Ein polnisches Dorf begeistert sich für Bernie Sanders

Im stockkonservativen Slopnice freut man sich über die Erfolge des US-Demokraten.

Bei dem Gemeindevorsteher des Bergdorfes Slopnice, Adam Soltys, klingelt zurzeit permanent das Telefon, oder Journalisten aus aller Welt kommen höchstpersönlich vorbei: "Gestern waren es zwei Fernsehteams und drei Zeitungsjournalisten", meint Soltys gut gelaunt gegenüber dem KURIER am Telefon.

Der kleine Ort in Südpolen unweit der Grenze zur Slowakei freut sich über die Erfolge des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders bei den US-Vorwahlen. Als erster US-Vorwahlsieger jüdischer Abstammung sorgt er auch in den USA für Aufsehen. Sanders’ Vater Elias wurde in Slopnice geboren und wanderte als Siebzehnjähriger gemeinsam mit seinem Bruder Chaim 1921 nach New York aus.

"Emotionale Angelegenheit"

Soltys: "Wir drücken ihm die Daumen. Das ist mehr eine emotionale Angelegenheit, weil er hier Wurzeln hat, ansonsten sind wir hier eher konservativ." Dass sich Sanders als "Sozialist" bezeichnet, ist dem Bürgermeister hörbar eher unangenehm.

Der 74-jährige Senator aus Vermont hat das Bergdorf im Jahr 2013 zum ersten Mal besucht und wurde auch vom Gemeindevorstehenden empfangen. Ein paar Brocken Polnisch, so erzählt man, habe Sanders parat gehabt.

Einige ältere Menschen erinnern sich noch an die Familie. Bernie Sanders Großmutter betrieb eine Gaststätte; das hölzerne Wohnhaus der Sanders wurde in den Neunzigerjahren abgerissen.

Die verbliebenen Angehörigen, wie alle jüdischen Familien im Stettl Putowka, wurden von den deutschen Besatzern deportiert und starben allesamt in Konzentrationslagern.

Sanders interessierte sich neben der Vergangenheit auch für die soziale Lage des Ortes. So lobte er das polnische Gesundheitswesen, da dieses offiziell kostenlos ist. Allerdings hätten die polnischen Gastgeber nichts über die langen Schlangen in polnischen Krankenhäusern und Ambulanzen erzählt.

Beziehungen zu Österreich

Slopnice genießt einen relativen Wohlstand. Nicht nur örtliche Transportunternehmen verkehren nach Österreich. Es gibt auch eine Partnerschaft mit dem Weinort Gießhübl bei Wien und daher rege Kontakte nach Österreich, erzählt der Lokalpolitiker stolz.

Dem parteilosen Soltys gefiel die unkomplizierte Art des Amerikaners, weniger jedoch, dass Sanders, der sich als areligiös bezeichnet, einer Kirchenfeier nicht beiwohnen wollte. Auch passen Sanders’ liberale Ansichten zu Abtreibung und Homo-Ehe nicht zu der katholisch geprägten polnischen Gegend, wo man traditionell die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) wählt, die derzeit Polen alleine regiert.

Wunsch mit Hintergedanken

Die Dorfbewohner hoffen dennoch auf einen Sieg des 74-jährigen US-Politikers im Rennen um das Weiße Haus – vielleicht mit einem Hintergedanken: Der Gemeindevorsteher drängte Sanders 2013, sich in den Vereinigten Staaten für ein Aufheben der Visapflicht für Polen einzusetzen. Die USA sperren sich seit Jahrzehnten gegen solche von Warschau geäußerte Bitten – aus Furcht vor illegaler Migration.

Ansonsten meint Soltys, dass "Slopnice die eigenen Probleme selbst lösen müsste – und Amerika die seinen. Aber es ist eine erfreuliche Angelegenheit."

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