Kommt das "Ende des Merkelismus"?

Schatten über Angela Merkel
Erster Ruf nach Rücktritt der Bundeskanzlerin nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche der "Jamaika-Koalition".

Noch ist es ein dünnes Stimmchen von den hinteren Rängen der Partei, aber erstmals haben Vertreter der Union das bisher Unsagbare in den Mund genommen: Rücktritt von Angela Merkel. Die Junge Union (JU) in Düsseldorf hat den Abgang von Merkel als CDU-Bundesvorsitzende gefordert. Merkel habe das für die Union seit 1949 schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl maßgeblich mitzuverantworten, sagte der JU-Kreisvorsitzende Ulrich Wensel in Düsseldorf. "Wir haben den Eindruck, dass sie daraus aber keine Konsequenzen ziehen will." Im Falle einer Neuwahl soll Merkel auch nicht erneut als Kanzlerkandidatin antreten. Einen solchen Antrag habe der JU-Kreisvorstand mehrheitlich am Dienstag beschlossen – mit sieben Ja-Stimmen, zwei Nein-Voten und einer Enthaltung. Die deutsche Bild-Zeitung hatte zuerst berichtet. Ihr Statement machte die Düsseldorfer JU auch in einem Facebook-Post öffentlich. Darin heißt es, die Junge Union wolle dem "Niedergang der stolzen Volkspartei CDU" entgegenwirken.

Für die Kanzlerin kommen diese Zwischenrufe zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Merkel muss nun, nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition über neue Varianten nachdenken - und da gibt es nur wenige, die auch nur einigermaßen verlockend sind.

Schulz trifft Steinmeier

Die SPD könnte den Weg zur Beendigung der Regierungskrise in Deutschland ebnen. Doch das ist auch für die Sozialdemokraten riskant. Hart zu bleiben, erscheint vielen aber auch nicht wesentlich besser. In der gegenwärtigen Regierungskrise diskutiert die SPD mehrere Möglichkeiten - und keine erscheint den Sozialdemokraten optimal. An diesem Donnerstag ist Parteichef Martin Schulz bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geladen.

Vor ein paar Tagen schien die andere Alternative nicht mehr als ein skurriles Gedankenspiel, jetzt nimmt die Debatte über eine Minderheitsregierung rasant Fahrt auf. Ist das der Ausweg aus der Sackgasse, in die das Scheitern der Jamaika-Gespräche einerseits und das bisherige Verweigern einer Regierungsbeteiligung der SPD andererseits die deutsche Politik geführt hat? Was für einige in Berlin verlockend klingt, könnte sich in der Praxis als verdammt kompliziert erweisen. Merkel könnte ihren Ruf als effiziente und lösungsorientierte Regierungschefin einbüßen.

Der Spiegel jedenfalls, ohnehin kein Freund der Kanzlerin, nützt die Gelegenheit gleich, um einmal groß auszuholen.

In seinem online-Morgenbriefing schreibt Chefredakteur Dirk Kurbjuweit über "Das Ende des Merkelismus": "Stille und Stabilität, das waren die Ziele von Bundeskanzlerin Merkel - zwölf Jahre lang lebten wir in den Zeiten von Stillefanatismus und Stabilitätsfanatismus. Dann kam der Aufstieg der AfD, vorbei war es mit der Stille. Dann gelang es Merkel nicht, eine Regierung zu bilden, vorbei war es mit der Stabilität. Für den Moment ist sie mit ihren beiden großen Zielen gescheitert."

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