"Eine Schande für Österreich"

Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich bei Spielfeld
Internationale Zeitungen wie die "Süddeutsche" kommentieren die Differenzen Wien-München-Berlin in der Flüchtlingsfrage. "Bild" wirft Österreich "Trickserei" vor.

Bayerische Politiker wie Ministerpräsident Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) übten in den letzten Tagen ausgesprochen harsche Kritik an Österreich - aber auch an an der deutschen Bundesregierung. Seehofer forderte Angela Merkel auf, bis zum Sonntag für eine Begrenzung der Zuwanderung zu sorgen. Herrmann sprach am Dienstag von einem "unverantwortlichen Verhalten der österreichischen Regierung, das ich nur als skandalös bezeichnen kann". Österreich umgehe mit dem Transport von Flüchtlingen an die Grenze "ganz offensichtlich" absichtlich die deutschen Grenzkontrollen, so der bayerische Innenminister. In der "ZiB2" verglich er dies gar mit der Tätigkeit von Schleusern. Scharf wie nie zuvor hat am Mittwoch auch der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) fehlende Kooperationsbereitschaft Österreichs in der Flüchtlingskrise kritisiert.

Was internationale Medien zu den Differenzen schreiben:

Süddeutsche Zeitung ( München)

"Das Problem wird von Staat zu Staat gerne weitergereicht. Am Ende der Kette ist es Österreich, das die Flüchtlinge so schnell wie möglich wieder loswerden will und sie deshalb in Bussen bis wenige Meter vor die bayerische Grenze schleust. Es ist eine Schande für das Nachbarland, dass es den Notleidenden dabei nicht einmal elementare Hilfe leistet. Andererseits spricht daraus auch der neue Geist Österreichs, in dem immer stärker Ausländerfeinde und Populisten den Ton angeben. Die bayerische Staatsregierung fühlt sich zu Recht nicht nur von Österreich, sondern auch von den anderen Bundesländern im Stich gelassen. Solidarität ist ein seltenes Gut in diesen Tagen, in denen jeder am liebsten seinen eigenen Zaun bauen möchte."

Bild-Zeitung befeuert rauen Ton

Die deutsche Boulevard-Zeitung Bild berichtete am Mittwoch online unter der Schlagzeile "So tricksen die Österreicher in der Flüchtlingskrise!" über einen Syrer, der angeblich in Österreich Asyl haben wollte, aber nach Deutschland weitergeschickt wurde. Die oberösterreichische Polizei wies das zurück. Der Asylwerber Namens Mohamad soll trotz eines Zettels, auf dem "I want have Asyl Austria" stand, von den Österreichern dazu angehalten worden sein, weiter in Richtung deutscher Grenze zu gehen, dort würde er "nach Wien kommen", schreibt Bild. Solche "Vorfälle" passieren laut der Zeitung "ständig".

Die oberösterreichische Polizei wies das auf APA-Anfrage als "kompletten Schwachsinn" zurück. Diese Geschichte verfüge über keinerlei Wahrheitsgehalt. Menschen, die in Österreich Asyl beantragen, werden im Land behalten. Das würden die Zahlen belegen. Sieben bis acht Prozent der Migranten, die in Österreich einreisen, stellen hier einen Asylantrag. Das seien 500 pro Tag. Österreich nehme damit mehr Asylwerber als Deutschland auf.

Die Welt ( Berlin)

"Die Staatsbürger eines jeden Landes haben das Recht zu entscheiden, wer in ihrem Staat eine Bleibe findet und wer nicht. Die Folgen dieses Beschweigens sind absehbar. Wer meint, Ängste und Bedenken großer Teile der Bevölkerung übergehen zu können, der überlässt drängende Themen Gruppen, die außerhalb der Demokratie stehen. Horst Seehofer hat diese Gesetzmäßigkeit von Anfang an verinnerlicht. Früher als alle anderen Politiker sah der bayerische Ministerpräsident nicht nur sämtliche Seiten der Krise, sondern folgte auch dem Grundsatz: Wir dürfen die Flüchtlingsproblematik nicht der Rechten überlassen. Wer wollte ihm mit Blick auf den Frieden und die Stabilität dieses Landes widersprechen?"

Taz ( Berlin)

" Horst Seehofer ( CSU) beschwört die Katastrophe herauf. Bis Allerheiligen (kommenden Sonntag) will er abwarten, ob Berlin auf seine Forderungen reagiert. Merkel ("Wir schaffen das") soll die Zuwanderung begrenzen und Österreich verbieten, die Flüchtlinge nach Bayern durchzuwinken. (...) Dumm nur: Die Flüchtlingsfrage ist Chefinnensache. Da hilft auch angestrengtes Nachdenken nichts - aller angedrohten 'Notwehrmaßnahmen' zum Trotz. (...) Allerheiligen wiederum ist ein christliches Fest, bei dem aller Heiligen gedacht werden soll - auch derer, um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott. Seehofers Feiertag wird das sicher nie."

Corriere della Sera ( Mailand)

"Der Tag der Abrechnung zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel könnte schon in der nächsten Woche kommen. Der Ministerpräsident Bayerns und CSU-Chef hat angekündigt, dass er etwas gegen den Flüchtlingsstrom aus Österreich unternehmen wird, wenn die Regierung in Berlin bis Sonntag nicht einschreitet. De facto ein Ultimatum. Seehofer hat auch Wien kritisiert, weil es die Flüchtlinge ziehen lässt. Bayern in Sorge wegen der enormen Migrationsströme, Bayern gegen alle. Zwischen Seehofer und Merkel gibt es schon seit Anfang September Spannungen, als die Kanzlerin die Türen Deutschlands für Flüchtlinge geöffnet hat. (...) Zwei Monate später kommt es nun zu einer direkten Auseinandersetzung, die sehr ernste Konsequenzen haben könnte. Und das gleich an zwei Fronten: Zuallererst auf institutioneller Ebene. (...) Nicht weniger gravierend wären die politischen Effekte für die Regierung der großen Koalition."

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