Ein Jahr Donald Trump: Widerstand an allen Fronten

Donald Trump.
Dem einstigen Realityshow-Moderator verhalfen seine mutmaßlichen Russland-Connections mit zur Wahl. Als US-Präsident agiert er seither so erratisch wie befürchtet. Aber die Nation und ihre Institutionen beweisen, dass sich die Vereinigten Staaten gegen einen Fehlgriff an der Spitze wehren können. Das politische Gleichgewicht der Kräfte ist trotz allem intakt.

Als der Filme-Macher Michael Moore im Frühjahr zum nationalen Widerstand gegen Donald Trump aufrief, "friedlich, kreativ – aber entschieden", hatte er an vieles gedacht. Daran nicht: Ein scheidender Kundenbetreuer des Kurzmitteilungs-Riesen Twitter hat gerade den vielleicht bisher wirkungsmächtigsten Protest gegen den laut Umfragen unbeliebtesten US-Präsidenten aller Zeiten auf die Beine gestellt: Er löschte kurzerhand den Account @realDonaldTrump. Elf Minuten lang saßen 42 Millionen Abonnenten der täglichen 140-Zeichen-Zwischenrufe des Präsidenten im Off.

Seine Gegner blieben für einen Atemzug verschont von Tiraden, Gehässigkeiten, Halb- und Unwahrheiten des Mannes, der am 8. November 2016 durch einen Überraschungssieg bei der Wahl gegen Hillary Clinton ins Weiße Haus einzog und seither die Nation jeden Tag auf die Folter der Unberechenbarkeit spannt. Ein kleines Beispiel unter vielen, das zeigt: Amerika hat Trump zwar gewählt. Durchgehen lässt es dem 71-Jährigen aber nicht viel. Im Gegenteil. Ein Jahr nach der Wahl weht dem New Yorker Bau-Milliardär aus allen Richtungen der Wind ins Gesicht:

Die Polit-Recken und Intellektuellen

John McCain, das republikanische Urgestein, lässt keine Gelegenheit aus, Trump in die Parade zu fahren. Der Senator aus Arizona hält es für "unpatriotisch", Trumps "unausgegorenem und aufgesetztem Nationalismus" zu folgen. Sein Kollege Bob Corker, Senator aus Tennessee, geht noch einen Schritt weiter. Er bezeichnet Trump als "Gefahr für die Demokratie" und den "Weltfrieden", weil er ihn für unreif hält, mit der Verfügungsgewalt über das Atom-Arsenal verantwortungsbewusst umzugehen. Jeff Flake hat bereits die Konsequenz gezogen. Er will nicht länger "Komplize" eines Präsidenten sein, der allein durch "rücksichtsloses, unerhörtes und würdeloses Verhalten" auffällt. Der Senator aus Arizona steigt, auch in Erwartung einer Niederlage bei den Zwischenwahlen 2018, aus der Politik aus.

Die McCains, Corkers und Flakes sind in der Minderheit. Aber ihr Beispiel zeigt laut US-Medien, dass die Geduld vieler Parlamentarier mit Trump endlich ist. Im Kongress bringt der US-Präsident die für seine Politik nötigen Mehrheiten nicht zusammen. Siehe: Das Desaster bei der Suche nach einer Ablöse für Obamacare.

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Eine andere Konsequenz: Bürgerrechtsgruppen wie die "American Civil Liberties Union" (ACLU) bekommen immer mehr Zulauf und verzeichnen ein riesiges Spendenaufkommen. Motto: "Widerstand lohnt sich."

Das sieht Bernie Sanders auch so. Der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat hat den Wahlkampf-Modus nie verlassen. Woche für Woche zieht der brillante Redner durchs Land, prangert bis zum hochroten Kopf die "sozial ungleichgewichtige" Politik an und begeistert damit sein Publikum. Eine erneute Kandidatur 2020 schließt er nicht aus.

Die Zeitungen, TV- und Radiosender

Kein Tag vergeht, an dem der Präsident das Gros der Zeitungen, Sender und Radiostationen nicht als "verlogen" und "links-liberal" verunglimpft. Lediglich Fox News wird von der Kritik ausgenommen, "erfundene Geschichten", Fake News, zu transportieren. Wirklich verfangen will diese Strategie nicht. Leitmedien wie New York Times und Washington Post, die für den Löwenanteil der Dutzenden Enthüllungen in Trumps ersten neun Amtsmonaten verantwortlich zeichnen, verkaufen mehr Abos denn je. Diverse Umfragen belegen, dass die Amerikaner – im konstanten Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel – den "Mainstream-Medien" weiter entschieden mehr vertrauen als allem, was aus dem Weißen Haus und Trumps Mund kommt.

Der Rechtsstaat

Wenn Trump die Gewaltenteilung ignoriert und von der Justiz, etwa bei seinen diversen Einreise-Verboten für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern, politische Gefolgschaft verlangt, erweisen sich die Eckpfeiler des US-Systems bisher als stabil. Immer wieder legen sich Richterinnen und Richter verschiedener Instanzen quer und machen klar, dass Entscheidungen Trumps oft verfassungsunverträglich sind. Die Replik Trumps, es handle sich um eine von links unterwanderte Gesinnungsjustiz, findet in der Bevölkerung abseits seiner Basis wenig Widerhall. Indiz: Die seit sechs Monaten vom ehemaligen FBI-Chef Robert Mueller geführten Ermittlungen in der Russland-Affäre sind aus Trumps Sicht eine "Hexenjagd". Nur 28 Prozent der Amerikaner sind laut einer frischen Umfrage aus dieser Woche auch dieser Meinung. Die große Mehrheit lobt Mueller und sieht Anhaltspunkte dafür, dass Trumps Leute vor der Wahl mit den Russen paktiert haben, um der Demokratin Hillary Clinton den Weg ins Weiße Haus zu versperren.

Die Comedians

Ob Stephen Colbert, Trevor Noah, John Oliver oder Westküsten-Spaßmacher Jimmy Kimmel, der das Chaos um die Reform der Gesundheitsreform mit dem Schicksal seines kranken Sohnes verbindet: Amerikas Top-Late-Night-Unterhalter im Fernsehen wechseln regelmäßig ins ernste Fach und legen den Regierungsalltag bloß. Sie gelten vielen als die wahren "Nachrichtensprecher". Die Schauspielerin Melissa McCarthy hat für ihre kongeniale Parodie des ehemaligen Trump-Sprechers Sean Spicer in der Kult-Serie "Saturday Night Live" sogar einen Emmy bekommen.

Die Städte und Bürgermeister

Seit Trump und die weißen Nationalisten in seinem Kabinett (allen voran Justizminister Jeff Sessions) gegen Einwanderer Front machen, haben sich Hunderte "Zufluchtsorte" (sanctuary cities) zusammengetan. Ihre Botschaft: Nicht mit uns. Kalifornien ist im Prinzip eine einzige "sanctuary city". Aber auch Großstädte wie Los Angeles und New York, Chicago, Boston und Portland solidarisieren sich mit ihren Einwohnern ohne Papiere.

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