten Exit Polls mehrerer Meinungsforschungsinstitute erzielte die Partei von Marine Le Pen 25, 4 Prozent und hängte damit sowohl die Konservativen als auch die regierenden Sozialisten deutlich ab.

Die konservative UMP kommen demnach auf knapp 21 Prozent. Die Sozialisten des amtierenden Präsidenten Francois Hollande landen mit 14,5Prozent weit abgeschlagen auf dem dritten Platz.

Präsident Hollande will nun "die Lehren" aus diesem "bedeutenden Ereignis" ziehen. Der Elysee-Palast kündigte am Sonntagabend in Paris ein Treffen Hollandes mit Premier Manuel Valls und weiteren Ministern für Montagfrüh an. Die regierenden Sozialisten landeten mit gut 14 Prozent lediglich auf dem dritten Platz.

Mehr zum Abschneiden der Rechten in Frankreich lesen Sie hier.

In Italien zeichnet sich ein klarer Sieg der Demokratischen Partei (PD) um den seit Februar amtierenden Premier Matteo Renzi ab. Die Mitte-Links-Gruppierung kam laut La Repubblica auf 40,8 Prozent der Stimmen, die populistische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo auf 21,1 Prozent.

Die konservative Oppositionspartei Forza Italia um den wegen Steuerbetrugs verurteilten Ex-Premiers Silvio Berlusconi müsste sich mit 16,8 Prozent der Stimmen begnügen. Die Europawahl galt in Italien als erster großer Test für Renzi rund 80 Tage nach seinem Amtsantritt.

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Matteo Renzi: Er traut sich die Regierungsmacht zu

Auch in Dänemark liegen die Rechtspopulisten bei den Europawahlen am Sonntag in Führung. Die Dänische Volkspartei (DF) lag laut politiken.dk mit mehr als 26 Prozent knapp vor den Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt mit 19,1 Prozent und der liberalen "Venstre"-Partei.

Demnach kämen sowohl die DF als auch die Sozialdemokraten jeweils auf drei Mandate. Bisher hatte ein DF-Abgeordneter im Europaparlament gesessen.

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