Antonio Tajani ist neuer EU-Parlamentspräsident

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani
EVP-Kandidat und Favorit Antonio Tajani hat die Stichwahl gewonnen und ist neuer EU-Parlamentspräsident.

Antonio Tajani entschied die Stichwahl gegen seinen Kontrahenten der Sozialdemokraten, Gianni Pitella, mit 351 zu 282 Stimmen für sich. 80 Stimmen waren ungültig. Drei Wahlgänge hatten zuvor keine Ergebnis gebracht.

"Ich beglückwünsche Sie von Herzen zu ihrer Wahl. Ich wünsche Ihnen bei der Ausübung des Amtes eine gute Hand und viel Erfolg", sagte Martin Schulz, der nunmehrige Ex-Präsident des Parlaments, bevor er das Amt an Tajani übergab.

"Ich möchte dieses Ergebnis den Opfern des Erdebebens widmen, das in meinem Land stattgefunden hat", sagte Tajani gleich nachdem er Schulz gedankt hatte. Sein kurzes Anfangsstatement schloss er mit den Worten: "Morgen werden wir wieder gemeinsam weiterarbeiten für das Wohl unserer Bürger. Ich werde versuchen, mein Bestes zu leisten."

Ex-Pressesprecher von Berlusconi

Der 63 Jahre alte Jurist aus Rom gehört der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi an und war einst dessen Pressesprecher. Tajani sitzt seit 1994 im Europaparlament und ist seit 2014 einer der 14 Vizepräsidenten. Zwischendurch war er zweimal EU-Kommissar. Aus dieser Zeit hängen im Fragen nach, ob er zu nachsichtig mit der Autoindustrie und deren Erfüllung von Abgasstandards war.

"Ich will ein Sprecher sein, der für das Parlament arbeitet, für die Bürger und für jedes einzelne Mitglied des Parlaments", sagte der Italiener im vergangenen Dezember, kurz nach seiner Kür als Kandidat der Christdemokraten, gegenüber Journalisten. "Wir müssen Brücken bauen mit anderen politischen Gruppen gegen den Populismus", sagte Tajani weiter.

Der Kampf gegen die Verschuldung und die Jugendarbeitslosigkeit, Einsatz für Wirtschaftswachstum und Strategien zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sind die Hauptanliegen Tajanis. Dabei wolle er sich dem ewigen Duell zwischen Befürwortern der Sparpolitik und Austeritätsgegnern entziehen. "Wenn man die Verschuldung reduziert, kann die Wirtschaft besser wachsen. Zugleich kann man aber auch sagen: Wenn die Wirtschaft wächst, fließen mehr Steuergelder in die Staatskassen, was wiederum zum Abbau der Verschuldung beiträgt", sagte Tajani.

Erster Italiener

Kein Italiener habe bisher jemals das Amt des EU-Parlamentspräsidenten besetzt. "Dabei wäre es meiner Ansicht nach wichtig, dass ein Südeuropäer diesen Posten übernimmt. Ein EU-Parlamentspräsident aus Südeuropa wäre ein Zeichen des Interesses für diesen Teil unseres Kontinents."

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise drängt Tajani die EU zu Strategien für Afrikas Entwicklung. "Das wahre Problem Europas ist Afrika. In den nächsten Jahrzehnten droht Europa eine biblische Einwanderung. Millionen von Personen auf der Flucht vor Kriegen, Hunger und klimatischen Veränderungen werden versuchen, nach Europa zu strömen. Die EU muss ernsthaft in Afrika investieren, nicht nur einige Millionen, sondern Milliarden, damit Afrika wachsen kann", so Tajani.

"Parlament wird blasser"

Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas sagte, jetzt gehe es darum, alle proeuropäischen Kräfte zu vereinen und eine entschlossene, gemeinsame Antwort auf die Erklärungen zum Brexit, zu Donald Trump und Wladimir Putin zu geben. "Die zwischen der Europäischen Volkspartei und den europäischen Liberalen vereinbarte proeuropäische Zusammenarbeit bietet eine gute Grundlage dafür", so der Europapolitiker.

Die SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner meinte dagegen, mit Tajani werde das Parlament "blasser". Sie kritisierte vor allem die "Umstände der Wahl" als "Makel". In einem nächtlichen Hinterzimmerdeal hätten EVP und Liberale einen "Postenschacher durchgezogen". Regner bemängelte, dass Tajani in Gleichstellungsfragen für ein rückständiges Frauenbild stehe. Im EU-Parlament habe er gegen die körperliche Selbstbestimmung der Frau und das Recht auf Abtreibung gestimmt. Auch sei er gegen den Schutz von Whistleblowern.

Cornelia Ernst von der Linken Fraktion sieht das EU-Parlament mit Tajani zurück in die Vergangenheit rudern. Der grüne Mandatar Reinhard Bütikofer wollte das Versprechen Tajanis ernst genommen wissen, in fairer Weise für alle Abgeordneten zu arbeiten. "Daran werden wir ihn messen."

Zerfall der Großen Koalition

In den ersten drei Wahlgängen hatte es neben Tajani und Pitella noch vier weitere Kandidaten gegeben. Es waren Helga Stevens von der Konservativen und Reformer (EKR), die Grüne Gene Lambert, Eleonora Forenza von der Linken und Laurentiu Rebega von der rechtspopulistischen "Europa der Nationen und Freiheit" (ENF). Zuvor hatte der siebente Kandidat, Liberalen-Chef Guy Verhofstadt, seine Kandidatur zurückgezogen und die Unterstützung für Tajani bekundet.

Dies war auch der Auftakt zum Zerfall der bisherigen Großen Koalition im EU-Parlament. Sie wird durch ein Bündnis zwischen EVP und Liberalen abgelöst, die damit eine Reform der EU und die proeuropäischen Kräfte stärken wollen.

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