EU-Parlament will Türkei-Beitrittsverhandlungen einfrieren

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Hahn: Besorgniserregende Entwicklung. Estnischer Ratsvorsitz: Türkei ist Schlüsselpartner für EU. Abstimmung am Donnerstag.

Das EU-Parlament fordert ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn sprach Mittwoch bei der Debatte darüber im Europaparlament in Straßburg von einer besorgniserregenden Entwicklung.

Er teile die Bedenken des EU-Parlaments. Die EU bleibe aber bei ihren finanziellen Verpflichtungen gemäß der Flüchtlingsfazilität. Aber "unsere Gesamtbeziehungen können nur vorankommen, wenn es eine klare Verbesserung der internen Situation der Türkei gibt". Die EU werde sicherlich "keine Torpfosten in irgendeine Richtung verschieben. Wir beobachten genau die Rechtsstaatlichkeit und was mit den Grundfreiheiten passiert", so Hahn. Er verwies darauf, dass einige hungerstreikende Inhaftierte vom Tod bedroht seien.

Die Berichterstatterin zum jährlichen Türkei-Bericht, Kati Piri, verurteilte die Inhaftierung von 50.000 Menschen nach dem gescheiterten Militärputsch. "Wir dürfen nicht wegschauen, sonst unterminieren wir unsere eigene Glaubwürdigkeit". Sie teile den Vorschlag, dass die Kommission über eine Modernisierung der Zollunion verhandle. Dies könnte für beide Seiten von Nutzen sein und auch die Regierung in der Türkei dazu bringen, sich an europäische Standards zu wenden.

Dieser Sicht widersprachen allerdings einige EU-Abgeordnete. Für den estnischen EU-Ratsvorsitz sagte Sonderbeauftragter Matti Masikaas, die Türkei sei ein Schlüsselpartner für die EU. Er verwies darauf, dass sich mit dem EU-Flüchtlingsdeal in der Türkei die Lage für syrische Flüchtlinge verbessert habe. Diese Bemühungen der Türkei würden begrüßt. Allerdings müsse die Türkei die rechtlichen Standards einhalten, sonst könne es kein Beitrittsland sein. Rückschritte bei den Grundrechten stünden dem entgegen.

Das sagen die Fraktionen zum Thema:

Die EVP-Abgeordnete Renate Sommer geißelte die "Hexenjagd" auf politisch Andersdenkende in der Türkei. Es gebe die Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit und ein Klima der Angst. Die türkische Regierung habe es geschafft, mit dem Referendum das eigene Volk in die Irre zu führen. Der letzte Schritt sei die Enteignung christlichen Kulturerbes. Es sei ein "Hohn, wenn die Türkei im gleichen Atemzug sagt, sie will weiterhin EU-Mitglied werden". Verhandlungen über die Zollunion könne es nur geben, wenn die Rechtsstaatlichkeit zurückkehre.

Victor Bostinaru von den Sozialdemokraten kritisierte die Massenverhaftungen, doch brauche die Gesellschaft der Türkei Unterstützung der EU, um überleben zu können. Die Demokratie in der Türkei müsse gerettet werden. "Es ist heute nicht der Moment, die Türkei aufzugeben".

Bas Belder von den Konservativen und Reformern sagte, die Türkei sei "wesentlich mehr als Erdogan und die AKP". Auch er verurteilte die Enteignung christlicher Kirchen scharf.

Der liberale EU-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff forderte einen ehrlichen Dialog mit der Türkei. "Machen wir klar, dass es einen Beitritt nicht geben kann und wird".

Takis Hadjigeorgiu von den Linken warf den Türken vor, immer noch ein Drittel von Zypern besetzt zu halten. "Die Türkei will in Wirklichkeit keinen Abzug aus Zypern". Die EU sollte Druck ausüben, damit Zypern endlich frei werde. Unter den jetzigen Umständen von einer Aufwertung der Zollunion zu sprechen, sei nicht nachvollziehbar.

Bodil Valero von den Grünen sieht "überhaupt keine Fortschritte". Die Grünen wollten die Türe nicht verschließen, aber es solle keine Aufwertung der Zollunion geben, wenn Menschenrechte verletzt und die Spielregeln nicht eingehalten werden. Der Ball liege auf der türkischen Seite.

Abstimmung am Donnerstag

Das EU-Parlament stimmt am morgigen Donnerstag über den Türkei-Bericht ab. Das bedeutet aber keineswegs bei entsprechendem Ergebnis auch einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Selbst ein Einfrieren der Verhandlungen müsste der Rat - also die EU-Staaten - entscheiden. Dabei zeichnet sich aber nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit ab.

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