Orban bleibt ein Gegner Junckers

Ungarn Premier Viktor Orban
Ungarns Premier und sein britischer Amtskollege Cameron bleiben dagegen. Trotzdem soll Junckers Nominierung fix sein.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bleibt unbeirrbar bis zum Schluss: Orban hat am Freitag seinen Widerstand gegen Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident erneut bekräftigt. "Ich werde diese Entscheidung nicht unterstützen", sagte Orban in einem Radiointerview vor dem EU-Gipfel. Er warnte vor "schleichenden Vertragsänderungen" in der Europäischen Union.

Der konservative Politiker bekräftigte, er wolle sich seine Stimme nicht abkaufen lassen und keine Tauschhandel in letzter Minute eingehen. "Wir müssen ein klares Signal senden und eine Warnung, dass wir uns an unsere nationalen Interessen halten. Die Briten denken dasselbe", sagte Orban. In den vergangenen Jahren seien den Mitgliedsstaaten zu viele Kompetenzen von der EU abgerungen worden. "Ungarn hat darunter sehr gelitten", sagte der Premier unter Verweis auf EU-Kritik an Ungarns Bankensteuer und dem Bodenstreit.

Auf dem EU-Gipfel soll eigentlich heute noch Jean-Claude Juncker als Kommissonspräsident nominiert werden. Neben Orban hat auch noch Großbritanniens Premier David Cameron Widerstand angekündigt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkjel ließ sich davon am Donnerstag wenig beeindrucken. Angela Merkel sieht in einer Mehrheitsentscheidung - ohne Cameron und Co - "kein Drama".

Um ihn geht es: Jean-Claude Juncker

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Auf dem EU-Gipfel geht es aber nicht nur um die Wahl des Kommissionspräsidenten, daneben wurden noch Abkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldau unterzeichnet.

Die Staats- und Regierungschefs haben sich am ersten Gipfeltag am Donnerstag auf eine Zeitreise begeben: Die erste Station führte sie 100 Jahre zurück, an den Beginn des Ersten Weltkrieges. Bei einem Spaziergang über die Schlachtfelder von Ypern, einer Kleinstadt in Westbelgien, gedachten sie der Millionen Toten. Ypern ist symbolhaft für die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts und soll daran erinnern, dass die Europäische Union für „Nie wieder Krieg“ steht und Konflikte heute am Verhandlungstisch ausgetragen werden.

Nach der beeindruckenden Zeremonie warfen die Regierungschefs bei einem Abendessen einen Blick in die Zukunft der EU – und was sie hier sehen, ist auch nicht erfreulich: Trotz strenger Regeln, die Schulden abzubauen, die Banken zu kontrollieren und den Wettbewerb anzukurbeln, dümpelt Europas Wirtschaft dahin. Die Arbeitslosigkeit ist noch immer sehr hoch, mehr als 50 Prozent der Jugendlichen in Spanien oder Griechenland, aber auch 40 Prozent in Italien, haben keinen Job. Das Wachstum ist gering, der Wohlstand nicht auf Dauer garantiert.

Kurswechsel nötig

Europa braucht einen Kurswechsel. Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt ein „überzeugendes Paket an inhaltlichen Prioritäten“. Und dazu zählt auch eine neue Auslegung des 2011 verschärften Stabilitätspaktes.

Die Staats- und Regierungschefs beschließen einen „flexiblen Gebrauch“ des Stabi-Paktes. „Die Haushaltskonsolidierung muss wachstumsfreundlich fortgesetzt werden“, heißt es im Text der Schlussfolgerungen des Gipfels. Es müsse eine „Balance zwischen Haushaltsdisziplin und der notwendigen Unterstützung von Wachstum“ geben. Die „flexible Gestaltung“ wird mit hoher Staatsverschuldung in manchen Ländern, mit hohen Arbeitslosenzahlen, dem demografischen Wandel in der Gesellschaft und der notwendigen Schaffung neuer Jobs begründet.

„Stabi-Pakt neu“

Bis Dezember wird die EU-Kommission eine „ganzheitliche Bewertung des Stabilitätspaktes“ vorlegen. Künftig bekommen Länder, die ein Budgetdefizit haben, mehr Zeit, ihren Haushalt zu sanieren – wenn sie nachhaltige Reformen durchführen. Man will auch die Regeln für die Kofinanzierung von EU-Mitteln lockern: EU-Gelder gibt es in der Regel nur dann, wenn national etwas draufgelegt wird; in vielen Fällen muss für jeden Euro aus Brüssel ein Euro aus der Staatskasse gezahlt werden.

Angesichts der Sparzwänge tun sich die Staaten aber schwer mit der Kofinanzierung – Italien etwa kann aktuell 15 Milliarden Euro, die in Brüssel bereitliegen, nicht abrufen. Deshalb wird überlegt, die Kofinanzierungsraten zu senken, was für Griechenland schon gilt. Athen zahlt fünf Prozent zu den EU-Fondsmittel. Möglich wäre auch, die Kofinanzierung nicht mehr auf das Staatsdefizit anzurechnen.

Bundeskanzler Werner Faymann forderte eine stärkere Bekämpfung des Steuerbetrugs und Projektanleihen für Investitionsvorhaben.

„Rote“ Handschrift

Experten in Brüssel bewerten die angepeilten Änderungen am Stabilitätspakt mit einem Erfolg für Europas Sozialdemokraten – und für Italiens Regierungschef Matteo Renzi sowie Frankreichs Staatspräsident François Hollande. Beide forderten vehement ein lockereres Haushaltskorsett der EU.

Einen neuen Wirtschaftskurs will auch Jean-Claude Juncker. Donnerstagabend bekam der luxemburgische Christdemokrat von der überwältigenden Mehrheit der EU-Granden grünes Licht, Kommissionspräsident zu werden. Am Freitag steht seine offizielle Nominierung auf dem Programm. Davor ist ein Arbeitsfrühstück mit Kanzler Faymann geplant, bei dem neben dem Programm der nächsten Jahre das Ressort für Johannes Hahns zweite Amtszeit als Kommissar besprochen werden soll.

Ob es eine Abstimmung über Juncker geben wird, war bis zuletzt offen. In einer solchen würde dem britischen Premier David Cameron, der Juncker ablehnt, nur Ungarn zur Seite stehen. Merkel und andere Regierungschefs sagten, eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit wäre „kein Drama“.

Weitere Top-Jobs sollen bei einem Treffen am 17. Juli beschlossen werden. Es geht um die Nachfolge der Außenbeauftragten Catherine Ashton und des Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Überraschend hat die Favoritin für den Posten, Helle Thorning-Schmidt, am Donnerstag erklärt, „keine Kandidatin“ zu sein. Sie bleibe lieber dänische Ministerpräsidentin.

Schutz für Sozialsystem

Abgesehen von der Personalie Juncker will Merkel inhaltlich aber nach wie vor auf Cameron zugehen; auch Juncker selbst hat zuletzt immer wieder von einem „neuen Deal“ für die austrittsgefährdeten Briten gesprochen. Dazu dürfte – neben einem gewichtigen Ressort für den Kommissar – zählen, dass im „Regierungsprogramm“ für die Kommission auch die Binnenmigration gelöst werde: Die Personenfreizügigkeit ist als Grundrecht zwar unantastbar. Doch soll es mehr Spielraum für die Staaten geben, die Sozialsysteme vor Missbrauch zu schützen.

Mit einem Thema wird sich Juncker kaum befassen müssen: Die Erweiterung zählt in den nächsten Jahren nicht zu den Prioritäten.

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