"Es geht um den Verlust der Einflusszonen"

Harte Kritik an Russland:Georgiens Außenministerin
Georgiens Außenministerin Maia Pandschikidze über die Ukraine-Krise und die Gefahr für ihr Land.

Die frühere Sowjetrepublik Georgien erlebte 2008 einen Krieg gegen Russland. Heute versucht man die Beziehungen zum Nachbarn Russland zu normalisieren. Außenministerin Maia Pandschikidze, am Dienstag beim Europarats-Gipfel in Wien, im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Wie beurteilen Sie die Lage in der Ukraine?

Maia Pandschikidze: Jedes unabhängige Land darf selbst entscheiden, ob es neutral sein will, in einem Bündnis, oder wo auch immer. Die Freiheit wird der Ukraine genommen. Das ist die größte Tragödie. Egal, wie die Ukrainer entscheiden, man muss diese Entscheidung akzeptieren.

Was aber sind Moskaus Beweggründe? Es gab zu viele Formate der Beziehungen mit Russland: NATO, EU, einzelne Staaten, also so viele Foren, in denen Russland seine Ängste über die Entwicklung äußern konnte. Es geht Russland eben viel mehr um politischen Einfluss, das ist das Problem. Es geht um Verlust der Einflusszonen – und das ist das falsche Denken.

Soll Europa mit weiteren Wirtschaftssanktionen reagieren?

Das würde einen Wirtschaftskrieg bedeuten, das würde auch die europäische Wirtschaft treffen. Da muss man schon sehr genau abwägen, was die Maßnahmen bringen, und ob sie nicht das Gegenteil bewirken, von dem, was man erreichen will.

Wie findet die Ukraine aus dieser Krise?Es geht darum, die Ukraine zu stabilisieren, wirtschaftlich, aber auch politisch. Es geht darum, dass die geplanten Wahlen unter normalen Umständen stattfinden können und dann die Ukraine eine Führung bekommt, die das Recht hat, im Namen des Volkes eine Lösung für das Land zu finden.

Wie positioniert sich Georgien heute gegenüber Russland?Unsere Regierung ist total nach Westen orientiert, versucht aber, eine vernünftige Beziehung zu Russland aufzubauen. Dass das geht, versuchen wir jeden Tag zu beweisen. Wir haben unsere Beziehungen zu Russland mehr oder weniger normalisiert. Es gibt wieder intensive Wirtschaftsbeziehungen. Unsere Westorientierung ist nicht gegen Russland gerichtet. Es ist nur der einzige Weg für unsere Entwicklung. Ein stabiles, demokratisches Georgien ist auch für Russland ein besserer Nachbar. Wir sind bereit, weiterhin gute Beziehungen zu Russland zu haben, aber auf der Ebene der Partner, und nicht auf der des Unterdrückten wie in den letzten 200 Jahren.

Die baltischen Staaten sind heute EU- und NATO-Mitglieder, aber ihre Beziehung zu Russland war in der Sowjetunion nie so gut wie heute.

Wie wollen Sie Ihr Land in Europa verankern?Für Georgien ist es so klar, dass wir die NATO und EU-Integration wollen. Der einzige Weg für uns ist die westliche Integration. Ich würde begrüßen, wenn das auch von der anderen Seite genauso gesehen und daher ein klares Signal ausgesandt würde. Georgien hat die politische Unabhängigkeit, selbst zu bestimmen, ob es NATO–Mitglied sein will. Russland dürfte einer Zusammenarbeit Georgiens mit der NATO nicht im Wege stehen.

Wäre Österreichs Neutralität eine Perspektive für Georgien?Als kleines Land kann man alleine nicht überleben. Neutralität, das haben nur Österreicher und Schweizer, aber die sind auch nur von Ländern umgeben, von denen keine Gefahr ausgeht. Das ist in Georgien ganz anders. Wir brauchen Verbündete, und die haben wir in Europa gefunden.

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