Hahn: Gesprächskanäle mit Türkei offenhalten

Der EU-Nachbarschaftskommissar sieht eine "künstliche Debatte", denn seit Monaten gebe es keine wirklichen Beitrittsverhandlungen mehr mit der Türkei. Sebastian Kurz beharrt darauf, die Verhandlungen einzufrieren.

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn (ÖVP) will in der umstrittenen Türkei-Frage "alle Gesprächskanäle offenhalten". Vor Beginn des EU-Rats der Außen- und Europaminister Dienstag in Brüssel sagte Hahn zu Forderungen nach einem Einfrieren der Verhandlungen mit Ankara, es handle sich um eine "künstliche Debatte".

Denn "seit Monaten, seit dem versuchten Staatsstreich, gibt es keine wirklichen Beitrittsverhandlungen. Ich sehe das auch nicht in den nächsten Monaten". Aber "ich glaube, wir sollten immer offen sein. Vor allem Kapital 23 und 24 mit der Rechtsstaatlichkeit wären auch ein Lackmustest für die Türkei, wie sie es tatsächlich mit den rechtsstaatlichen Prinzipien hält", erklärte Hahn.

Kurz beharrt auf Einfrieren der Verhandlungen

Außenminister Sebastian Kurz hat vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen zur EU-Erweiterungspolitik ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei verlangt. Wenn das Signal der EU-Außenminister im Gegensatz zum EU-Parlament stehe, das ein Einfrieren verlangt hatte, "kann ich den Beschluss nicht mitragen", sagte Kurz am Dienstag in Brüssel.

"Das Europäische Parlament hat ein mutiges und richtiges Signal gesetzt. Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Außenminister ist, dieses Signal zu zerschlagen", sagte Kurz, der daran erinnerte, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Entschließung des Europaparlaments als irrelevant bezeichnet und der EU-Volksvertretung Terrorismus-Unterstützung vorgeworfen hatte. "Es wäre nicht angebracht, das Europäische Parlament links liegen zu lassen und zu zeigen, es ist wirklich irrelevant", betonte der Außenminister.

Deutschland warnt davor "Türen zuzuschlagen"

Demgegenüber warnte der deutsche Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, davor, dass Europa der Türkei die Türen zuschlage. "Wir sind uns im Klaren, dass die Lage in der Türkei nicht gut ist, und wir haben deutliche Kritik geäußert. Aber aus dieser Kritik sollte sich nicht schlussfolgern, dass wir eine Tür zuschlagen", sagte Roth.

Kurz hielt entgegen, dass es überhaupt nicht darum gehe, Türen zuzuschlagen oder nicht mehr im Gespräch zu bleiben. "Es ist ein großer Unterschied, ob man mit einem Staat im Dialog steht, oder ob man einem Staat vorgaukelt, dass der Beitritt in die Europäische Union nahesteht."

Der österreichische Außenminister schloss einen Kompromiss zu der geplanten EU-Erklärung zur EU-Erweiterungspolitik nicht aus, stellte dafür aber Bedingungen. "Die gemeinsame Linie sollte nicht dem Europäischen Parlament widersprechen, und sie sollte nicht fernab von der Realität in der Türkei sein."

"Aber ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Verhandlungen positive Auswirkungen auf die Situation in der Türkei hatten"

Hahn: Gesprächskanäle mit Türkei offenhalten
ABD0045_20161213 - BRÜSSEL - EUROPÄISCHE UNION: (v.l.) Außenminister Sebastian Kurz, EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn und der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak am Dienstag, 13. Dezember 2016, anlässlich des EU-Außenministerrates in Brüssel. - FOTO: APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Dass Europa bei einem Verhandlungsstopp an Einfluss in der Türkei verliere, sei ein Argument, so Kurz. "Aber ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Verhandlungen positive Auswirkungen auf die Situation in der Türkei hatten." Die Türkei habe sich kontinuierlich immer weiter Weg von der Europäischen Union entwickelt, "und in den letzten Monaten hat diese Entwicklung an Dramatik und an Tempo auch noch stark zugenommen". 100.000 Menschen seien eingesperrt worden, es gebe fast keine freie Medienlandschaft mehr, die politische Opposition werde eingeschüchtert. "Worauf wollen wir warten?", so Kurz.

Es sei auch nicht nur eine Entscheidung türkischer Vertreter, ob die Türkei der EU beitreten soll, sagte Kurz. "Das ist schon auch eine Entscheidung von uns in Europa." Es gibt auch keine einheitliche Meinung in der türkischen Opposition. Es selbst bekomme viel positives Feedback aus der Türkei, in dem ihm gedankt werde, dass man nicht über die Entwicklungen hinwegsehe.

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