Erdogan: EU-Beitrittsgespräche oder "Auf Wiedersehen"

Recep Tayyip Erdogan ist ungeduldig.
Türkischer Präsident drängt auf Fortschritte in Beitrittsprozess, sonst würde die Türkei der EU den Rücken kehren. Gabriel rät "mit Ultimaten aufzuhören."

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will der Europäischen Union den Rücken kehren, falls die seit langem stockenden Beitrittsgespräche nicht reaktiviert werden. Die EU habe keine andere Option, als weitere Themen in den Verhandlungen anzugehen, sagte Erdogan am Dienstag. "Auf Wiedersehen, wenn Sie es nicht tun", sagte er an die EU gerichtet. Sein Land habe mit der EU nichts zu diskutieren, solange die Gegenseite in diesem Punkt nicht ihre Versprechen einhalte. Erdogan bezog sich auf die Eröffnung sogenannter Kapitel in EU-Beitrittsverhandlungen, in denen bestimmte Themen wie Wirtschaft, Justiz oder Menschenrechte beraten werden.

Die Türkei sei nicht "der Lakai" Europas, sagte Erdogan. Die Beziehungen zu den EU-Staaten waren im Wahlkampf für das umstrittene Verfassungsreferendum vom 16. April auf einen Tiefpunkt gesunken. Erdogan überzog Deutschland und die Niederlande mit Nazi-Vorwürfen, nachdem dort Auftritte türkischer Minister abgesagt worden waren. Zudem bezeichnete er Europa als "verrottenden Kontinent" und kündigte an, nach dem Volksentscheid das Verhältnis zur EU zu überprüfen. Er wirft dem Staatenbund regelmäßig vor, die Türkei seit einem halben Jahrhundert an seiner Tür warten zu lassen, und dringt auf Fortschritte im Beitrittsprozess.

Die EU hatte im Juni 2016 mit der Türkei ein Kapitel zu Finanz-und Haushaltsfragen eröffnet, wie es im Zuge der Flüchtlingsvereinbarung verabredet worden war. Seitdem haben sich aber die Beziehungen zwischen den beiden Seiten wegen des Vorgehens der türkischen Regierung gegen Oppositionelle nach dem gescheiterten Putsch vom Juli sowie dem umstrittenen Verfassungsreferendum immer stärker abgekühlt.

Gabriel: "Türkei erfüllt Kriterien nicht"

Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel hat angesichts der neuen Drohungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu den EU-Beitrittsgesprächen ein Ende von Ultimaten in der Krise mit der Türkei gefordert. "Ich kann nur raten, jetzt aufzuhören, sich gegenseitig Ultimaten zu stellen", sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande seiner Afrikareise in Äthiopien.

"Der Weg der Türkei zur Europäischen Union ist klar beschrieben mit den Kriterien, die wir als Europäer haben", sagte Gabriel. Was sich in letzter Zeit in der Türkei abgespielt habe, erfülle diese Kriterien nicht. "Wenn wir einen Neustart in den Bedingungen, den Beziehungen wollen, dann muss das von beiden Seiten ausgehen."

Die EU sei offen für neue Gespräche, sagte Gabriel. "Umgekehrt finde ich, macht es nur dann Sinn, wenn auch die Türkei zeigt, dass sie weg will von der Konfrontation. Was wir jetzt hören, sind neue Ultimaten, neue Konfrontation, das bringt uns alle nicht weiter." Die EU stehe für einen Neustart zur Verfügung. "Aber das muss auch bedeuten, dass die Zeit gegenseitiger Ultimaten vorbei sein muss."

Beitritt derzeit kein Thema

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hatte am Wochenende nach den EU-Beratungen zur Türkei in Valletta klargestellt, dass die Beitrittsverhandlungen mit Ankara derzeit nicht weiterverfolgt werden. Im Bereich Rechtstaatlichkeit sei "eigentlich keine Verhandlungsmasse gegeben", europäische und internationale Rechtstaatlichkeitsstandards seien vielmehr zu akzeptieren und umzusetzen, sagte Hahn am Samstag zur APA.

Der Nachrichtenagentur Reuters sagte Hahn, dass sich die Türkei derzeit von der Perspektive eines EU-Beitritts entferne. Darin stimmten in der EU alle überein. Der Fokus der EU müsse deshalb darauf liegen, die Kooperation mit dem Land auf andere Ebenen zu konzentrieren. Auch die EU-Außenminister ließen am Freitag in Malta erkennen, dass die EU-Beitrittsperspektive für die Türkei immer mehr verschwindet. Von der Eröffnung neuer Kapitel sprach dort niemand.

Erdogan ist wieder AKP-Mitglied

Zwei Wochen nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum in der Türkei ist Präsident Recep Tayyip Erdogan in die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zurückgekehrt. Erdogan wurde am Dienstag im AKP-Hauptquartier in Ankara wieder in die Partei aufgenommen. Die am 16. April mit knapper Mehrheit angenommene Verfassungsänderung erlaubt es dem Präsidenten, künftig wieder einer Partei anzugehören. Erdogan hatte die islamisch-konservative Partei 2001 mitbegründet.

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