Macron: "Europa ist kein Supermarkt"

Emmanuel Macron
Der französische Präsident will mit Deutschland eine "Allianz des Vertrauens" schaffen und kritisiert politische Führer aus Osteuropa.

Vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für eine neue "Allianz des Vertrauens" mit Deutschland ausgesprochen.

"Ich wünschte mir, wir würden zum Geist der Kooperation zurückkehren, wie er einst zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl herrschte", sagte Macron im Interview mit der Süddeutschen Zeitung und anderen europäischen Zeitungen. Sonst drohe der EU der Zerfall.

Franzosen mieden Reformen

Macron räumte ein, ohne grundlegende Reformen, "die unabdingbar sind für Frankreich", könne sein Land kein Antriebsmotor Europas sein. Die Stärke der einen dürfe sich nicht aus den Schwächen der anderen speisen. "Deutschland, das sich vor etwa 15 Jahren reformiert hat, stellt heute fest, dass diese Situation nicht haltbar ist", sagte der Präsident.

Die Franzosen mieden Reformen, solange es gehe. "Aber jetzt haben sie verstanden, dass sie am Abgrund stehen - und haben reagiert." Seine Wahl zum Staatschef im Mai sowie der Sieg seiner Partei bei der Parlamentswahl seien "der Beginn einer französischen und hoffentlich auch einer europäischen Renaissance".

"Die Frage ist: Wird Europa seine Grundwerte verteidigen, die es über Jahrzehnte in aller Welt verbreitet hat - oder weicht es zurück angesichts des Erstarkens illiberaler Demokratien und autoritärer Regime?", fügte Macron hinzu.

"Europa ist kein Supermarkt"

Der neue Staatspräsident übte in dem Zusammenhang Kritik an Polen und Ungarn, ohne sie direkt zu nennen. "Manche politische Führer aus Osteuropa" offenbarten "eine zynische Herangehensweise gegenüber der EU: Die dient ihnen dazu, Geld zu verteilen - ohne ihre Werte zu respektieren", sagte Macron. Aber "Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!"

Macron verteidigte in dem Interview seine umstrittene Forderung nach einer Vertiefung der Eurozone, die er mit einem eigenen Budget und einer demokratisch kontrollierten Regierung ausstatten möchte. "Das ist das einzige Mittel, um wieder mehr Konvergenz zu schaffen." Andernfalls werde die Eurozone geschwächt. "Wir müssen eine Säule der Verantwortung und eine Säule der Solidarität bauen. Mein Gefühl ist, dass Deutschland sich dem nicht verweigert."

Letzter EU-Gipfel vor Sommerpause

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte sich diese Woche offen für einen eigenen Finanzminister und ein Budget für die Eurozone gezeigt. Die Vergemeinschaftung von Risiken lehnte sie aber ab.

Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstag zu ihrem letzten Gipfel vor der Sommerpause zusammen. Sie beraten in Brüssel zunächst über die Stärkung der europäischen Verteidigung und ein abgestimmtes Vorgehen gegen Radikalisierung und Dschihadisten im Internet. Am Abend befassen sich die Staats- und Regierungschefs mit der Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise. Zudem wollen sie ihr Festhalten am Pariser Klimaabkommen bekräftigen.

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