Wenn Amerika zum Horror wird

Donald Trump
In seinem Projekt „Doomocracy“ zeigt der Künstler Pedro Reyes kurz vor den Wahlen seine Schreckensvision der Vereinigten Staaten.

Es beginnt mit einer falschen Abzweigung. „Sie wissen, dass sie sich hier auf militärischen Gebiet befinden?“, sagt der Mann in Armee-Uniform mit der Taschenlampe und der bedrohlich großen Waffe in der Hand, zwei seiner Kollegen umstellen den Van. Alle aussteigen, hier an die Wand, Hände hinter den Kopf. „Woher sind Sie?“, „Was haben Sie hier zu suchen?“, „Was haben Sie einstecken?“

Natürlich ist es ein Teil der Performance. Beklemmend fühlt es sich trotzdem an, wenn einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet wird, während man angebrüllt wird. "Doomocracy" nennt sich, was Pedro Reyes hier am Brooklyn Army Terminal veranstaltet. Es ist angelehnt an die US-amerikanische Tradition eines Haunted House, also eines Spukhauses, durch das Besucher meist vor Halloween geschleust werden, das Pendant zur Geisterbahn im Wiener Prater. Nur dass das Erschreckende in diesem Fall eine Zukunft der USA ist, die sich Reyes ausgemalt hat. Und es gibt sogar ein Safeword für Besucher, die das Geschehen überfordert oder verängstigt.

Eine Schocktherapie für Amerika

Kaum dem Militär entkommen, dürfen die Teilnehmer zur Urne schreiten. Nur dass die gruselig freundliche Frau willkürlich manchen das Stimmrecht mit einem Lächeln verweigert. Das ist aber auch ziemlich egal, im nächsten Raum sitzt ein Mann, der geschredderte Stimmzettel zu Polsterfüllungen verarbeitet. Am Polster prangt ein Elefant, das Logo der republikanischen Partei. Die Polster, erzählt er, sind für Trumps neues Hotel in Mexico City.

Reyes, der Doomocracy erdacht hat, ist ein mexikanischer Künstler. Er hat 2008 in Mexiko Menschen im Rahmen eines Kunstprojekts aufgefordert, ihre Waffen abzugeben, um sie einzuschmelzen und zu Schaufeln zu verarbeiten – über 1500 hat er eingesammelt. „Sanatorium“ aus dem Jahr 2011 war schon näher an Doomocracy, er hat seine Besucher in Sanatorium gesperrt und Therapien durchlaufen lassen. Für die USA hat er mit seinem aktuellen Projekt eine Schockterapie ausgewählt.

Von Kindersärgen und Hexenverbrennungen

Es geht in diesem „Haunted House“ nicht nur um Politik, es geht um den Kommerzialisierungswahn, der sich ausdrückt in einem überdrehten Sargproduzenten, der eine neue Zielgruppe erschließt: Kinder. Seine Kindersärge, erzählt er, bedienen die Ansprüche der Zielgruppe: Sie sind ihren liebsten Süßigkeiten nachempfunden, der ausgestellte Sarg ist ein rosa Donut mit Zuckerstreusel. Nur eben nicht rund. „Weil wo hätten wir das Loch machen sollen?“, sagt der Verkäufer. Die nächste Generation der Särge soll sogar nach der jeweiligen Süssigkeit duften. „Ich bin überzeugt, dass die armen Kinder sehr glücklich sein werden in ihren Särgen.“

Süßigkeiten tauchen auch ein paar Installationen später auf, glutenfreie Schokolade nämlich. Die Besucher müssen sie als Hausangestellte auf einer Cocktailparty servieren, zuvor werden sie noch von ihrem neuen Boss auf spanisch angeschrien. „Ihr sprecht doch alle spanisch, oder?“ Es tauchen Hausfrauen auf, die bei Kaffee und Kuchen Waffen begutachten, weil: Wer soll sie sonst beschützen, wenn der Ehemann arbeiten ist? Cheerleader mit „JC“ - kurz für „Jesus Christ“ – Schriftzug, die eine Klassenkollegin als Hexe verbrennen wollen, weil sie abtreiben wollte und den Besuchern „Pro-Life“-Schilder mit Bildern von Embryonen in die Hand drücken. Oder eine Frau, die Himalayaluft verkauft, offenbar in einer nahen Zukunft, in der reine Luft zum Luxusgut geworden ist.

Das Ende ist nah

Bevor ein Apokalyptiker mit einem "The End Is Near"-Schild das Ende der Performance signalisiert, kommt noch der bitterste Gag: Zwischen drei Ausgängen müssen sich die Zuschauer entscheiden: Clinton, Trump und "Other", also ein Drittkandidat oder nicht zu wählen. Ausgänge gibt es aber nur zwei: Diejenigen, die sich für "Other" entscheiden landen beim selben Ausgang wie die Trump-Wähler. Der Ausgang der Wahl wird dann zwischen den Trump/Other-Wählern mit Trumpmasken und den Clintonwählern mit ihren Masken in einem Fußballspiel entschieden.

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