Kanzler will Direktwahl des Kommissonschefs

Faymann hat mit Juncker gemeinsame Projekte vereinbart und ihn nach Österreich eingeladen.
Werner Faymann will "keinen Rückschritt" bei der Bestellung von Spitzen-Jobs in der EU zulassen.

KURIER: Herr Bundeskanzler, nach der Juncker-Nominierung zum Kommissionspräsidenten gibt es die Ankündigung – auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel – Personalentscheidungen wieder einstimmig zu fällen. Sind der europäische Wähler und die europäische Demokratie jetzt die großen Verlierer?

Werner Faymann: Jetzt hat der europäische Wähler gewonnen. Was man vor der Wahl versprochen hat, ist eingehalten worden. Der Spitzenkandidat der stärkeren Partei, nämlich Jean-Claude Juncker, wurde als Kommissionspräsident nominiert. Vereinbart ist, dass das Unbehagen, das über das System Spitzenkandidat aufgekommen ist, aufgearbeitet wird. Für mich ist undenkbar, dass man hier einen Rückschritt macht. Ich kann mir eine Vertragsänderung für die Direktwahl des Kommissionspräsidenten vorstellen, einen Rückschritt in der Sache schließe ich aus.

Werden beim Sondergipfel am 16. Juli in Brüssel alle weiteren Top-Jobs besetzt?

Bis zum 16. Juli ist geplant, die Personalfrage über den Hohen Beauftragten und den Ratspräsidenten zu diskutieren und zu entscheiden. Besonders wichtig ist jetzt aber das Arbeitsprogramm der Kommission. Wir müssen die Spielräume, die es in den Verträgen gibt, für mehr Investitionen nützen. Das wird die zentrale Auseinandersetzung werden. Am 16. Juli kommt der neue Kommissionspräsident Juncker zum Europäischen Rat (er wird an diesem Tag vom EU-Parlament gewählt, eine Mehrheit gilt als sicher, Anm.). Beim Treffen mit Juncker wird die Frage Wachstum und Beschäftigung im Vordergrund stehen. Die Einhaltung von Regeln heißt auch die Einhaltung wachstumsfördernder Maßnahmen. Es gibt nicht nur einen Stabilitäts-, sondern auch einen Wachstumspakt. Dieser ist bisher stiefmütterlich behandelt worden.

Gibt es in der EU Konsens darüber?

Es gibt einige Neo-Liberale, denen es reicht, wenn die Staatsverschuldung eingedämmt wird, sie gewöhnen sich an die hohe Arbeitslosigkeit. Sozialdemokraten und Christlichsoziale sehen das anders. Einstimmigkeit sehe ich keine, es gibt aber eine Mehrheit für Wachstum. Was wir für die Bankenrettung gemacht haben, müssen wir endlich auch für Menschen tun.

Juncker sucht Frauen für sein Team. Wird am Dienstag beim Ministerrat Johannes Hahn als EU-Kommissar nominiert?

Die Tagesordnung wird am Montag festgelegt. Hahn hat gute Arbeit gemacht. Die Erreichung der Frauen-Quote ist ein wichtiges Thema und wird noch viele Diskussionen auslösen. Das Europäische Parlament nimmt das sehr ernst.

Stimmt es, dass Österreich das Binnenmarkt-Dossier angeboten wurde?

Es gibt noch keine Diskussion darüber. Vorstellbar ist, dass Hahn für denselben Bereich weiterhin zuständig ist (Regionalpolitik).

Eine Frage zu Österreich: Das Wirtschaftswachstum geht zurück, was wollen Sie dagegen tun?

Wir haben nur die Möglichkeit, die Wirtschaft durch Forschung, Entwicklung und Innovation zu unterstützen und auf die Kaufkraft der Österreicher zu achten. Dazu gehört, Steuern auf Arbeit zu senken. Das ist ein Beitrag zur Wachstumsförderung. Die Kaufkraft hat uns während der Krise sehr geholfen ebenso wie die Unternehmensstruktur von kleinen und mittleren Betrieben. Darauf müssen wir aufbauen. Ich gehe von einer Steuersenkung im Jahr 2015 aus. Da gibt es den Plan des Vizekanzlers, das Paket im März 2015 ins Parlament zu bringen und im Juli zu beschließen. In der Sache wird es darüber aber noch heftige Diskussionen geben.

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