Militäreinsatz, Zeltlager und Quoten

Am Montag berät die EU über den Militäreinsatz: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Flüchtlingskrise.

Noch vor dem Sommer könnten die EU-Länder ihre gemeinsame Flüchtlingspolitik von Grund auf umgestalten. Heute, Montag, sollen die Außen- und Verteidigungsminister der 28 Mitgliedsstaaten den nächsten Schritt dazu setzen. Ein Überblick über die wichtigsten offenen Fragen.

Wird es eine Militärmission vor Libyen geben?

Aus heutiger Sicht scheint ein gemeinsamer Einsatz gegen Schlepper sehr wahrscheinlich. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini will die Mission am Montag mit den Außen- und Verteidigungsministern besprechen; beschlossen werden soll sie im Juni von den Staats- und Regierungschefs.

Wie will man gegen die Schlepper vorgehen?

Wie offensiv und mit welchem Einsatz man gegen die Schlepper agieren soll, ist unter den Staaten noch umstritten – also ob man etwa tatsächlich Boote zerstören oder gar Bodentruppen an Land einsetzen soll. Das wird außerdem davon abhängen, wie weit das UN-Mandat gehen wird, das die Grundlage für den EU-Militäreinsatz bilden soll. Grundsätzlich rechnet man mit einer UN-Resolution, ihr Zustandekommen sei aber wohl noch "eine Frage der Formulierung", wie Deutschlands Außenminister Steinmeier sagt.

Sind mit dem Einsatz alle Probleme gelöst?

Bei weitem nicht – aber es gehört seit Jahren zur EU-Flüchtlingspolitik, dass man vor allem auf Abschreckung setzt, und erst in zweiter Linie die Aufnahme der Flüchtlinge in Angriff nimmt. Hier könnte sich allerdings bald etwas tun – wenn der jüngste Vorschlag der Kommission einer Flüchtlingsquote angenommen wird.

Ist es realistisch, dass diese Quote bald kommt?

Ja. Es soll nämlich zunächst nur ein Pilotprojekt geben: Die Quote könnte probeweise zur Neu-Verteilung einer bestimmten Anzahl von Flüchtlingen genutzt werden, die es nach Europa geschafft haben, aber eben nicht für alle. Das könnte es jenen Staaten, die die Quote skeptisch sehen, leichter machen, zuzustimmen. Bislang haben sich – neben den Briten, die aber per EU-Vertrag ohnehin nicht mitmachen müssen – Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei und die baltischen Staaten dagegen ausgesprochen. Werden die Gegner nicht noch viel mehr, geht sich die notwendige Qualifizierte Mehrheit im Rat locker aus.

Ein Pilotprojekt also – und langfristig?

Die Kommission will bis Jahresende ein Modell für einen dauerhaften Verteilungsschlüssel vorlegen. Allerdings könnte es sein, dass auch dieser nur bei einem besonders starken Flüchtlingsandrang genutzt wird.

Zusätzlich will die Kommission die Quote, die sich nach Einwohnerzahl, Wirtschaftsleistung, Arbeitslosenquote und bisherigen Asylanträgen richtet, auch für ein zweites Projekt verwenden: 20.000 Flüchtlinge sollen bis Ende 2016 direkt aus den Krisengebieten nach diesem Schlüssel auf die EU-28 verteilt werden.

Wegen der Flüchtlingskrise in Südostasien wollen die Staaten der Region zusammenkommen. Während für Sonntag ein Treffen der Außenminister Malaysias und Bangladeschs geplant war, soll es in den kommenden Tagen weitere Treffen mit den Außenministern Indonesiens und Thailands geben. Scharfe Kritik gab es an Myanmar, das sich trotz der von dort in Massen flüchtenden Rohingya nicht zuständig sieht.

Der Golf von Bengalen und die Andamanensee werden derzeit von einer immensen Flüchtlingskrise beherrscht. Vor allem Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit aus Myanmar und Flüchtlinge aus dem verarmten Bangladesch versuchen, über das Meer Malaysia, Indonesien oder Thailand zu erreichen.

Tausende Bootsflüchtlinge unterwegs

Menschenrechtsaktivisten zufolge sind derzeit tausende Bootsflüchtlinge in der Region unterwegs. Die malaysischen, indonesischen und thailändischen Behörden schickten zuletzt aber wiederholt Flüchtlingsboote zurück aufs Meer. Die USA riefen die südostasiatischen Staaten auf, sich für die Rettung der Migranten einzusetzen und ihnen Schutz zu gewähren.

Angesichts des international zunehmenden Drucks sollen nun mehrere Außenministertreffen in Malaysia stattfinden. Der malaysische Außenminister Anifah Aman hatte laut der Nachrichtenagentur Bernama für Sonntag ein Treffen mit seinem Kollegen aus Bangladesch, Abul Hassan Mahmood Ali, angekündigt.

Am Montag sollte eine Unterredung mit der indonesischen Außenministerin Retno Marsudi, voraussichtlich am Mittwoch dann ein Gespräch mit Thailands Außenminister Tanasak Patimapragorn folgen. Für den 29. Mai ist ein regionaler Gipfel in Thailand geplant, der von Myanmar boykottiert wird.

Malaysias Regierungschef Najib Razak forderte Myanmar am Samstag zum Handeln auf. Die Menschen würden aus Myanmar wegen "innerer Probleme fliehen, in die wir nicht eingreifen können". Malaysias Vize-Regierungschef Muhyiddin Yassin sagte am Sonntag, Myanmar sollte sich intern mit der Rohingya-Gemeinde auseinandersetzen, "anstatt diese den Nachbarstaaten aufzudrängen". Indonesiens Ex-Präsident Susilo Bambang Yudhoyono schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, es sei unfair, Indonesien, Malaysia und Thailand die Schuld zu geben.

Myanmars Kooperation ist von zentraler Bedeutung, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Ein Großteil der Flüchtlinge, die seit Wochen über das Meer nach Indonesien, Thailand und Malaysia zu gelangen versuchen, sind Angehörige der ethnischen Minderheit der Rohingya. Die staatenlose Volksgruppe leidet in Myanmar unter Diskriminierung und Gewalt.

Die Regierung sieht die Rohingya aber als illegale Einwanderer aus Bangladesch an, die kein Recht auf die Staatsangehörigkeit hätten. Das Land sieht sich deshalb in der Frage als nicht zuständig an und lehnt Beratungen darüber bei regionalen Treffen ab. Aus dem Außenministerium Bangladeschs hieß es am Samstag, die "Krise der Rohingya" sei von Myanmar hausgemacht; das Land sei deshalb in der Verantwortung.

Berichte über tödliche Kämpfe auf den Booten

Auf den oft völlig überladenen Booten herrschen unterdessen fürchterliche Zustände. Überlebende eines Bootes, das vor der Küste Indonesiens sank, berichteten einem BBC-Reporter von tödlichen Kämpfen um die knappen Vorräte zwischen Rohingya und Flüchtlingen aus Bangladesch. Laut Überlebenden war das Schiff zwei Monate lang unterwegs, als die Besatzung es diese Woche sich selbst überließ. Das Boot wurde erst von Indonesien und dann von Malaysia abgewiesen.

Ein anderes Boot mit 300 Rohingya an Bord, darunter abgemagerte Frauen und Kinder, trieb am Sonntag weiter ziellos auf dem Meer, nachdem es am Donnerstag von Thailand abgewiesen worden war. Nichtregierungsorganisationen und Journalisten versuchten das Schiff bisher ohne Erfolg aufzuspüren.

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